Fachtagung – BuKo12 http://www.buko12.de Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010 - 2012 Sat, 28 Jan 2017 17:47:28 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.8.1 Buch03: convention – zum Subskriptionspreis http://www.buko12.de/2013/07/18/buch03-convention-zum-subskriptionspreis/ http://www.buko12.de/2013/07/18/buch03-convention-zum-subskriptionspreis/#respond Thu, 18 Jul 2013 20:23:20 +0000 http://www.buko12.de/?p=2448

Das dritte Buch der Schriftenreihe „Kunst Pädagogik Partizipation“, die den BuKo12 dokumentiert, wird in Kürze erscheinen. Das Buch kann in limitierter Anzahl zum Subskriptionspreis von 10,- € ab sofort bestellt werden.

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Buch02: revisit. Kunstpädagogische Handlungsfelder http://www.buko12.de/2012/10/10/buch02-revisit-kunstpadagogische-handlungsfelder/ http://www.buko12.de/2012/10/10/buch02-revisit-kunstpadagogische-handlungsfelder/#respond Wed, 10 Oct 2012 13:52:53 +0000 http://www.buko12.de/?p=2303

Das zweite Buch der Schriftenreihe „Kunst Pädagogik Partizipation“, die den BuKo12 dokumentiert, wird in Kürze erscheinen. Das Buch kann in limitierter Anzahl zum Subskriptionspreis von 9,- € beim Kongress in Dresden erworben werden.

Andreas Brenne / Andrea Sabisch / Ansgar Schnurr (Hrsg.)
revisit. Kunstpädagogische Handlungsfelder #teilhaben #kooperieren #transformieren
Schriftenreihe Kunst Pädagogik Partizipation: Buch 02
München 2012

In diesem Buch werden kunstpädagogische Handlungsfelder unter sich wandelnden Vorzeichen betrachtet. Neue Perspektiven ergeben sich, indem aktuelle Fragen des Faches nach Schul- und Unterrichtsentwicklung, Orientierung im Sozialraum und gesellschaftlich-kultureller Vielfalt auf Formen und Theorien der Partizipation bezogen werden. Teilhabe und Zugehörigkeit erweisen sich gleichermaßen als Anspruch wie als Herausforderung für die gegenwärtige und zukünftige Ausrichtung der Kunstpädagogik.

Worin genau besteht eine Teilnahme, Teilhabe oder Kooperation in Unterricht, Lehrerbildung und in Projekten kultureller Bildung? Wer entscheidet, organisiert und kontrolliert die Regeln der jeweiligen Zugehörigkeit innerhalb und außerhalb der Institutionen? Wie lassen sie sich verändern? In welchem Verhältnis stehen Teilhabe und Chancengleichheit? Gibt es einen Ort, von dem aus man verhandeln kann, wer in einer pluralen, interkulturellen Gesellschaft woran teilhaben soll?

revisit lautet der Titel des zweiten Bandes der Reihe „Kunst Pädagogik Partizipation“, die den Gesamtprozess des Buko12 (Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010-2012) repräsentiert. Er betont das erneute Überdenken und exemplarische Weiterentwickeln kunstpädagogischen Lehrens und Lernens mit dem Fokus auf vier kunstpädagogische Handlungsfeldern: Expeditionen Ästhetische Bildung, Partizipatorische Kunstpädagogik in der Grundschule, Sozialraumorientierung im Ganztag, Interkultur – Globalität – Diversity.

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Buch01: Shift – zum Subskriptionspreis http://www.buko12.de/2012/08/11/buch01-shift-zum-subskriptionspreis/ http://www.buko12.de/2012/08/11/buch01-shift-zum-subskriptionspreis/#respond Sat, 11 Aug 2012 16:03:51 +0000 http://www.buko12.de/?p=2289

Das erste Buch der Schriftenreihe „Kunst Pädagogik Partizipation“, die den BuKo12 dokumentiert, wird in Kürze erscheinen. Das Buch kann in limitierter Anzahl zum Subskriptionspreis von 9,- € ab sofort bestellt werden.

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Tagungsbericht BuKo12 Part08 http://www.buko12.de/2012/06/11/tagungsbericht-buko12-part08/ http://www.buko12.de/2012/06/11/tagungsbericht-buko12-part08/#respond Mon, 11 Jun 2012 10:14:23 +0000 http://www.buko12.de/?p=2206 BuKo12 Part08 – „Interkultur. Kunstpädagogik remixed“
Eindrücke vom Kongress in Nürnberg im April 2012

„Stellen Sie sich vor, eine junge Frau aus Istanbul studiert in Boston deutsche Kultur und setzt sich dort mit den Filmen von Fatih Akin auseinander… Was passiert in einer solchen Konstellation? Rezipiert eine Türkin deutsche Kultur?“ (Paul Mecheril auf dem Kongress)
„Was muss passieren, damit die Mehrheit den Begriff ‚deutsch‘ nicht mehr über Abstammung, sondern über den Lebensmittelpunkt definiert?“ (Frage einer Kongressteilnehmerin)
„Ich bin jemand, der den Begriff ‚Integration‘ überhaupt nicht mehr verwendet. Er wird in unserer Öffentlichkeit so schrecklich verwendet, dass ich ihn nicht mehr verwende. (…) Es geht darum, dass wir kulturelle Vielfalt leben lernen.“ (Rolf Witte auf dem Kongress)

Es war ein Kongress, der von vielen Fragen und der Suche nach ersten Antworten geprägt war: Wie können Lernchancen im Bereich des Bildlichen für alle Kinder und Jugendlichen erschlossen, gewahrt und ausgeweitet werden? Wie können ästhetisch basierte Prozesse der Identitätsentwicklung in unserer Einwanderungsgesellschaft initiiert und die Potenziale von Migration in kunstpädagogischer Arbeit genutzt werden? Diese und ähnliche Fragen an den Schnittpunkten von Interkultur und Kunstpädagogik standen im Zentrum des dreitägigen Kongresses in Nürnberg, der von Barbara Lutz-Sterzenbach (BDK Bayern), Ansgar Schnurr (Technische Universität Dortmund) und Ernst Wagner (UNESCO-Lehrstuhl Kulturelle Bildung, Universität Erlangen-Nürnberg) organisiert wurde. Der Kongress war der achte „Part“ in einer Reihe von Veranstaltungen im Rahmen des Bundeskongresses 2010–2012, der vom 19-21.10. in Dresden seinen Abschluss finden wird.

In Nürnberg war es das Ziel, „gemeinsam zu Ideen zu kommen, für die Theorie und Praxis“, so die Veranstalterin Barbara Lutz-Sterzenbach. Die Erfahrungen aller Teilnehmenden sollten dezidiert eine Rolle spielen und in das vor Ort gemeinsam erstellte „Nürnberg-Papier“ einfließen.

„Ist das Fach Kunst im interkulturellen Bildkontext gut aufgestellt?“ fragte Clemens Höxter (Bundesvorsitzender des BDK) gleich zu Anfang in seinem Grußwort. Er erörterte auch, ob einige der in der Praxis anzutreffenden Verfahren und Methoden Interkultureller Pädagogik möglicherweise sogar dazu beitragen, den Status Quo der Diskriminierung und strukturellen Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund nicht etwa zu überwinden, sondern vielmehr zu festigen. Es sei nicht leicht, so Höxter, dem Anspruch Interkultureller Pädagogik jenseits von Folklore und Mandalas gerecht zu werden.

Veranstalter Ansgar Schnurr (Technische Universität Dortmund) erläuterte den titelgebenden Begriff des Remix, eine Durchmischung und Neuordnung: Einerseits solle es um die Subjekte und Lerngruppen in Bildungszusammenhängen gehen, so Schnurr. Hier sind vermischende Neuordnungen in Lebenswelt und Gesellschaft im Zuge von Migrationsbewegungen und globalen Ausdifferenzierungen relevant. Andererseits bezeichnet Remix die sich durch Migrationsbewegungen und Globalisierung neu organisierenden Bildwelten, mit denen Kunstpädagogik arbeitet. Schließlich soll Remix auch die Kunstpädagogik und das professionelle Denken einschließen: Vorstellungen und Handlungspraxen im Zusammenhang mit Migration und Globalität werden durchmischt und produktive Neuordnungen angestoßen.

Bestandsaufnahme

Am ersten Tag erfolgte eine Bestandsaufnahme: Von welcher Situation müssen wir eigentlich ausgehen? Mit welchen Begriffen sprechen wir über die jetzige Situation? Forschungsergebnisse und Erhebungen wurden referiert. Immer wieder spielte in den Redebeiträgen und Diskussionen reflexiv unsere Sprache eine Rolle: Wie sprechen wir über Migration, über Menschen mit Migrationshintergrund, über Kultur? Mit welchem Kulturbegriff arbeiten wir überhaupt? Welche Rolle spielen Stereotypen und somit auch mögliche Stigmatisierungen? Werden wir vielleicht Menschen irgendwann nicht mehr über ihre Herkunft thematisieren? Wird Kultur und Gesellschaft so pluralisiert und fragmentiert, dass große Sinnsysteme keine Gemeinsamkeit mehr stiften? Wie verändern sich kulturelle Praktiken durch Migrationserfahrung? Kann Kunst einen Beitrag zu mehr Integration leisten? Wie schafft sie das?

Der Psychologe Paul Mecheril (Universität Oldenburg) zog sein Fazit gleich zu Anfang seines Vortrags und betonte das Vergnügen, das für ihn darin bestehe, die Wahrnehmung der Wahrnehmung von Unterschieden zu ermöglichen und zu reflektieren. Er wolle „Wahrnehmungsordnungen ironisieren“ und hätte „Sympathie für das „Außerordentliche“ (jenes, das sich dem Ordnenden nicht gleich fügt – freilich von ihm hervorgebracht wird)“. Kunstpädagogen gewinnen kein Alleinstellungsmerkmal, so Mecheril, wenn sie sich mit dem Thema Migration beschäftigen, denn das tun viele – aber eben noch nicht so lange. Durch Migration entstehen neue Räume – es wird zunehmend schwieriger von „deutscher Kultur“ zu sprechen, die Veränderungen sind schnell und Kultur ein dynamischer Prozess.

Der inhaltlich dichte Tag endete mit einer Theateraufführung von Nürnberger Schülerinnen und Schülern und einer Performance-Lecture der Münchner Kammerspiele – hier wurde Interkulturalität praktiziert und theatral diskutiert.

Kerngeschäft

Am zweiten Tag ging es um „das Kerngeschäft“, die schulische und außerschulische Kunstpädagogik. In diversen Workshops wurden schulimmanente Projekte vorgestellt wie auch Kooperationen zwischen Künstlern, Kultureinrichtungen, Bildungseinrichtungen und Schulen. Die Bandbreite reichte von Lernen anhand traditionellen türkischen Schattentheaters zu einem Projektseminar über muslimisches Leben in Nürnberg; von einer fotografischen Auseinandersetzung von Hauptschülern mit dem Begriff „Heimat“ bis hin zu nonverbalen Vermittlungsmethoden im Museum, um Sprachbarrieren zu überwinden. Ziel der Workshops war auch, Thesen zu interkultureller Kunstpädagogik zu formulieren: als Diskussionsgrundlage für den dritten Tag.

Der Kunstpädagoge Ernst Rebel (Ludwig-Maximilians-Universität München) gab am Vormittag einen Überblick über die Vorgeschichte der interkulturellen Kunstpädagogik in Deutschland (1900-2000) und wies darauf hin, dass eine Interkulturelle Kunstpädagogik mehr sein müsse, als eine Thematisierung des Fremden – ein bloßer Differenzverweis reiche nicht aus. Ließe sich Interkulturelle Kunstpädagogik als neues Unterrichtsprinzip verstehen? Ließe sich eine dialogische Praxis, eine gleichberechtigte Teilhabe, in Bildungspraxis verankern? Wichtig sei es, so Rebel, die Differenzen nicht einzuebnen, also immer Wegbarkeiten zwischen Kontakt und Konflikt zu schaffen. Irritationen und Spannungen müssten ausgehalten werden und Umgangsweisen müssten auf wechselseitigen Respekt zielen.

Birgit Dorner (Katholische Stiftungsfachhochschule München) fragte in ihrem Vortrag: Was machen wir eigentlich in unserer kunstpädagogischen Arbeit sichtbar? Sie nannte als eine Leitlinie für Interkulturelle Kunstpädagogik: Kunstpädagogen werden aufgefordert, bei der Betrachtung von Bildwerken den Fokus auf den soziokulturellen Kontext zu richten – in welchem System ist ein Objekt entstanden? In welchem System sind unsere Beurteilungskriterien entstanden? Für Lehrende sei das Erkunden fremder Welten – nicht mit Distanz, sondern als eine „liebevolle Weltwanderung“ (Dorner) – immer mit dem Blick auf sich selbst zurück verbunden.

Im Vortrag von Rolf Witte (Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, BKJ) wurden konkrete Ziele einer möglichen Interkulturellen Kunstpädagogik genannt, z.B. die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und Prägung, Sensibilisierung für gesellschaftliche Vielfalt, Wahrnehmung von Diskriminierung, Stärkung solidarischen Handelns und Förderung der Partizipation von Minderheiten. Aber es gebe auch Stolpersteine, so Witte: Folklore oder Verfremdung kultureller Handlungsweisen gelte es zu vermeiden. Vorurteile und Stereotypen müssten bewusst gemacht und Differenzierungen aufgezeigt werden.

In einer Podiumsdiskussion am Nachmittag mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Bereichen Sport, Kunst, Musik und Theater wurde deutlich, wie unterschiedlich die Ansätze in den ästhetischen Fächern sind – und wie doch alle das Potenzial in der Vielfalt sehen: Im Fremden das Eigene aufdecken, verstehen und relativieren. Ein genussvoller Abend mit internationalem Buffet, Modenschau und Tanz bildete den Abschluss dieses anregenden und dichten Tages.

Nürnberg-Papier

Das nächtliche Arbeiten am Nürnberg-Papier führte zur Vorlage erster Thesen am dritten Tag. Allen zugänglich gemacht konnten sie Eingang in Fragen und Statements auf dem Podium und im Publikum finden. Deutlich wurde, dass ein Weiterdenken und Weiterarbeiten notwendig ist, dass der Kongress jedoch ein Anfang war. Max Fuchs (Deutscher Kulturrat) betonte, dass ästhetische Bildung als Grundprinzip von Schule begriffen werden solle, dass Kunst in der Schule durchgängiges Prinzip für die Gestaltung einer neuen Schule sei, nicht nur guter Kunstunterricht.

Wieder wurden Fragen gestellt: Was kann Kunst, was kann Kultur eigentlich bewirken? Wie schaffen wir es, dass das Thema Interkultur die parteipolitische Bühne verlässt und auf der Ebene der Menschen ankommt? Wie gehen wir mit unterschiedlichen Bildsprachen um? Wie erreichen wir die Menschen in ihrem speziellen Umfeld? Welche Visionen brauchen wir?

Der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani zeigte am Ende der drei Tage in einer bemerkenswerten Lesung aus seinen Bildansichten christlicher Kunst, wie universell Bildsprache über die Grenzen von Herkunft, Nation oder Religion hinaus wirkt und wie präzise und doch poetisch Sprache in der Beschreibung ästhetischer Erfahrungen sein kann.

Ausblick

Die Nürnberger Tagung war insgesamt reich an Impulsen und Praxisbeispielen, wie Arbeit an den Schnittstellen unterschiedlicher Kulturen, wie kunstpädagogische Praxis mit einer Vielfalt von Bildwelten und kulturellen Hintergründen gelingen kann. Jetzt gilt es, weiterzudenken, Projekte zu entwickeln und durchzuführen – und den Diskurs beim BuKo-Abschlusskongress in Dresden fortzusetzen. Das Nürnberg-Papier finden Sie hier: Part08_Nuernberg-Paper_22042012.

 

Autorin: Sara Burkhardt
Fotos: Roland Baege

 

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Tagungsbericht BuKo12 Part04 http://www.buko12.de/2012/02/07/tagungsbericht-buko12-part04/ http://www.buko12.de/2012/02/07/tagungsbericht-buko12-part04/#comments Tue, 07 Feb 2012 15:36:55 +0000 http://www.buko12.de/?p=1680 Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010-12, Part04 – Hedo-Camp meets global art am ZKM

BuKo12/part04 schlägt die Zelte im ZKM auf

Vom 20. bis 21. Januar 2012 schlugen die Initiatorinnen des BuKo12-Part04 Prof. Dr. Christine Heil (Kunsthochschule Mainz) und Dr. Jutta Zaremba (Universität Flensburg) ihre virtuellen Zelte im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnolgie (ZKM) auf und mit ihnen ca. 50 TeilnehmerInnen, die aus ganz Deutschland angereist waren. Zwei Tage lang wurde gelagert, geschaut, diskutiert, auf unterschiedlichsten Kanälen kommuniziert und damit das ZKM auf vielfältige Weise angeeignet und durchkreuzt. Das freie Campen im fremden Gefilde wurde vom Team der Kunstvermittlung, Janine Burger, Leiterin der Abteilung Medienkommunikation, Carolin Knebel und Banu Beyer, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des ZKM, sowie Philipp Sack, mit großer Gastfreundschaft und allem nur erdenklichen Support unterstützt und begleitet.

Zentrales Forschungsfeld bildete die aktuelle Ausstellung The Global Contemporary. Kunstwelten nach 1989, in der es Werke von über 100 KünstlerInnen aus 5 Kontinenten zu sehen gab, sowie die Kunstvermittlung als integraler Bestandteil des kuratorischen Konzeptes. Damit war kein kleiner Referenzrahmen gesteckt, in dem sich das Beziehungsgeflecht Hedonismus in Medien/Kunst/Pädagogik entwickeln sollte. #Hedonismus als Spannungsbogen zwischen den Polaritäten Freude, Glück, Vergnügen einerseits sowie Unlust, Stress, Leid andererseits wurde bereits im Vorfeld der Tagung im Diskussionsforum mixxt lanciert und hedonistische Aspekte als wesentliche Bestandteile von künstlerischen, kreativen und vermittelnden Prozesse benannt. Und so lief die Begrifflichkeit wie eine Art Hypertext durch die BuKo-Veranstaltung, die in unterschiedlichen Intensitäten und Dimensionen immer wieder mit verhandelt wurde. Spaß und Lust waren damit nicht nur zentrale theoretische Inhalte, über die man sich austauschte. Lustvoll gestaltete sich auch das gewählte Format „BarCamp“: keine Frontalvorträge, keine hierarchische Organisation, keine vorprogrammierten Inhalte, sondern aktive Beteiligung aller Beteiligten, Selbstorganisation, Mitbestimmung und Mitgestaltung und das durchaus nach dem Lust-/Unlustprinzip: Trifft ein Vorschlag auf Zustimmung, wird er verwirklicht, andernfalls nicht.

In der Wahl dieses partizipativen und offenen Formats wurde ein zeitgemäßer Umgang nicht nur für die Wissensproduktion während eines Kongress erprobt, sondern analog auch für eine Kunstvermittlung, die sich von der reinen Kunstwerk-Vermittlung oder der Aneignung überprüfbaren Wissens entfernt und in der Begegnung mit Kunst auf aktive Beteiligung sowie eigene Handlungs- und Erfahrungsräume setzt. Insofern fand das Ausloten des Hedonismus in den künstlerischen Arbeiten wie auch in der Kunstvermittlung im Experimentieren während des Camps seinen Resonanzraum.

Hedo-location

Das ZKM war die kongeniale Location für das Hedo-camp. Seit 1999 befindet es sich im Gebäude der ehemaligen Waffen- und Munitionsfabrik der IWKA (1918 erbaut) und funktioniert als hybrides Konglomerat unterschiedlicher Institutionen, Disziplinen und Funktionen. Es ist Ort der Produktion, Forschung, Aufführung, Vermittlung und Dokumentation für traditionelle Künste und Medientechnologie. Der 312 Meter lange Hallenbau durch 10 Lichthöfe strukturiert, ist Spiegel einer multifunktionalen Raumauffassung, in der Menschen und Daten, Netz und Welt sicht- und fühlbar ineinander verwoben sind. Im Durchschreiten des Gebäudes entsteht der Eindruck, dass hier zumindest der Versuch wirksam ist, verschiedene Funktionen, Bildwelten und Situationen gleichwertig nebeneinander zu stellen. Immer wieder scheinen die Schnittstellen zwischen den Disziplinen und Feldern, zwischen dem Realen und dem Virtuellen auf. Der #critical art walk führt später auch hinter die Kulissen und ins Innere des riesigen Schiffs und man ahnt während der Führung auf den langen Wegen, dass Kommunikation und Kooperation zwischen #Institutionen und Disziplinen nicht immer reibungs- und hierarchielos von statten geht. Resümee: „Architektur kann töten und gebären.“

Hedo-spaces

Im ZKM standen dem camp Räume mit unterschiedlichem Aktionspotenzial und Sichtbarkeiten zur Verfügung: Vortragssaal, zwei Seminarräume, Multifunktionsraum, Studio und Musikbalkon, in denen Inhalte und Informationen erstellt, gesammelt, ausgewählt, verknüpft, wieder aufgenommen und verteilt werden konnten. Nicht zu vergessen: die Kaffeebar, die bis auf wenige Momente vorbildlich bestückt war. Besonders der Musikbalkon und das #Studio wurden zu Pinnwand, Archiv und #mindmap mit Möglichkeiten für Kommentar, Interview, Diskussion, Präsentation und Lager. Die Unterschiedlichkeit machte umso deutlicher, wie Raumsituationen, Atmosphären und Tools Kommunikation und aktive Auseinandersetzung beeinflussen und befördern können.

Hedo-formats

Das Hedo-Camp verzichtete durchgehend auf die gängige Form einer Konferenz, sondern bot – wie beim Unkonferenzformat des BarCamp üblich – unterschiedliche Möglichkeiten der Partizipation: speed-Hedo, Hedo-sessions, Hedo-affects, Hedo-pool usw., mittels derer neue Formen des Austauschs, des Lernens und Vernetzens hin zur Selbststeuerung und konnektivem Wissen angestrebt wurden. Die Idee dabei ist, dass jeder Teil eine eigene experimentelle Situation darstellt, im darauf folgenden Teil werden Inhalte destilliert und feinjustiert. So entscheidet die gemeinschaftliche Diskussion, was verworfen oder übernommen werden soll und in welche Richtungen weitergegangen wird. Durch das Tool #eduPad können parallel stattfindende Sessions untereinander schriftlich kommunizieren.

Hedo-transfer

Partizipative Prozesse ziehen veränderte Kommunikationsbedürfnisse nach sich. Wenn Gedanken und Wissen kollektiv und parallel in verschiedenen Arbeitsgruppen produziert werden, wird eine entsprechende Infrastruktur wichtig, die Transfer und Dokumentation sicherstellt. Die Technikausstattung war daher ausgesprochen vielseitig und reichte von der archaischen Tafel und Papier für mindmaps über Videobox und Beamer bis iPad und eduPad, einem Worddokument, das kollektiv bearbeitet werden kann. Ein Kamerateam begleitete den Verlauf des zwei-tägigen Camps und forderte einzelne TeilnehmerInnen zu individuellen Statements auf. Die Videobox bot ebenfalls die Möglichkeit zu persönlichen Botschaften: Reinsetzen und sagen, was Sache ist! Das war das Anliegen der Initiatorinnen: Jede session soll eine Message transportieren.

speed-Hedo

Anfangskatalysator war das speed-Hedo und die Frage, wie man der über 2000-jährigen philosophischen Figur Hedonismus ohne Vortrag und SpezialistIn Kontur verleiht. Dazu teilten sich die TeilnehmerInnen in Gruppen, um an fünf Stationen in ca. acht Minuten kurze Exzerpte zur historischen und philosophischen Genese des Begriffs zu lesen und zu kommentieren. Jeweils eine TeilnehmerIn wechselte nicht, sondern moderierte die Gruppen, die sich mit folgenden Positionen befassten:

  • Aristippos von Kyrene – Ursprünge des Hedonismus
  • Hedonistische Internationale – http://hedonist-international.org
  • Bernulf Kanitschneider –  Aufgeklärter Hedonismus
  • Jeremy Bentham –  Hedonistisches Kalkül
  • Henry Sidwick –  universeller Hedonismus
  • Slavoj Žižek –  ästhetischer Hedonismus
  • Pier Paolo Pasolini –  Zwangshedonismus

Der schlaglichtartige, etwas einseitig maskulin abendländische Input von der Antike bis zur Gegenwart rief lebhafte Diskussionen, aber auch Bemerkungen zu Lust und Last des „Selbstregierens“ hervor. Denn das inhaltliche Schwergewicht stand in Kontrast zum vorgegebenen Stakkato des Formats. Und auch wenn ExpertInnen unterschiedlicher Felder anwesend waren, die sich aktiv einmischten, konnten die Debatten über kleine Blitzlichter nicht hinausgehen. Dies spiegelte sich auch in den daraus erwachsenden mindmaps. Jede Gruppe hinterließ auf den ausgelegten Papieren Gedanken, Ideen und Kommentare, an denen die jeweils nachfolgende Gruppe weiter schrieb:

mindmaps
Glück = Berechnung des Folgeleids / pessimistischer Spaß, subversiver Spaß / Ästhetik bedingt Hedonismus / Ästhetische Produktion und Rezeption ohne Hedonismus nicht möglich / lächelnde Selbstreflexion – sich nicht so wichtig nehmen / Utilitarismus / Beteiligung als Quelle von Selbstzufriedenheit / Hedonismus des Betrachters/ Selbstermächtigung / intellektueller, sinnlicher, partizipativer Hedonismus / Wie funktioniert der Mensch? Ich im Zentrum des Gemeinwesens / Wie gelange ich zu einem optimierten Zustand? Erstrebenswert / De Sade? / Leidenschaft / Kollektive Wunschproduktion / Selbstregulierung / Maßlos / Sublimation / Das Unbehagen in der Kultur / Solidarische Auffassung

Der Erkenntnisgewinn des speed-Hedo blieb zunächst etwas unbefriedigend, auch weil man sich fragte, wie nun der Bezug zur Ausstellung herzustellen sei. Im Verlauf der Veranstaltung bei den unterschiedlichen Denk- und Aktionsprozessen blitze jedoch mitunter hier und da mal ein Satz etwa žižekscher Provinienz auf, aber auch das Tag „Kekse!“ (kein Spaß mit leerem Magen), ebenfalls ein Eintrag auf einer der mindmaps, fand immer wieder sein Echo während der beiden Camp-Tage.

love/hate-Rundgang

Der zweite Input in der Veranstaltung war die Aufforderung, beim folgenden, individuellen Ausstellungsrundgang zwei Zettel an den Kunstwerken zu platzieren, auf denen jeweils ein Begriff stand: love bzw. hate und dabei ohne Überlegung dem ersten Affekt der Zu- oder Abneigung zu folgen. Ähnlich wie beim mindmap davor erzeugte diese Methode ein unmittelbares Stimmungsbild (hier fand jemand etwas toll, hier nicht), bildete aber auch ein Kommunikationstool, das die eigene Reflektion und Urteilsfindung ankurbelte.

hate türmte sich z.B. vor der Arbeit „Wang Bin Torture in Commercial Quality, High Quality and Museum Quality“ (2010) von Ondreij Brody & Kristofer Pateau. Das Künstlerduo hat von einem anonymen chinesischen Auftragsmaler die Fotografie eines zu Tode gefolterten Anhängers der in China verbotenen Falun-Gong-Religion als Ölgemälde in drei Qualitätsstufen (kommerziell, hohe und museale Qualität) reproduzieren lassen. Im anschließenden Gespräch beim Rundgang zeigte sich, dass das impulsive Ablehnen dieser Arbeit von vielen aus der fast unerträglichen Spannung der thematisierten Kunstmarktmechanismen und dem dokumentierten Einzelschicksal eines zu Tode gefolterten Menschen entstand. Die Verschmelzung von Bildern der Massenmedien und der Kunst bringt offensichtlich die im Zuge der Moderne festgeschriebenen Wertmaßstäbe wie Relevanz, künstlerische Intention, Einzigartigkeit, Schönheit und Autorenschaft zum Kippen. Dies zwingt uns als BetrachterInnen in die uneindeutig-schmerzhafte Position zwischen Genuss an der Malerei und totaler Ablehnung im Umgang mit dem Sujet. Als VermittlerIn ist man außerdem mit der Angst konfrontiert, mit den Emotionen und Reaktionen der BesucherInnen nicht angemessen umgehen zu können.

love hingegen erhielt z.B. Meschac Gaba mit seinen 30 Perücken aus geflochtenem Kunsthaar (Musée de l’art de la Vie Active, 2010/11), die universal verständliche Symboliken von historischen Figuren der globalen Geschichte wie z.B. Martin Luther King, Kwame Nkrumah, Jeanne d’Arc, Fela Kuti, Pierre und Marie Curie oder König Guézo von Dahomey darstellen. Viel love erntete auch Halil Altindere mit einer Fotografie, die ihre traditionell gekleidete Mutter bei der Lektüre eines Buchs über Pop Art zeigt „My Mother likes Pop Art because Pop Art is Colorful (1998)“. Beide Arbeiten, die sich vordergründig farbenfroh, leicht und harmlos präsentieren, beziehen ihren Reiz jedoch aus der durchaus hintergründigen Ironie und Kritik am westlich zentrierten Blick der Moderne mit ihren Stereotypen, Klischees und einseitigen Perspektiven, was den spielerischen Genuss der Arbeiten begründete.

Viele TeilnehmerInnen stimmten zu, dass es nicht einfach war, dem ersten Impuls nachzugeben und man sich durchaus beim Platzieren/Bewerten beobachtet gefühlt hat: „Intuitives Bewerten (Hedonismus des Bewertens) macht Spaß, solange es anonym bleibt!“ Während man dann aber plötzlich love an vielen Stellen hätte fallen lassen mögen, „Ich hätte noch viel mehr Liebe verteilen können“, wollte sich hate kaum platzieren lassen. Offensichtlich wollen wir lieber loben als ablehnen, denn hate scheint um einiges mehr an Reflektion und Rechfertigung zu erfordern. Teilweise waren love und hate aber auch zusammen an einem Kunstwerk zu sehen, so z.B. bei Stephanie Syjuco, die mit ihrem Projekt „The Counterfeit Crochet Project (Critique of a Political Economy) (2008)“ zur Designlabelpiraterie von Luxusprodukten einlädt: Gemeinsam nach Vorlagen von Marken wie Gucci, Louis Vuitton oder Fendi aus Hochglanzmagazinen Handtaschen nachzustricken oder nachzuhäkeln. Resümee: „Lust entsteht in der Reibung – auch Schmerz und Ekel, sind nicht lustfrei. Wenn es nur um Lust geht, dann wird es trivial.“

Kuratorinnen-Gespräch

Mit dem Studio, einem semipermeablen Raum im ersten Stock der Ausstellung „The Global Contemporary“ hat die Kunstvermittlung einen konkreten Ort erhalten, an dem Projekte, Workshops und temporäre Präsentationen umgesetzt werden können, die damit auch für ein Publikum sichtbar wurden, das nicht unmittelbar daran teilgenommen hat. Hier fand auch das Gespräch mit zwei der vier KuratorInnen, Andrea Buddensieg und Antonia Marten, statt, von denen zu erfahren war, dass die Ausstellung aus dem am ZKM angesiedelten Forschungsprogramm „Global Art and the Museum GAM“ hervorging, das sich mit den Veränderungsdynamiken der Globalisierung und ihren Einflüssen auf Kunstproduktion, -rezeption und -verwertung beschäftigt hat. Nach 1989, so die These, sei eine neue Epoche angebrochen, in der die Vorrangstellung der Moderne und die gewohnten Ein- und Ausschlussprinzipien nicht länger funktionierten. Dabei begreifen die Kuratorinnen die Ausstellung – neben Konferenzen, Workshops, residencies und Publikationen – als ein weiteres Format, um die Forschungsansätze und -ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Um auch in der Präsentationsform dem Globalen und nicht-Linearen zu entsprechen, lehnen sie sich an Bilder von Orten des Transits wie Flughäfen und Baustellen oder auch Messe und Markt an: Weg von der kontemplativen Versunkenheit hin zum beschleunigten Zapping, was angesichts der schier unendlichen Flut an Bildern und Werken die praktikabelste Betrachtungsweise für global art zu sein scheint.

Später lässt sich eine der beiden Kuratorinnen zu der Aussage hinreißen, sie hätte nichts mit Kunstvermittlung zu tun, und verdeutlicht damit einen anderen, nach wie vor wirksamen hegemonialen Diskurs der Moderne, der das Ausstellungsmachen über das Vermitteln stellt. Aus dem Publikum ist leider kein spontanes Zücken einer hate-Karte zu sehen. Erst am nächsten Tag, dann umso intensiver, berichten VertreterInnen des Vermittlungsprogramms über ihre vielfältigen Projekte und deren Wirkungsweisen. Eine  Übersicht über alle Projekte bietet die Homepage.

Hedo-education

Carolin Knebel, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Museumskommunikation am ZKM schilderte die Genese der Vermittlung für die Ausstellung „The Global Contemporary“, die von Anfang an in deren Gestaltung eingebunden war. Sie sprach in Vertretung der Kuratorin für Kunstvermittlung beim Projekt „Global Art and the Museum GAM“, Henrike Plegge, die nicht persönlich anwesend sein konnte. Henrike Plegge war seit 2008 im Kuratorium vertreten und konnte so frühzeitig die Perspektive der Kunstvermittlung einbringen sowie im Entstehungsprozess ein Jahr vor Eröffnung der Ausstellung die vermittlerische Arbeit beginnen, was die Fragen anregte: „Braucht Kunstvermittlung Kunst, oder kann man bereits in leeren Räumen arbeiten?“

Die große Vielfalt der Vermittlungsarbeit für „The Global Contemporary“ ist auch dem Umstand zu verdanken, dass für einige Projekte Drittmittel akquiriert werden konnten, was allen Beteiligten einen großen Spielraum eröffnete, eigene und gemeinsame Kommunikations- und Gestaltungsprozesse zu entfalten. Vor dem Hintergrund der Globalisierung thematsiert z.B. Microsglobe, ein 1,5-jähriges Kooperationsprojekt mit der Gutenbergschule Karlsruhe, die Herausforderungen der Kommunikation, die nicht auf einer gemeinsamen Sprache basiert. Die vielfältige Übersetzungsarbeit eröffnete einen gemeinschaftlichen Handlungs- und Reflektionsraum, in dem unterschiedliche Kenntnisse über Lebensweisen und Auswirkungen von Globalisierungsprozessen deutlich und verhandelbar werden.

Hedo-sessions

An beiden Tagen fand ein Block mit jeweils fünf Sessions statt, die Aspekte des Hedonismus sowohl in den künstlerischen Arbeiten der Ausstellung als auch in Kommunikationsformen und Vermittlungsprozessen untersucht haben:

  • Künstlerische Praxis, wie funktioniert der Kunstbetrieb?
  • (lustvolle) Kommunikation in künstlerischen Arbeiten und der Ausstellung
  • künstlerische Arbeiten, die sich mit dem Kunstmarkt und dessen Preise beschäftigen
  • Was hat Hedonismus mit der Ausstellung sowie unserem Arbeits- und Kunstalltag zu tun?“
  • Auf der Suche nach „diversity“
  • Komm unter meine Mütze!
  • Handlungsmacht
  • ästhetisch-dekorativer Hedonismus im Comic
  • Was ist, wenn der Betrachter lacht? – Positionierung – Humor – kollektiver Raum
  • „Nächste Kunst“ – What’s next?

In der Session „Was hat Hedonismus mit der Ausstellung und unserem #Arbeits- und Kunstalltag zu tun?“ wurden unterschiedliche Dimensionen von Spaß debattiert und gefragt: Darf Spaß trivial sein oder muss es ein qualitativ akzeptabler Spaß sein? Darf man es sich gestatten, ein Bild zu sehen, so wie man Lust dazu hat? Wollen Leute im Museum bespaßt werden? Oder erwarten sie, dass Ungewöhnliches passiert, dass experimentelle Handlung ermöglicht werden – nicht nur verbal? Einigkeit bestand darin, dass Kunstvermittlung sowohl Lust wie Unlust/Enttäuschung braucht. Beide sind im Erleben einer Ausstellung – genauso wie in einer Schulstunde – nötig und bedingen einander. Werden Erwartungen gebrochen, können Dinge in anderer Form und anderer Qualität passieren. Aber: Muss ich mich in einer Gruppe rumschleppen lassen, obwohl ich keine Lust habe? Dann gebe ich die Autorität an die Institution, dem Museum oder die Schule ab. Autonomie im Lernen ist nur mit Lust möglich.

„Die Ausstellung lässt das Fremde vermissen. Sie bietet nicht genug Verschiedenheit, nicht genug Rätsel! Wo findet sich das Unästhetische? Zu viele künstlerische Positionen sind bekannt“, so einer der TeilnehmerInnen der Hedo-session #diversity. Zwar versuche sich die Ausstellung von der „Weltkunst“ abzuwenden und anstelle eines kolonialen Blicks auf andere Kulturen einen globalen Blick zu formulieren, aber die Frage bleibe, wie weit tatsächlich global gedacht werden kann. Das wird z.B. an der Arbeit „Dow Song Duang (The Two Planets Series) (2008)” von Araya Rasdjarmrearnsook diskutiert, der in vier kurzen Sequenzen eine Gruppe von thailändischen Dorfbewohnern zeigt, die vor bekannten Werken der europäischen Moderne wie Millet, Van Gogh und Manet sitzen. Sichtlich amüsiert erörtern sie aus ihren Erfahrungen heraus unterschiedliche Aspekte, z.B. dass beim „Frühstück im Freien“ von Monet Bananen gegessen werden oder warum die Frau keine Kleidung trägt. Sichtbar wird, wie kultureller Einfluss, künstlerische Absicht und westlich akademischer Kontext in engem Zusammenhang stehen. Kann man Kunst richtig und falsch rezipieren?

Die Session #Handlungsmacht gruppierte sich um die Fragen: Was lässt sich innerhalb/gegen/mit einer Institution verschieben und verändern? Wie lässt sich eine Vermittlung entwerfen, die alle Beteiligten verändert? Diskutiert wurde entlang eines Begriffs von Vermittlung, die sich von einer pädagogischen Sendung befreit und einen kritischen Anspruch zur Institution, zu Aspekten von Macht und ihrer eigenen Rolle einnimmt: „Wir sind die Institution und wir sind institutionskritisch zugleich.“ Dazu gehört, die Werkzeuge, mit denen man selbst arbeitet, offenzulegen. Es sollte aufgezeigt werden, dass es eine Agenda gibt, die aber auch verändert werden kann. Dies setzt eine Atmosphäre voraus, die das auch zulässt. Wichtig war innerhalb dieser Session außerdem der Aspekt der Macht und die Frage, ob Kunstvermittlung eine neue Form von Nebenmacht etabliert? Jeder Bereich habe unterschiedliche Macht- und Ohnmachtspotenziale: Gehört es zum Machtbegriff, Macht abzugeben? Resümee: „Du bist als Vermittler nicht der Freund, sondern der Fremde, wir lernen durch das, was wir nicht kennen.“

#Nächste Kunst war der Titel einer Session, die Thesen von Dirk Baecker zur „nächsten Gesellschaft“ auf die Kunst und die Kunstvermittlung übertrug und dies an den postironischen Arbeiten von Com&Com exemplifizierte. Beckers These lautet, dass die Buchdruckgesellschaft der Moderne im Begriff ist, von der nächsten – der Computergesellschaft – abgelöst zu werden. Anonyme Kollektivtexte im Internet schaffen den Brockhaus ab. Der Computer, als eine dem Buchdruck vergleichbare Medienrevolution, wird entsprechendes Gedankengut und neue gesellschaftliche Formierungen hervorbringen: das Netzwerk. Im Rückgriff auf Baeckers These wurde diskutiert, ob die Kunst der Moderne, die an Zentralperspektive und Geniestatus gekoppelt ist, im Zeitalter der Digitalisierung anders funktioniert und daher auch anders betrachtet werden muss. Beweglichkeit und Vernetzung der globalisierten Welt verändern Rolle und Funktion von KünstlerInnen vom Einzelproduzent zum Kollektiv, was wiederum Auswirkungen auf die Kunstvermittlung hat, mit Com&Com gesprochen: Es gibt „keinen Platz für starre und eindeutige Identitäten; die Frage nach der Zugehörigkeit wird zu einem Spiel der Formen und Beziehungen, die ständig überschrieben und neu bestimmt werden.“

„Wie lässt sich Humor für eine kunstpädagogische Praxis nutzbringend einsetzen?“, war die Leitfrage der Hedo-session #Was ist, wenn der Betracher lacht? Im Zentrum der Diskussionen stand die Arbeit „Barter (2007)“ von SOSka group. Ein junger Mann baut im Hof eines ukrainischen Bauern eine kleine Galerie mit Drucken berühmter Künstler auf – darunter Stars wie Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Cindy Sherman – und versucht diese gegen verschiedenste Produkte einzutauschen. Während weltweit die Preise für zeitgenössische Kunst explodieren, sind die Arbeiten für die ukrainischen DorfberwohnerInnen so viel Wert wie ein Huhn oder drei Dutzend Eier. Im Rückgriff auf Freuds Text „Der Humor“ von 1927 diskutiert die Gruppe, den Unterschied zwischen Humor und Witz. Humor sei das Erhabenste, was das Individuum leisten könne, er überwältige und stelle damit eine Unterbrechung her, die es anschließend ermögliche, sich mit neuem Ernst weiter auseinanderzusetzen. Durch Humor finde eine Öffnung statt, die aus einem Tunneldenken befreit. Resümee: „Spaß, ohne Humor, ist eben doch verdächtig!“

Hedo-results

Hedonismus/Medien/Kunst/Pädagogik waren die Tags des Hedo-camps am ZKM in Karlsruhe, und die konzentrierte Stimmung in der letzten Runde zeigte: Wir waren zwei Tage lang Teil einer experimentellen Situation, einer Versuchsanordnung, und befinden uns – ganz im Sinne Dirk Baeckers – in der Entwicklung hin zur „nächsten Kommunikation“! Dies beinhaltet sowohl Lob wie Kritik an Format und Inhalt der Veranstaltung.

Die Parallelität der In- und Outputs in den verschiedenen Sessions wurde als durchaus passend für die zeitgenössische Gedanken- und Ideenproduktion bewertet. Trotzdem entstand das Gefühl, dass vielleicht mehr über die Ausstellung und weniger über Hedonismus und dessen Bedeutung für die Kunstvermittlung gesprochen wurde. Deutlich wurde, dass Partizipation der #Übung bedarf: „Wir denken und agieren noch zu sehr von der üblichen Tagung aus, bei der es klar definierte Redner und Zuhörer gibt und schaffen es noch nicht, aktiv in einem neuen Format zu denken, uns mehr auf das einzulassen, was hier und jetzt passiert, ohne uns vorher präpariert zu haben“, so eine der TeilnehmerInnen. Dies zeigte sich auch in der wenig genutzten Medientechnik. Getwittert wurde nicht und im EduPad liest man Einträge nur weniger Sessions. Hier hätte beispielsweise auch ein Echo oder PingPong mit anderen Sessions stattfinden können. Die Vernetzung innerhalb des Hedo-camps fand so eher auf die traditionell-analoge Art im jeweiligen Hedo-pool statt.

Teilweise haben die Sessions von der Anwesenheit einer Personen profitiert, die vorbereitet war. Das offene Zusammenkommen des Camps blieb damit durchaus gewahrt, aber die Intensität der Diskussion steigerte sich durch die Intensität des Inputs, wie es z.B. in der Comic-Session der Fall war. Deutlich wurde, dass die Generierung und Entwicklung von Themen, Abfolgen und Spannungsbögen noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit benötigen. „Es hat gefehlt, noch mehr gemeinsam Fragen zu finden und zu entwickeln, so hätte man gemeinsam präziser werden können“, konstatierte eine Teilnehmerin. Sie plädierte dafür bei den Session-Findungsprozessen eher danach vorzugehen: „Welche Leute haben die gleichen Fragen?“, als „Wer macht einen Workshop zu welchem Thema?“.

Gedanken und Wissen kollektiv und partzipativ zu produzieren, ermöglicht veränderte Rezeptions- und Kommunikationsbedürfnisse, die sich für eine zeitgenössische Kunstvermittlung produktiv machen lassen. Wie nun konkret eine Vermittlungsarbeit zu entwerfen wäre, die gleichzeitig hedonistische Züge trägt und einer neuen global Art entspricht, ist nicht abschließend formuliert worden. Dies ist aber auch nicht nötg. Dass Hedonismus ein für die Kunstvermittlung vielschichtiger schöpferischer Prozess ist, der Bildung von Differenzen und Vielstimmigkeiten ermöglicht, haben die TeilnehmerInnen am eigenen Körper erfahren. Daran liegt der eigentliche Erkenntnisgewinn und die beste Voraussetzung für die Umsetzung von Wissen in reflektertes Handeln. In diesem Sinne auf zur „nächsten Kunstvermittlung“ und zum nächsten Part des BuKo12.

Autorin: Carina Herring


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Tagungsbericht BuKo12 Part03.3 http://www.buko12.de/2012/02/05/tagungsbericht-buko12-part03-3/ http://www.buko12.de/2012/02/05/tagungsbericht-buko12-part03-3/#respond Sun, 05 Feb 2012 17:50:03 +0000 http://www.buko12.de/?p=1661 Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010-12, Part03.3 – Partizipatorische Kunstpädagogik in der Grundschule

Part03 in der Reihe der BuKo12-Veranstaltungen bestand nicht nur aus einer einzelnen Tagung, er war vielmehr ein Prozess, der sich über acht Monate erstreckte. Begonnen hat dieser Part am 20. Mai 2011 mit einer Auftaktveranstaltung an der Universität Kassel, in der die Diskussion um den Begriff der Partizipation im Kontext der Kunstpädagogik in der Grundschule angestoßen wurde. Ziel war neben der theoretischen Fundierung die Initiierung partizipatorischer Unterrichtsprojekte für die Folgezeit. Bis Ende 2011 wurden bundesweit Unterrichtsversuche durchgeführt und dokumentiert. Durchführende Lehrende in Schule und Hochschule sowie Studierende und Referendar/innen wurden durch einen Call for Projects sowie im Lehr- und Forschungsumfeld der Organisatoren gewonnen. Die Abschlusstagung von Part03 am 27. Januar 2012 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg bot den Raum für eine elaborierte Diskussion des Begriffs „Partizipation“ in Theorie und schulischer Praxis, für die Verknüpfung mit gesellschaftlich relevanter künstlerischer Praxis und besonders für die Präsentation der durchgeführten Projekte. 110 Teilnehmer/innen fanden sich hierfür in Heidelberg ein – für die Spezifik des Themas und die Ausrichtung auf den Grundschulbereich eine beachtliche Teilnehmerzahl.

Partizipation zwischen Politik und Pädagogik

„Partizipation“ als Leitmotiv der Veranstaltungsreihe BuKo12 umfasst gegenwärtig brisante gesellschaftliche Fragen: nach neuen Formen der Kommunikation und aktuellen Forderungen der Pädagogik gemäß einer „Bildung in der Demokratie“. Dass der in letzter Zeit inflationär genutzte Begriff der Partizipation eine lange Tradition im Spannungsfeld zwischen Politik und Pädagogik aufweist, darauf verwies Prof. Dr. Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrates und Direktor der Akademie Remscheid. In seinem einführenden Vortrag in Heidelberg spannte er einen weiten historischen Bogen, von Platon bis zur Gegenwart, und zeigte, wie ein fachfremder Begriff zu einem Kernbegriff der Pädagogik avancierte, seine politisch-juristische Herkunft innerhalb des pädagogischen Diskurses bis heute jedoch Bestand hat. Die Verknüpfung politischer, juristischer und pädagogischer Dimensionen stellt sich dabei nicht nur in dem Sachverhalt dar, dass Platon und Humboldt die Pädagogik in ihren staatstheoretischen Schriften abhandelten. Insbesondere Friedrich Schiller verband denkerisch die künstlerische Tätigkeit mit dem Moment der Freiheit, die zur gesellschaftlichen Emanzipation führen kann. Und letztlich ist es der amerikanische Philosoph und führende Vertreter des Pragmatismus John Dewey, der in seinen Schriften nicht nur die Kontinuität zwischen ästhetischem Bewusstsein und alltäglicher Erfahrung wiederherstellte, sondern sich gesellschaftspolitisch für die Demokratisierung sämtlicher Lebensbereiche einsetzte – und dies in erster Linie für den Bildungsbereich. Mit „Partizipation“ als zentralen Begriff werde hier eine Einheit zwischen Kunsttheorie, Wissenschaft, Politik und Pädagogik gebildet. Diese Denkrichtung bekommt nach Fuchs eine Wendung mit den französischen Soziologen und Philosophen Pierre Bourdieu und Michel Foucault. Die Chancengleichheit in der Gesellschaft wird als Illusion erkannt. Nach Bourdieu zementiere die „unheilige Allianz“ von Kunst und Bildung die Chancenungleichheit. Und partizipatorische Elemente fördern, Foucault folgend, die Verinnerlichung von Machtverhältnissen. Diese Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Anpassungsfunktion und individueller Entwicklung zeichnet verstärkt die aktuelle schultheoretische Diskussion aus. Als prominenter Vertreter gilt der österreichische Pädagogikprofessor Helmut Fend und seine „Neue Theorie der Schule“, in der das Bildungswesen als institutioneller Akteur der Menschenbildung verstanden wird. Fuchs’ Fazit ist elementar und prägnant zugleich: Schule ist immer auch politisch! Es gilt die Spannung des „vergesellschafteten Subjekts“. Die Kunst und ihre ästhetischen Codes sind in diesem Kontext, mit Verweis auf Bourdieu, nicht per se gut. Pädagogen, so Fuchs, haben einen Ethos, der nicht der Kunst, sondern dem Subjekt verpflichtet sei. Eine Schlussfolgerung, die mit Sicherheit kunstpädagogisch kritisch beleuchtet werden dürfte.

Mario Urlaß, Professor im Fach Kunst an der PH Heidelberg und Veranstalter des Part03.3, konkretisierte das Spannungsfeld zwischen der Teilhaberschaft und dem Eigenen für den künstlerischen Bildungsprozess. Im wirtschaftlichen Sektor ist der Teilhaber ein an der Bilanz eines Unternehmens Beteiligter. Dass diese Bilanz auch im Verlustbereich liegen kann, ist die Pointe: Es gibt ein unternehmerisches Risiko. Analog kann Unterricht als Risikounternehmen verstanden werden. Ähnlich einem künstlerischen Prozess ist Unterricht in diesem Fall offen und sein Ausgang unvorhersehbar. „Für dieses Risikounternehmen brauchen wir als Teilhaber zugleich Kapital, in unserem Falle ‚kreatives Kapital’“, resümiert Urlaß. Kapital auf Seiten des Lehrenden ist das Vermögen, künstlerische Prozesse sensibel, achtsam, reflektiert und mit Engagement zu initiieren – auf Seiten der Kinder ist es das Vermögen, Entscheidungen treffen und etwas „Eigenes“ gestalten zu können. Urlaß, der neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer mehrere Jahre an einer Grundschule unterrichtete, zeigte dies anhand eines konkreten Projekts. Am Ende eines Schuljahrs vereinbarte er mit den Kindern einer 3. Klasse, ein Thema gänzlich in ihre Hände zu geben. Sie hatten somit die Schulferien Zeit für Überlegungen und Recherchen. Die Kinder entwickelten ihr Thema nicht nur unabhängig und ohne Rahmenvorgaben, sondern außerhalb des Kontextes Schule. Mit Beginn des Unterrichts öffnete sich der Möglichkeitsraum, individuelle Vorstellungen konkret werden zu lassen. So konnte das Interesse an Schmetterlingen zu einer Schmetterlingsforschung werden, das Lieblingstier für eine Buchproduktion dienen oder die Auseinandersetzung mit Nintendo und einer Mikrowelle zu einer Mikro-Spiele-Welle führen. Die Beispiele belegten, welches Potenzial in einem derartigen partizipatorischen Vorgehen liegt. Ganz im Sinne John Deweys: eine Organisationsform des Lernens, die dem Lernenden Mit- und Selbstbestimmung ermöglicht bei der Wahl der Inhalte und Unterrichtsthemen, der Festlegung der Unterrichtsziele und der Erarbeitung der Probleme.

Partizipatorische Kunst kontra partizipatorische Pädagogik

Dass die Zielsetzung partizipatorischer Pädagogik nicht mit den Ansätzen partizipatorischer Kunst gleichgesetzt werden kann, war Ausgangspunkt der Überlegungen von Christina Griebel, derzeit Professorin für Kunstdidaktik und Ästhetische Erziehung an der UdK Berlin. Partizipatorische Kunst sei in ihrem Wesen auf Rezipientenbeteiligung angelegt und auf der Ebene einer strukturellen Übernahme nur bedingt für das „Partizipationsgeschäft Pädagogik“ geeignet. Diesen Sachverhalt verdeutlichte Griebel anhand mehrerer Beispiele aus Kunst und Schule. Während in der Ausstellung „Almech“ des polnischen Künstlers Paweł Althamer im Deutschen Guggenheim Berlin Kunststoffabgüsse von Gesichtern oder anderen Körperteilen der Angestellten und Besucher erstellt werden, und damit sich die Rezipienten in der Ausstellung abgebildet wiederfinden, sind diese zugleich aus den übrigen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Dagegen gibt es im pädagogischen Bereich seit Langem die Bestrebung, Kinder im Unterricht in Entscheidungen über die Gestaltung der gemeinsamen Zeit und der Räume einzubeziehen. Als vorbildlicher Ort für die kindliche Mitbestimmung wird die Nürtingen-Grundschule in Berlin-Kreuzberg angeführt. Bei Sanierungsmaßnahmen wurden die Kinder gemeinsam mit einem Team aus Architekten und Künstlern bei der Gestaltung der Lernräume einbezogen, sodass innerhalb von fünf Jahren die Schule zu einem völlig neuen und anregenden Lernort umgestaltet werden konnte. Zur Abhilfe gegen die in Gründerzeitgebäuden zu hoch angebrachten Fenster gibt es Podeste und Hochebenen. Stehpulte und Lernbars mit Lernbarhockern, Fußhocker und Dinkelpolster sowie Teppichzonen erlauben ein Lernen in allen körperlichen Positionen. Rückzugszonen und Hängematten erlauben das Erholen und Ausruhen, eine Rutsche dagegen das Toben. Im Ergebnis sehen sich die Kinder, bezogen auf ihre Köpermaße und Wahrnehmungsvorgänge, tatsächlich abgebildet. „In den meisten Ansätzen partizipatorischer Kunst ist so viel Mitsprache schon viel zu viel“, bedenkt Griebel. Demgegenüber plädiert sie für die Teilhabe der Lernenden am sich generierenden Ganzen.

Eine umfassende Teilhabe in der Kunstpraxis präsentierten die Künstler Martin Keil und Henrik Mayer von der REINIGUNGSGESELLSCHAFT. Ziel ihrer Strategien und ihres künstlerischen Handelns ist der Prozess der Erneuerung im Kontext der Gesellschaft. „Wer partizipiert woran?“, kann dabei als Leitfrage verstanden werden. Integrative, interdisziplinäre Ansätze und eine Kunstpraxis, die gesellschaftlich wirken kann, sind die Antwort. Dies wird beispielhaft in dem Projekt „Leitsystem zum Neuen“ sichtbar. Die REINIGUNGSGESELLSCHAFT entwickelte sechs Monate lang gemeinsam mit den 700 Einwohnern der Gemeinde Grambow in Nordwestmecklenburg ein partizipatives Kunstprojekt. Es hatte zur Aufgabe, ein neues Gemeinschaftsbewusstsein und Handlungsperspektiven anzuregen. Basierend auf einer Umfrage über die Lebensbedingungen und Zukunftsperspektiven im ländlichen Raum wurde ein Leitsystem zum Neuen entwickelt. Es besteht aus Verkehrsschildern, deren Piktogramme auf die Aufgaben der Zukunft verweisen. Ausgehend von strukturellen Herausforderungen wie Klimawandel, demographische Entwicklung, Arbeitsplatzperspektiven und Lebenschancen im ländlichen Raum bietet das Leitsystem Orientierungspunkte zum gesellschaftlichen Handeln. Neue Ideen für die Gemeinde wurden in diesem offenen Projekt gesammelt und umgesetzt, um basisdemokratische Strukturen und ein Identitätsbewusstsein, ein Wir-Gefühl, zu stärken: Fahrgemeinschaften wurden gebildet, die Gemeindezeitung „Grambower Bote“ realisiert, altersgerechtes Wohnen diskutiert, die Idee eines Dorfladens verfolgt. Dies alles führt nicht nur zur Repolitisierung des Raums, sondern auch zu einer Resozialisierung der Kunst.

Dass Partizipation nicht nur als erfreulicher, sondern auch als zwanghafter Moment erfahren werden kann, verdeutlichte ein Happening, das der Künstler Wolfgang Sautermeister zusammen mit den Studierenden Andrea Kastel, Susan Häggi und Timo Petersen speziell für diese Tagung entwickelt hat und in den Kellerräumen der Pädagogischen Hochschule stattfand. In „DEMOCRATIC TIME – Ein Heidelberger Happening“ wurden den Tagungsteilnehmern Transparente, Schilder, Luftballons, Konfetti und andere Demonstrationsutensilien mit Anweisungen an die Hand gegeben, bevor sie den Kellerraum betreten konnten. Das Ergebnis war ein lautstarkes, fast einstündiges Ereignis, in dem im Kreis marschiert, gerufen, kundgetan, beaufsichtigt, kontrolliert wurde. Das Wohlsein wie auch das Unwohlsein wurde in diesem partizipativen Moment erlebt, Ausgelassenheit zugleich mit Zwanghaftigkeit am eigenen Leib gespürt. Teilhabe stand hier auf der Kippe zur Pflicht, sodass ein Tagungsteilnehmer sich zu der Devise hinreißen ließ: „Nicht-Partizipation muss als Teil von Partizipation möglich sein!“

Partizipatorische Ansätze in kunstbezogenen Unterrichtsmodellen

Der Nachmittag der Tagung stand ganz im Zeichen der Präsentation und Reflexion von Prozessen und Ergebnissen kunstpädagogischer Praxis. In 13, zum Teil parallel verlaufenden Projektpräsentationen, wurden ausgewählte Konzepte aus dem gesamten Bundesgebiet vorgestellt, in denen partizipatorische Ansätze in kunstbezogenen Unterrichtsmodellen erprobt wurden. Hierbei wurde Partizipation auf unterschiedlichen Ebenen verwirklicht: Auf organisatorischer Ebene wurden institutionelle Grenzen überschritten, differente Zugänge zu ästhetischen Phänomenen ermöglicht, heterogene Produktion entwickelt sowie Kinder an der Unterrichtsplanung beteiligt. Dagegen bezog sich Partizipation als inhaltliche Ausrichtung auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen, die durch künstlerisches Handeln ausgedrückt werden, und lebensweltliche Felder, die mittels unterschiedlicher Medien erkundet und reflektiert werden.

Dem individuellen Heimatbegriff künstlerisch Ausdruck zu verleihen, war Ziel eines Unterrichtsprojekts in der KGS Barbara-Schule in Duisburg-Neumühl. Hierfür befassten sich Kinder einer 4. Klasse mit unterschiedlicher Herkunft nicht nur theoretisch mit dem schwierigen Begriff „Heimat“, sondern bildeten in einem partizipatorischen Teil Gruppen, um gemeinsam im Werksattbereich zu arbeiten. Es entstanden Modelle von Gebäuden, wie eine Moschee, und Landschaften, beispielsweise eine russische Winterlandschaft, oder Collagen aus Malereien und Fotos von Heimatstädten und geliebten Menschen, die zu einem intensiven Austausch zwischen den Schüler/innen anregten.

Einen institutionsübergreifenden Hintergrund haben die Kunstwerkstätten der Pädagogischen Hochschulen Freiburg und Karlsruhe, in denen Grundschul- und Kindergartenkinder von Studierenden betreut werden. Forschungsschwerpunkte thematisieren die Perspektive des Kindes, des Lehrpersonals und der Unterrichts-/Schulentwicklung.

Das Projekt „Vorschau/Rückschau“, ein Kooperationsprojekt der Dr. Weiß-Grundschule und dem Hohenstaufen-Gymnasium in Eberbach, brachte Klassen der Stufe 4 und 6 zusammen. Die Situation des Übergangs zwischen Grundschule und weiterführende Schule gab den Anstoß für einen Perspektivwechsel bei den beteiligten Schüler/innen und Lehrkräften. Während der Erstellung von Architekturmodellen und Trickfilmen wurde nicht nur jahrgangsübergreifendes Lernen praktiziert. Die Schüler/innen des Gymnasiums arbeiteten an Erinnerungs- und Emotionsbildern aus ihrer Grundschulzeit und die Grundschüler gingen in der gestalterischen Arbeit fiktiv mit den Erwartungshaltungen hinsichtlich der weiterführenden Schule um.

Während eines Besuchs der Kunsthalle Fridericianum sammelten Schüler/innen der 6. Klasse mit dem Förderbedarf geistige Entwicklung Assoziationen zu der Arbeit „WE THE PEOPLE“ des Künstlers Danh Vo. Als Reporter mit Aufnahmegeräten hielten sie ihre eigenen Fragen fest: Trägt die Freiheitsstatue einen Pullover, wenn es kalt ist? Warum darf man Kupfer im Museum nicht anfassen? Ist Kunst immer aus Kupfer? Kann ich auch Kunst machen? Dabei entstand ein Film, der die Reise des Künstlers Danh Vo und die der Freiheitsstatue nachvollzieht. Für die Schüler/innen gesellte sich hierdurch ein aktueller Aspekt in Bezug zum Beziehungsgeflecht von Selbstständigkeit und Partizipation hinzu: die Mobilität.

„Typisch Junge – typisch Mädchen“, ein Unterrichtsthema der Klasse 3 in der Mannabergschule Rauenberg in Wiesloch, ließ die Schüler/innen mit der eigenen – insbesondere ihrer geschlechtlichen – Identität beschäftigen und Vorurteile sowie bestehende Klischees erkennen. Das Folgethema „Typisch – ICH“ führte zu fotografischen Inszenierungen der eigenen Person mit ihrem Lieblingsspielzeug.

Partizipatorische Übergangsräume zwischen Hochschule, Schule und Kunst in der Grundschullehramtsausbildung der Kunstakademie Münster bot das Projekt „Per Schiff nach Recklinghausen? Reisen als ästhetisches Erfahrungsfeld“. Am Beispiel des Projekts wurde das Potenzial einer solchen Kooperation vorgestellt. Zusammen traten Hochschullehrer/innen, Kunstlehrer/innen, Student/innen, Pädagog/innen und 90 Kinder eine gemeinsame Kunstreise an. Mit drei Schulklassen aus altersgemischten Jahrgangsstufen waren sie mehrere Tage auf verschiedenen Wegen zu unterschiedlichen Orten unterwegs. Hieraus entstand der „Reisebegleiter“, ein Mitmachbuch für Kinder.

Das Projekt „Abenteuer Museum – Ein Traum vom Fliegen“ wendet sich an Grundschulen mit einem hohen Anteil an Zuwandererkindern und an Schulen, die Kinder aus schwierigen Bildungsmilieus unterrichten. An den Schnittstellen von Schule, Museen und Ausstellungsorten initiiert es kulturpädagogische Projekte. Innerhalb dieser Projekte haben Student/innen für die Dauer eines Schuljahres ein Patenkind an der Grundschule, mit dem sie einmal pro Woche etwas unternehmen.

Spielzeugästhetik und Spielen als ästhetisch-künstlerische Methode ist Gegenstand eines fächerübergreifenden, partizipatorischen Projekts in den Fächern Kunst, Sachunterricht und Deutsch. In dem in Langen (Hessen) stattfindenden Projekt „Spielbotschaften“ werden Eltern der Klassen 1 und 2, in denen verschiedene Nationalitäten vertreten sind, in die Gestaltung einbezogen. Die Kinder erleben durch die Präsentation von Spielen aus ihren Herkunftsländern einen Ausschnitt der Spielwelten der Eltern.

Das Bezirksamt Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf hatte für die Erwin-von-Witzleben-Grundschule ein Kunst-am-Bau-Projekt ausgelobt, das im Kern partizipativ ausgerichtet sein sollte. Statt eines benutzbaren Hofdesigns bot der Künstler Stephan Kurr an, in partizipativen Workshops und Projektwochen mit allen Beteiligten der Schule – mit den Schüler/innen, Lehrer/innen, Eltern, dem Schulleiter und der Hausmeisterin – Bedürfnisse und Wünsche herauszuarbeiten und daraus gemeinsam mit den Beteiligten einen Entwurf zu entwickeln. Nach einem einjährigen Recherche-, Entwicklungs- und Arbeitsprozess wurden Ende 2011 eine Bühne und ein Labyrinth als neue funktionale und gleichwohl künstlerische Gestaltungselemente des Schulhofes eingeweiht.

„Schlosszauber – ein performatives Spiel mit kulturellen Bildern“ war ein Projekt der Universität Koblenz-Landau. 50 Studierende hatten im Rahmen der Bundesgartenschau 2011 im Koblenzer Schlossgarten ein performatives, ortsspezifisches und offenes Spielangebot für Kinder im Vor- und Grundschulalter geplant und umgesetzt: Picknick der anderen Art, Manufaktur für ungewöhnliche Dinge, historische Tanzwerkstatt und Märchen aus der Box.

Innerhalb eines Tagespraktikums im Fach Kunst der PH Heidelberg an der Heidelberger Landhausschule wurde biologische Recherche und die Erkundung der Welt der Insekten mit künstlerischem Arbeiten verbunden. Im Zentrum des Projekts „Insektopia“ stand der Arbeitsauftrag, dass jede/r Schüler/in ein dreidimensionales Insekt erschaffen sollte, welches anhand spezifischer Insektenmerkmale als ein solches zu erkennen ist.

Im Podcast „Kunst oder was?!“ der Klasse 4 der Gustav-Wiederkehr-Schule Mannheim Sandhofen werden Kunstwerke und Künstler vorgestellt und allgemeine Fragen über Kunst behandelt. Durch die Auswahl des Mediums können die Präsentationen und Ergebnisse an andere Klassen übergeben werden: Schüler/innen erstellen Materialien für Schüler/innen.

Und im Rahmen einer wissenschaftlichen Hausarbeit an der PH Heidelberg wurde ein Modellversuch zum Thema „Partizipatorische intergenerative Projekte“ in einer dritten Grundschulklasse durchgeführt. Gegenstände der Kinder- und Erwachsenenwelt wurden gestalterisch so transformiert, dass diese in der „anderen Welt“ von Nutzen sein würden.

Ende und Ausblick

Mit der Übergabe des BuKo12-Banners an die Veranstalter des nächsten Parts in Nürnberg fand dieser inhaltlich sehr anregende und dichte Tag dank freundlichen und fleißigen studentischen SCOUTS in äußerst gelungener Atmosphäre ein Ende – die intensive Weiterentwicklung einer partizipatorischen Kunstpädagogik in der Grundschule geht hoffentlich weiter!

Autor: Michael Scheibel, www.medien-kunst-bildung.de

 

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Kuratorinnen-Gespräch auf dem Hedo-Camp Part04 http://www.buko12.de/2012/01/17/kuratorinnen-gesprach-auf-dem-hedo-camp-part04/ http://www.buko12.de/2012/01/17/kuratorinnen-gesprach-auf-dem-hedo-camp-part04/#respond Tue, 17 Jan 2012 13:32:15 +0000 http://www.buko12.de/?p=1629 Im Rahmen der Veranstaltung Hedo-Camp meets Global Art im ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe findet am Freitag, den 20.01.12, von 17–18 Uhr im Studio in der Ausstellung The Global Contemporary – Kunstwelten nach 1989 ein Kuratorinnen-Gespräch mit Andrea Buddensieg und Antonia Marten statt. Wir sind daran interessiert, durch das Gespräch neue Perspektiven auf die Ausstellung, das Thema der Zeitgenossenschaft, des „Globalen“ (Gibt es das?) und der kuratorischen Prozesse beim Übergang von dem Forschungsprojekt Global Art and the Museum zur Ausstellung The Global Contemporary zu erfahren. Spielen hedonistische Aspekte oder Spannungen aus Sicht der Kuratorinnen in der zeitgenössischen Kunst eine Rolle?

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Projektpräsentationen auf Part03.3 http://www.buko12.de/2012/01/05/projektprasentationen-auf-part03-3/ http://www.buko12.de/2012/01/05/projektprasentationen-auf-part03-3/#respond Thu, 05 Jan 2012 16:59:34 +0000 http://www.buko12.de/?p=1592 Innerhalb des Part03.3 – Partizipatorische Kunstpädagogik in der Grundschule – wurden über einen Call for Projects 13 Projekte ausgewählt, die in Heidelberg präsentieren werden. Das aktuelle Programm mit den Projektpräsentationen und Abstracts ist online.

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Tagungsbericht BuKo12 Part05 http://www.buko12.de/2011/12/09/tagungsbericht-buko12-part05/ http://www.buko12.de/2011/12/09/tagungsbericht-buko12-part05/#respond Fri, 09 Dec 2011 15:50:42 +0000 http://www.buko12.de/?p=1543

„Wir brauchen eine riesige Vision, mit methodischen Mätzchen kommen wir nicht weiter!“

Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010-12, Part05 – Kunstpädagogik im Kontext von Ganztagsbildung und Sozialraumorientierung

Die räumliche Dimension von Bildungsprozessen und die darin liegenden Potenziale der Kunstpädagogik innerhalb der Ganztagsbildung waren Mittelpunkt des fünften Teils des BuKo12, der am 11. und 12. November 2011 an der Universität in Erfurt stattfand. Als eine von insgesamt acht dezentralen Plattformen im Vorfeld der Abschlussveranstaltung im Oktober 2012 war auch Part05 als eigenständige Fachtagung konzipiert und wurde von Prof. Dr. Ulrike Stutz (TU Erfurt) in Kooperation mit der Fachstelle „Kultur macht Schule“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ e.V.) im Rahmen der MIXED UP Akademie und mit Unterstützung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) im Rahmen des Programms „Ganztägig Lernen“ organisiert.

Mit einem Verweis auf das historische, nur alle 100 Jahre vorkommende Datum (11.11.11) überbrachte Wolfgang Zacharias (BJK) sein Grußwort an die rund achtzig Tagungsteilnehmer/innen. Die Elf als kleinste Schnapszahl, unheilig und entgrenzend, da sie um 1 die Zahl der Zehn Gebote übertritt, sei daher mehr als passend für die Kunstpädagogik, die sich – wie der Karneval – Überschreitung, Transformation und Irritation zu Eigen mache. Und so durchblätterte er die historischen Wurzeln und Entwicklungslinien der Kunstpädagogik seit den 1970er-Jahren in einem beeindruckenden Kaleidoskop aus biografischem Hintergrund, reflektierter Praxis und aktuellen Diskursen. Er zeigte, wie Geist und Dynamik der 1968er-Jahre auch die Kunstpädagogik mobilisierte und Gruppen wie KEKS u.a. mit künstlerischen und pädagogischen Verfahren Möglichkeitsräume schufen, die bereits damals die heute so vielfach geforderten Schlüsselkompetenzen Kreativität, Innovation und Flexibilität beförderten. Mit spielerischen Strategien der Raumbesetzung und des symbolischen Protestes wurde vielfältig experimentiert, worauf später fundierte pädagogische Programme folgten, die auf lokaler Ebene in tragfähige kommunale Strukturen überführt werden konnten. International abgesichert wurde dieses lokal erkämpfte Recht auf kulturelle Bildung im Verlauf der letzten 30 Jahre etwa durch die UN-Kinderrechtskonventionen, die Empfehlungen der Enquete-Kommission oder auch der Seoul Agenda.

In den vielen Beispielen und Aktionen von Zacharias wurde deutlich, wie Stadt als symbolisches Trainingsgelände zur aktiven gesellschaftlichen Beteiligung genutzt werden kann. Und auch das Resümee des Roundtable unterstrich, dass das Potenzial in der Konfrontation von Kunst in ihrer Ereignishaftigkeit liege, als einmaliges ästhetisches Erlebnis sowie emotionale und soziale Erfahrung, wenn sie das eigene Selbst einbeziehe. Daher: Schulhöfe öffnen, raus aus der Schule, rein in die Lebenswelten! (Zacharias)

Das Schulgebäude für einen bestimmten Zeitraum zu Gunsten anderer Orte zu verlassen, die aus dem Schulalltag herausgelöst neue Lehr- und Lernmöglichkeiten bereitstellen, war auch Schlussfolgerung von Kirsten Winderlichs Beitrag. Die Kontextverschiebung ermögliche es, dass die urbane Umgebung Lehr- und Lernprozesse steuere und so interdisziplinäres Forschen und Erkunden durch sinnliche, ästhetische und künstlerische Gestaltung im Vordergrund stehen kann. Beispielhaft sei dies an der Montessori-Oberschule in Potsdam gelungen, die ein wildes Gelände im nördlichen Umland gepachtet hat. Schüler der 7. und 8. Klasse rekultivieren das Gelände in Kooperation mit Lehrern, Bootsbauern, Landwirten und Designern. Die Landwirtschaft spiele dabei eine genauso große Rolle wie die Renovierung von Häusern.

Generell plädierte sie für einen performativen Raumbegriff und dafür, „Unfertiges“ zu bauen. Dies ermögliche einerseits, Schüler an Raumgestaltungsprozessen zu beteiligen und sie mit ihren Perspektiven, Wünschen und Träumen einzubinden. Andererseits erlaube eine räumliche Performativität Spiel- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie ein breites Spektrum für Interpretationen und individuellen Bedeutungsebenen. Schulraum biete durch seine ihn konstituierenden Elemente ganz konkrete Bildungsmöglichkeiten: Wand, Boden, Decke, Mobiliar, Oberflächen, aber auch Lichtführung, Temperatur, Gerüche und Geräusche schaffen ästhetische Erfahrungen und haben Auswirkungen auf Lernatmosphären. Eine flexible Nutzung, und sich daraus ableitende vielfältige Bildungsgelegenheiten schaffen eigene Orte für individuelle Themen und Fragestellungen. Hier könne sich Kunstpädagogik noch viel gezielter in die Zwischenzeiten und Zwischenräume von Unterricht trauen. Damit sei den Schülern die Chance gegeben, Schulraum als Ort der individuellen Äußerung für eigene kulturelle und ästhetische Praktiken und Anregung, sich alleine oder gemeinsam mit anderen der Welt zu nähern und sich mit dieser auseinanderzusetzen.

Plastisch im doppelten Wortsinn führte die Künstlerin Susanne Bosch den Anwesenden vor Augen, dass das Handeln jedes Einzelnen gesellschaftlich gestaltend ist, indem sie Knete durch die Hörsaalreihen gab und zum Mitformen aufforderte. Wer nicht formen will, darf die Knete auch einfach nur weitergeben. Deutlich wird dennoch: Jede Bewegung hinterlässt ihre Spuren im Material. Mit der Äußerung: „Mal gucken, ob am Ende ein Kunstwerk entstanden ist“, spielt Bosch auf den erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys an. Seine Vorstellung „Jeder Mensch ist ein Künstler“ spricht jedem die Möglichkeit zu, plastisch auf Gesellschaft einzuwirken und zu ihrem Wohle beizutragen. Voraussetzung sei, dass Fantasie und Offenheit gefördert werden: „Jeder ist Künstler, der aktiv und bewusst am Leben teilnimmt. […] Demokratie ist eine Idee im Werden.“ (Bosch)

Die Prinzipien aktiver Bürgerschaft und partizipatorischer Demokratie liegen allen künstlerischen Projekten – darunter auch ihre eigene Praxis – zugrunde, die Bosch in ihrem Vortrag präsentierte, um daran die soziale Wirksamkeit von Kunst zu diskutieren. Im sozialräumlichen Kontext sei es vor allem „Kunst im öffentlichen Interesse“, die die Zusammenarbeit mit sozialen Gruppen herstelle, die Kreativität des Einzelnen anspreche und einen Dialog in Gang setze. Anders als Kunst im öffentlichen Raum befasse diese sich stärker mit sozialen Themen als mit der baulichen Umgebung oder ästhetischen Anliegen. Sie zielt auf die Entwicklung eines politischen Bewusstseins, das der Frage „Wie kann man mit dem Gefühl von Machtlosigkeit umgehen?“ mit einer künstlerischen Haltung begegnet, die andere Lösungsmodelle in der Auseinandersetzung des täglichen Lebens sucht sowie Zeit und Raum für die Imagination einer möglichen Zukunft bietet.

Öffnet sich Schule zu ihrem Umfeld und knüpft an sozialräumliche Kontexte an, tritt sie in Kooperation mit verschiedenen Partnern, die ihr eigenes institutionelles Selbstverständnis mitbringen. Bildungsallianzen zu entwickeln, verläuft deshalb nicht immer ohne Befürchtungen, Vorurteile und Hilflosigkeit, da unterschiedliche Systemstrukturen, Formate und Professionalisierungsvorstellungen aufeinander treffen. Wie schafft man hier neue Synergien und Kontexte, um die Beziehung zwischen Schule und Sozialraum zu vergrößern? Kooperation an Ganztagsschulen bedeutet vor allem für die unterschiedlichen Beteiligten aus Bildung und Kultur ein Lernfeld: Was kann der Andere bieten? Wie kann sich bestehendes ergänzen? Wie können Angebote ineinandergreifen?

Einen ganzen Strauß an Empfehlungen präsentierte Gisela Wibbing, damit eine Schule Kultur in ihrem Programm verankern und ein kulturell geprägtes Schulprofil entwickeln kann. Voraussetzung sei der Wunsch, kulturelle Bildung zu verstetigen, ab und zu Kultur anzuregen, genüge nicht. Kulturelle Schulentwicklung umfasse dabei alle Ebenen der Schule: Lehr- und Lernsituationen, den Lehrplan, die Vernetzung im Sozialraum und die Zusammenarbeit mit Bildungspartnern, die organisatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen und die Qualitätsentwicklung und Qualifizierung des Personals.

Steht regelmäßig Kunstpädagogik auf dem Lehrplan haben Schüler vielfältige Vorteile. Internationale Untersuchungen, wie die 2004 von der UNESCO in Auftrag gegebene Studie „The Wow Factor“ von Anne Bamford zeigen, dass Schüler insgesamt bessere Leistungen und höhere Abschlüsse erzielen, sich leichter auf Unterrichtsinhalte konzentrieren können, aber auch in Bezug auf Sozialverhalten und Persönlichkeitsentwicklung sehr profitieren, wenn kulturelle Bildung Teil ihres Schulalltags ist. Kunst und Kultur im Unterricht sollte natürlich allen Schülern zuteil werden. Außerdem sollten möglichst viele Sparten der kulturellen Bildung abgedeckt sein, was sich durch das Modell eines aufeinander aufbauenden Karussells umsetzen lasse: Die Sensibilisierungsphase für die Jahrgänge 5/6 (z.B. acht kulturelle Angebote, die jeweils nach einem viertel Jahr wechseln). Anschließend folgt die Professionalisierungsphase für die Jahrgänge 7/8, entdeckte Fähigkeiten werden verfeinert. Schließlich stärkt der Werkstattbereich für die Jahrgänge 9/10 Synergien.

Zehn Jahre, so die Einschätzung von Gisela Wibbing, benötigt eine Schule hin zur Kulturschule. Kein Wunder, wenn sich zwischendurch Gefühle von Machtlosigkeit und Frustration einstellen. Denn Hürden gibt es nicht nur zahlreiche bei der Kooperation mit außerschulischen Partnern, sondern vor allem im streng hierarchischen System Schule selbst: „Betonrealität“, präzisiert eine Teilnehmerin des Roundtable. Ohne dass die Schulleiter eine Vision oder wenigstens die Affinität zu Kultur haben und aus der Lehrerschaft heraus ein Kulturkoordinator ernannt wird, ließe sich der Weg nicht beschreiten. Das bringt ein weiteres Roundtable-Gespräch noch stärker auf den Punkt: Neue Schulen bedürfen neuer Lehrer, und dies müsse schon in der Ausbildung an den Hochschulen ansetzen. Der neue Lehrer solle sich – zwar entspannt und gelassen, aber mit Herz und Leidenschaft – der Verantwortung und Freiheit bewusst sein, dass er Mitgestalter von Schulentwicklung ist.

Wenn Lehrer ihre Rolle als Wissensmonopolisten aufgeben, haben sie die Chance, wieder zur Avantgarde in der Bildungsgesellschaft zu werden. Diesen Gedanken von Norm Green, einem der Verfechter des kooperativen Lernens, legte Arno Lang seinen Ausführungen zugrunde und sagt: „Wir brauchen eine riesige Vision, mit methodischen Mätzchen kommen wir nicht weiter!“ In der Neugestaltung von Unterricht bedürfe es eher eines Quantensprungs und dennoch gehe es nur zu Fuß dorthin, resümiert er den langen Weg zur 2007 realisierten Gründung der freien Ganztagsschule LEONARDO in Jena. Während der erste Unterrichtsbetrieb mit 15 Schülern, zwei Lehrern und zwei Praktikanten begann, ist die Schule inzwischen auf über 80 Schüler angewachsen.

Schule sei der Bereich, in dem man demokratische Gesellschaft lernen könne. „Wir müssen heute vor allem das soziale Miteinander ausbilden, demokratische Strukturen und Vorgänge müssen sich im täglichen Leben der Schüler, in ihren Klassenräumen und an Schulen abbilden“, so Lange. Die Rolle des Lehrers wandle sich dann zu dem eines Coachs, der demokratische Prozesse moderiert. Die Ganztagsschule als Lern- und Lebensraum kann solche Ansätze aufnehmen und den Schülern verschiedene Felder der Partizipation ermöglichen. An der LEONARDO Schule bieten z.B. Klassenrat und Schulkonferenz Beteiligung an grundsätzlichen Entscheidungen, doch auch die verschiedenen Formen des Unterrichts ermöglichen in unterschiedlichen Graden Partizipation, z.B. als Projekt-Lernen, als Lernbüro (Freiarbeit) und als Werkstatt (Arbeitsgemeinschaften). Und selbst der „glorreiche Frontalunterricht“ (Lange) wandle sich, wenn Schüler anstatt Lehrer vorne stehen: „Plötzlich hat man Profis in der Klasse!“. Das individuelle Wissen und die eigenen Ideen werden dabei aktiv in den Lernprozess mit eingebracht, was Lernmotivation und damit den ganzen Lernprozess fördert. Das kann man, nach Lange, „ganz einfach hinkriegen“, wenn man nicht die Hausmeisterfirma engagiert, sondern die Wände selbst anmalt.

Sozialraumorientierung bedarf der Sozialraumanalyse. Welche Orte frequentieren Kinder eigentlich in ihrer Stadt? Wo bewegen sie sich und was bewegt sie dort? Wie kann Schule die persönlichen Territorien ihrer Schüler wahrnehmen und visualisieren? Beispiele dafür wurden in einem der abschließenden Roundtable präsentiert: Die Stadtgebietskarte, inmitten des Schulfoyers aufgehängt, könne die Stadtzugänge und -aneignungen der Schüler sichtbar machen. Im Sinne des cognitive mappings könnten sie ihre individuellen Wege und Orte auf der Karte entsprechend markieren, und bei Stadtspaziergängen vom Perlenladen bis zum Probekeller ihre Wahrnehmung und Nutzungsweisen aufzeigen.

Daraus ließen sich vielfältige Strategien wie Marktplätze, Kooperationen, Austausch und Vernetzung vom Frisör bis zum Stadteilpolitiker initiieren mit dem langfristigen Ziel der Orientierung und Vergewisserung in den Territorien. Und damit schloss sich der Kreis zum Einleitungsvortrag von Wolfgang Zacharias und seiner Referenz an die kunstpädagogische Tradition eines Gunter Otto (1987): „Inhaltsüberlegungen, die die Territorien nur akzeptierten, statt sie zu bearbeiten, geraten in die Gefahr, die Intersubjektivität zu verfehlen. Diese Spannung muss Schule reflektieren und aushalten!“ Die Kunstpädagogik, besser noch die ästhetischen Anteile aller Lernprozesse, hätten also zwei Aufgaben: Territorien erfahren, erleben und erkunden helfen sowie Karten machen zu lehren.

Mag sich die Erfurter Tagung auch etwas mehr Narrenfreiheit in Bezug auf ihr performatives Format erlaubt haben können, so lag ihre Stärke unbestritten in den inhaltlich hochwertigen und facettenreichen Beiträgen sowie in der gelungenen Verzahnung theoretischer Analyse mit einer enormen Fülle an Beispielen für die Anwendung in der Praxis. Und dies trieb bereits kurz vor Kongressende eine erste Blüte: David Scheitz, Studierender an der Universität Erfurt, und Arno Lange gründeten spontan ein Freies Seminar zur demokratischen Schule, das im Sommersemester starten wird. Ein Blog mit der Adresse http://dsds-ss12.blogspot.com wird umgehend eingerichtet. Und so endete in Erfurt BuKo12 Part05 mit einem Aufruf zum Anfang: „Bitte posten, was eine gute Schule ist!“

 

Autorin: Carina Herring

 

Carina Herring, freie Kuratorin und Autorin Berlin/Marseille, von 2004 – 2010 Projektleiterin der Arbeitsgemeinschaft deutscher Kunstvereine, Berlin.
Initiatorin folgender Projekte: COLLABORATION.Vermittlung.Kunst.Verein. Ein Modellprojekt zu zeitgemäßen Formen der Kunstvermittlung an Kunstvereinen, 2008-2010. CROSSKICK – Europäische Kunsthochschulen zu Gast in Deutschen Kunstvereinen. Ein internationales Programm zu künstlerischer Lehre und kuratorischer Praxis mit 13 Kunstvereinen und 30 europäischen Kunsthochschulen, 2006-2009.

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http://www.buko12.de/2011/12/09/tagungsbericht-buko12-part05/feed/ 0
Tagungsbericht BuKo12 Part07 http://www.buko12.de/2011/12/02/tagungsbericht-buko12-part07/ http://www.buko12.de/2011/12/02/tagungsbericht-buko12-part07/#respond Fri, 02 Dec 2011 23:24:50 +0000 http://www.buko12.de/?p=1322 Eine Live-Berichterstattung in 26 Abschnitten vom ArtEduCamp am 3.12.2011 in Köln

ngefangen hat diese Tagung ursprünglich am 5. August: mit dem ersten Eintrag auf der Community-Plattform educamp-art.mixxt.de. Bis zum heutigen Tag gibt es in diesem virtuellen Raum 193 Mitglieder, 32 Themenvorschläge für Foren und 348 Beiträge, in denen diese Themen ausgiebig diskutiert werden. Von „Kunst und Jungs“ über „Kunstunterricht in der Zukunft“, „Welchen Wert hat die Malerei?“, „Netzkunst“, „Wie viel Pädagogik hat die Kunst?“ bis hin zu „StreetArt // digitale Medien“ reicht diese Palette. Vorbereitet wird in diesen Diskussionen das ArtEduCamp in Köln. Physisch treffen sich am 3.12.2011 über 100 Personen in den Räumen des Instituts für Kunst & Kunsttheorie an der Universität zu Köln, um auf diesem BarCamp sich kennenzulernen, weiterzudiskutieren, zu den Themen zu arbeiten. Also keine traditionelle Konferenz wird hier stattfinden, kein Programm wurde von Organisatoren vorherbestimmt und kein Teilnehmer wird nur berieselt. Vielmehr sind alle eingeladen und angehalten mitzumachen, mitzubestimmen, sich zu organisieren, zu partizipieren und selbstverständlich sich inhaltlich über kunstpädagogische Felder auszutauschen.

 

ereits am Vorabend des ArtEduCamp treffen die ersten Teilnehmer zum Warm-up ein. Im MedienBildungsRaum .mbr der Kunstpädagogik im Institut für Kunst & Kunsttheorie finden sich Studierende, Lehrende und Forschende aus Hamburg, Dresden, Schwäbisch Gmünd … und selbstverständlich aus Köln ein. Das .mbr ist ein kürzlich eröffneter, multifunktionaler Lernraum, der gleichsam als offene Werkstatt, für Seminare und Vorträge genutzt werden kann. Die Medientechnologie bildet hier eine kaum sichtbare Infrastruktur, um physischen und virtuellen Raum zu verbinden. Nach dem Warm-up zieht die Gruppe ins Hallmackenreuther, eine Szenekneipe, in der bei elektronischen Klängen und visueller Untermalung die ersten Erwartungen für den nächsten Tag diskutiert werden.

„Ich fand diese Veranstaltung auf Anhieb total spannend, weil dies eine völlig anders organisierte Konferenz ist, als ich sie bisher kannte. Die Themen sind sehr spannend – jetzt bin ich sehr gespannt, ob die morgen so zur Sprache kommen, wie es im Community-Portal bisher der Fall war.“

„Die Stimmung ist gut, die mixxt-Plattform hat pulsiert, inhaltlich ist es ziemlich dicht. Es sind gute Beiträge dabei, es haben sich Gruppen schon gefunden und eigentlich ist die Erwartung schon ziemlich groß, dass morgen viel passiert. Ich bin gespannt auf die Stimmungskurve: Wo verdichtet sich was inhaltlich, wo gibt es vielleicht Frustration, wie werden die aufgefangen und wo gibt es Möglichkeiten, neue Formen von Kommunikation und von Ideenentwicklungen zu generieren?“

 

irca 100 Teilnehmer sitzen am Samstag, den 3.12.2011, im Hörsaal der Humanwissenschaftlichen Fakultät. Es ist der Beginn des eigentlichen Camps, des physischen Treffs, der Face-to-face-Kommunikation. Zum Empfang wurden USB-Sticks an jeden Teilnehmer ausgeteilt: Sie enthalten Materialien aller Parts des Bundeskongresses der Kunstpädagogik 2010-2012 (BuKo12), zu dem auch das ArtEduCamp mit der Nummer 07 zu zählen ist. „Partizipation“ ist Leitthema nicht nur dieses Parts in Köln, sondern der gesamten Veranstaltungsreihe BuKo12. Die Form des BarCamps dürfte dabei einer der experimentellsten und offensten Formen sein, um partizipative Prozesse zu initiieren.

 

er Dekan der Humanwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Hans-Joachim Roth, zieht in seinem Grußwort einen kunsthistorischen Bogen und zeigt dabei die künstlerische Auseinadersetzung mit Pädagogik. La vierge corrigeant l’enfant Jésus (Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind), ein Gemälde von Max Ernst, ist hierfür ein klassisches Exempel:

„Das Mutter-Kind-Sujet bezieht sich augenscheinlich auf italienische Madonnenbilder der Renaissance und des Manierismus, aber auch auf das klassische Motiv des „Amor poenitus“, des von Venus gezüchtigten Amorknaben. Das Bild zog in den Jahren seiner ersten Präsentation in Paris und Köln den Zorn klerikaler Kreise auf sich, zumal der Künstler mit dem frommen Jesusbild bedrückende Kindheitserinnerungen an seine strenge katholische Erziehung verband.“ (Quelle)

Insbesondere zeigen Gemälde von Erziehungsaufenthalten in Camps aus dem 19. Jahrhundert die Verbindung zwischen Kunst, Erziehung und Camp und können als historische Bezugspunkte für die heutige Veranstaltung dienen.

 

ine Vorstellungsrunde besonderer Art, für BarCamps jedoch beinahe Pflicht, sind die drei Tags, die jeder Teilnehmer nennt, um sich vorzustellen. Das Publikum ist für eine Konferenz durchschnittlich sehr jung. Viele Studierende finden auf dem ArtEduCamp zusammen. Neben Kunst, Medien, Raum und Kommunikation wird insbesondere das Tag ‚Zukunft‘  oftmals genannt – eine Verpflichtung, die sich diese Generation der Kunstpädagoginnen und Kunstpädagogen annehmen will. Angereist sind die Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet und den Niederlanden.

„Schreibt doch Eure Tags aufs Namenschild“ (Eintrag auf Wunsch einer Sitznachbarin: Kannst du Twittern? FriederK Twitterwall)

 

ür die weitere Veranstaltung werden Räume und Zeiten für Sessions angeboten, um daraufhin den Teilnehmern die inhaltliche Ausgestaltung des Programms zu überlassen. Sieben mal vier Sessions sind für den heutigen Tag möglich, 32 Session-Themen wurden im mixxt-Portal vorgeschlagen. Die Anbieter der Sessions stellen ihre Themen vor Ort vor:

 

egenüber einer traditionellen Konferenz sticht der Blick einer jüngeren Generation ins Auge. Nicht berufserfahrene Konferenzorganisatoren sind am Werk, sondern Personen, die die berufliche Erfahrung vor sich haben, was sich in den entsprechenden Themen niederschlägt. Genügend Räume stehen für alle Sessions zur Verfügung. Inhaltlich ähnliche Themen sollen auf Wunsch aller Teilnehmenden nicht zusammengelegt, sondern zeitlich hintereinandergelegt werden, um die Möglichkeit der Teilnahme an unterschiedlichen Sessions zu erhöhen. Das Organisationsteam erstellt einen Session-Plan und gibt den Session-Anbietern die Bitte auf den Weg, ihre Sessions in eine 30-Sekunden-These münden zu lassen, die per Video dokumentiert und als abendliches Ergebnis des ArtEduCamp präsentiert werden soll.

 

at eine traditionelle Konferenz gewöhnlich eine organisatorische Vorlaufzeit von mehreren Monaten, um Programm, Referenten, Räume und Zeiten zu bestimmen und zu organisieren, so geschieht dies auf dem ArtEduCamp in wenigen Minuten. Nach der Erstellung des Session-Plans beginnt das von den Teilnehmenden selbstbestimmte Programm. Vier mal sechs parallel stattfindende, 80-minütige Sessions rund um Themen der Kunstpädagogik werden den heutigen Tag bereichern. Ein Rundgang.

 

n der Session „Kreativität und Aneignung“ werden Strategien vorgestellt, wie urbaner Raum durch kreative Interventionen in soziale und kommunikative Orte umgewandelt werden können. Ein Beispiel hierfür ist der Prinzessinnengarten in Berlin-Kreuzberg:

„Nomadisch Grün hat im Juli 2009 am Moritzplatz in Kreuzberg eine 6000 qm große Brachfläche von der Stadt Berlin gemietet und sie in eine ökologische und soziale urbane Landwirtschaft verwandelt. Der so entstandene Prinzessinnengarten produziert nicht nur lokal Lebensmittel, er schafft auch einen Ort neuen urbanen Lebens, an dem wir gemeinsam mit Nachbarn, Interessierten und Freunden arbeiten, lernen und entspannen.“ (Quelle)

 

enes Thema wird in der Session „Aneignung öffentlichen Raumes“ spezifiziert. Thematisiert wird die Hierarchisierung des städtischen Raums, die durch wirtschaftliche Faktoren bestimmt wird. Gefragt wird nach der Zugänglichkeit dieses Raums, nach dem freien Raum. Gentrifizierung, Interventionen und Cultural Hacking, sind Stichworte, die unter dem kunstpädagogischen Aspekt verhandelt werden. Im Kinderkarussell von Vojtech Fröhlich, Ondrej Mlady, Jan Simanek und Vladimir Turner wird das Recht auf Kunst und Teilhabe im öffentlichen Raum auf den Punkt gebracht: Kinder drehen sich an einem rotierenden Werbeschild über dem Straßenverkehr – eine Umcodierung einer Werbung in ein Ringelreiten.

 

önnen Jungs für den Kunstunterricht gewonnen werden? Danach fragt die Session „Kunst und Jungs“. Die Teilnehmer, durchweg Studierende, halten diese Frage für ihren späteren Beruf für wichtig und bedauern, dass dieser Aspekt in ihrem Studium keineswegs thematisiert wird. Sind es mehr männliche Vorbilder, die gebraucht werden, oder muss die Lebenswelt der Jungs mehr berücksichtigt werden? Sollte man geschlechtliche Stereotypen in der Lehrer-Schüler-Interaktion abbauen oder Berufsperspektiven aufzeigen? Für die Gruppe sind dies drängende Fragen für den zukünftigen Kunstunterricht, den sie selbst gestalten werden.

 

eider wird es, der Fülle der Sessions wegen, nicht möglich sein, über alle parallel verlaufenden Sessions zu berichten. „Guerrilla Advertising“, „Kunst und POPKULTUR“ sowie „Qualitatives Forschen“ sind weitere Themen, die am Vormittag besprochen werden. Die Thesensammlung am Ende des ArtEduCamp wird es ermöglichen, die Quintessenz dieser Sessions zu erfahren.

 

eetree ist ein Projekt, Natur und Internet zu verknüpfen. Bäume im öffentlichen Raum der Städte werden real markiert und bekommen eine Seite auf facebook mit Ortung. Große Bäume, wie z.B. Eichen, waren oftmals traditionelle, zentrale Treffpunkte auf Marktplätzen – soziale Räume des Austausches. Das Projekt greift diese Tradition auf und verlegt sie in den virtuellen Raum der sozialen Netzwerke. Physische Kommunikationsräume werden mit virtuellen verbunden. Gefragt wird nach der Übertragung solcher Konzepte auf den Kunstunterricht.

 

eben dem Begriff des Cultural Hacking widmet sich eine Session dem Schoolhacking. Es ist der Versuch, die Strategien des Cultural Hacking in die Institution Schule hineinzutragen. Cultural Hacking steht in der Entwicklungslinie von Dadaismus, Situationismus und Punk und beruht auf der Logik von Hackern: in fremde Systeme eindringen, sich darin orientieren und neue und überraschende Orientierungen einführen.

„Künstler hacken Schule..?“ (Twittermeldung von JohannaMartini)
„schule hackt kuenstler?!“ (von konsch00)
„schule hackt kunst!“ (von konsch00)
„Kunst soll/kann/muss auch Schule hacken!“ (von arteducamp)

 

bgleich der Begriff ‚Partizipation‘ gemeinhin positiv aufgeladen ist, kann eine kritische Haltung gegenüber diesem inzwischen inflationär gebrauchten Wort ertragreich sein. Dies zeigt die Session „Kunstkritik als Gesellschaftskritik“, in der das Modewort auf der Grundlage der gesellschaftlichen Entwicklungen und der sogenannten Partizipationskunst neu bewertet wird. Die aktive Teilhabe des Ausstellungspublikums wurde Ende der 50er- und zu Beginn der 60er-Jahre als neue Parole in der Kunst ausgegeben und wird im Rückblick oftmals als Mythos erkannt.

 

arallel verläuft die internationale Session „An introduction course to media as a tool and creative environment“ sowie „Künstlerische Strategien der Raumaneignung / Cultural Hacking der Zuschreibung ‚Geschlecht'“  und „Kunst und Computerspiele“. Letztere beschäftigt sich mit praktischen Anwendungen und Anregungen für die Integration von Computergames im Kunstunterricht. Hierbei dreht es sich nicht nur um die Ästhetik dieser Games, eine ästhetische Erfahrung die mit Jugendlichen vertieft und hinterfragt werden kann. Es geht ebenfalls um die Entgegensetzung von analog versus digital, aus der eine gegenseitige Bereicherung entsteht. Interessant bei dieser Thematik ist die Diskrepanz, dass ein Großteil der Session-Teilnehmer selbst keine Computergames spielt, die Auseinandersetzung im Unterricht jedoch für äußert bedeutend erachtet. Als ein Pool für Anregungen wird die Initiative Creative Gaming und das zugehörige Portal angeführt.

 

ualitative Leitfrage der Session „Kunstunterricht in der Zukunft“ ist: Wie ist Kunstunterricht im Jahr 2050 denkbar? Hierbei werden Faktoren, Probleme, Herausforderungen, Ängste gesammelt und bewertet. Als Herausforderungen und Probleme werden erkannt: die Auflösung des Fächerkanons, die Veränderung der Rolle des Lehrers, die Frage nach den bekannten, genutzten und ’neuen‘ Medien sowie die Entlokalisierung der Schule. Befürchtungen sind die zukünftige Legitimation des Faches Kunst und die verstärkte Kompetenzorientierung. Als ein klares Problem wurde dabei erkannt, dass das heute diskutierte frühestens 2050 umgesetzt sein wird.

 

echtzeitig die berufliche Laufbahn anzudenken und die Praxis- und Berufsnähe des Studiums auszubauen, sind Kernfragen der Session „Das Studium der Kunstpädagogik: klare Berufsfelder?“ Das Kommunizieren der studentischen Interessen ist eine Aufgabe, die zwischen Studierenden und Lehrenden, aber auch unter den Studierenden – insbesondere hochschulübergreifend – intensiviert werden soll. Selbstorganisation steht hier im Widerspiel zur institutionellen Organisation. Flexibilität und Offenheit auf allen Seiten werden dabei wesentlich sein.

 

treet Art bewegt sich zwischen Illegalität und Legalität. Sie ist eine Kunst, die letztlich nicht ausgestellt werden kann, sondern im und durch den öffentlichen Raum lebt. Der ästhetische Charakter liegt im sozialen Raum. „Geht mit offenen Augen durch die Welt!“, ist der Auftrag, den die Street Art dem schauenden Menschen auf den Weg gibt – und in der Session „Streetart // digitale Medien“ diskutiert wird. „YouserArt / UserArt / Nutzerkunst“, „Wie viel Pädagogik hat die Kunst?“ und „Kinder und Jugendliche machen Ausstellungen“ sind Themen, die zeitgleich in weiteren Sessions behandelt werden.

 

anz“ von Henri Matisse ist visueller Aufhänger für die Session „Netzkunst / Kollektivkunst“. Geht man von der Prämisse aus, dass jedwede Ideen- und Werkentstehung nicht ohne einen kollektiven Prozess gedacht werden kann, weil wir immer Impulse von außen aufgreifen und benötigen, zitieren und paraphrasieren, sollte dieser Prozess ebenfalls in der Schule und im Unterricht deutlich werden. Doch wie lässt sich dies in Einklang mit den geforderten, individuellen Leistungen bringen? Wie kann kollaborative Arbeit im Unterricht tatsächlich umgesetzt werden? Nicht nur die Architektur des physischen Raums ist hierfür ein wesentlicher Faktor, sondern auch die ‚geistige‘ Architektur, die sich in virtuellen Räumen abbildet. An diesem Punkt schlägt die netzbasierte Kunst eine Brücke.

 

mgang mit Sprache im Gegenüber der Kunst ist Gegenstand der Session „Sprechen über Kunst“. Insbesondere die zeitgenössische Kunst führt bei Schülerinnen und Schülern oftmals zu einem „Engpass der Worte“ (Eva Sturm). Die Aufforderung, Bilder zu beschreiben, stößt häufig auf Unverständnis. Charakteristisch finden die Schüler dagegen, dass der Lehrer zeigt und spricht und nur im Einzelfall nachfragt. Kunstkommunikation zu fördern und Zeige-Gesten zu kultivieren ist eine Schlussfolgerung, um das Sprechen über Kunst zu ermöglichen. Parallel verläuft eine Session zum Thema „Ästhetische Erziehung von jungen Menschen mit Blick auf Alltagserfahrungen“.

 

ermittlung zwischen U und W …

 

 

ie kann sich das ArtEduCamp in den Abschlusskongress einbringen?“ Dies ist eine Frage, die in einer weiteren Session auf Vorschlag des Initiators des ArtEduCamp, Prof. Dr. Torsten Meyer, besprochen wird. Mit Blick auf die Abschlussveranstaltung von BuKo12 am 19. bis 21. Oktober 2012 in Dresden wird diskutiert, ob und wie BarCamp-artige Veranstaltungen oder Elemente in einen Großkongress integriert werden können. Die Erfahrungen des heutigen Tages liefern dabei wertvolle Einsichten und Erkenntnisse.

 

-beliebig erscheinen die heute besprochenen Themen keineswegs. Sie entsprechen dem Zeitgeist, sind aktuell relevant – und werden zugleich auf kunstpädagogischen Kongressen selten hineingetragen. Auf dieser ‚Unkonferenz‘ kam durch die besondere Art der Organisationsform – eines BarCamps – eine Generation zu Wort, die ansonsten auf Konferenzen bestenfalls als Zuhörerin Beachtung findet.

 

es we can!“, könnte das Motto dieser Veranstaltung lauten, würde dieser Ausspruch nicht abgedroschen klingen. Über 100 junge Teilnehmer können sich mithilfe der vorhandenen Kommunikationstechnologien auf Themen verständigen und sich vor Ort auf eine Weise organisieren, die das intensive Bearbeiten dieser Themen ermöglicht. Die Intensität war trotz der sehr begrenzten Zeit extrem hoch. Die Inhalte wurden nicht nur gestreift, sondern oftmals tiefgründig debattiert.

 

usammenfassend werden die Thesen aus den einzelnen Sessions im gesamten Plenum per Video präsentiert. Zehn Stunden ArtEduCamp: Diskussionen, Gespräche, Statements rund um kunstpädagogische Themen, Positionen, Visionen werden in rund 10 Minuten komprimiert dargestellt. Ein Review nicht nur der Inhalte, sondern auch der Arbeitsweisen: Vernetzung und Kooperation standen hierbei im Mittelpunkt.

„Wie dokumentieren wir dieses erste ArtEduCamp? Welche Rolle spielt in Zukunft der Nachwuchs auf Konferenzen der Fachcommunity?“ (Twittermeldung von haurobert)

 

Autor: Michael Scheibel, www.medien-kunst-bildung.de

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