Globalität – BuKo12 http://www.buko12.de Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010 - 2012 Sat, 28 Jan 2017 17:47:28 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.8.1 Tagungsbericht BuKo12 Part08 http://www.buko12.de/2012/06/11/tagungsbericht-buko12-part08/ http://www.buko12.de/2012/06/11/tagungsbericht-buko12-part08/#respond Mon, 11 Jun 2012 10:14:23 +0000 http://www.buko12.de/?p=2206 BuKo12 Part08 – „Interkultur. Kunstpädagogik remixed“
Eindrücke vom Kongress in Nürnberg im April 2012

„Stellen Sie sich vor, eine junge Frau aus Istanbul studiert in Boston deutsche Kultur und setzt sich dort mit den Filmen von Fatih Akin auseinander… Was passiert in einer solchen Konstellation? Rezipiert eine Türkin deutsche Kultur?“ (Paul Mecheril auf dem Kongress)
„Was muss passieren, damit die Mehrheit den Begriff ‚deutsch‘ nicht mehr über Abstammung, sondern über den Lebensmittelpunkt definiert?“ (Frage einer Kongressteilnehmerin)
„Ich bin jemand, der den Begriff ‚Integration‘ überhaupt nicht mehr verwendet. Er wird in unserer Öffentlichkeit so schrecklich verwendet, dass ich ihn nicht mehr verwende. (…) Es geht darum, dass wir kulturelle Vielfalt leben lernen.“ (Rolf Witte auf dem Kongress)

Es war ein Kongress, der von vielen Fragen und der Suche nach ersten Antworten geprägt war: Wie können Lernchancen im Bereich des Bildlichen für alle Kinder und Jugendlichen erschlossen, gewahrt und ausgeweitet werden? Wie können ästhetisch basierte Prozesse der Identitätsentwicklung in unserer Einwanderungsgesellschaft initiiert und die Potenziale von Migration in kunstpädagogischer Arbeit genutzt werden? Diese und ähnliche Fragen an den Schnittpunkten von Interkultur und Kunstpädagogik standen im Zentrum des dreitägigen Kongresses in Nürnberg, der von Barbara Lutz-Sterzenbach (BDK Bayern), Ansgar Schnurr (Technische Universität Dortmund) und Ernst Wagner (UNESCO-Lehrstuhl Kulturelle Bildung, Universität Erlangen-Nürnberg) organisiert wurde. Der Kongress war der achte „Part“ in einer Reihe von Veranstaltungen im Rahmen des Bundeskongresses 2010–2012, der vom 19-21.10. in Dresden seinen Abschluss finden wird.

In Nürnberg war es das Ziel, „gemeinsam zu Ideen zu kommen, für die Theorie und Praxis“, so die Veranstalterin Barbara Lutz-Sterzenbach. Die Erfahrungen aller Teilnehmenden sollten dezidiert eine Rolle spielen und in das vor Ort gemeinsam erstellte „Nürnberg-Papier“ einfließen.

„Ist das Fach Kunst im interkulturellen Bildkontext gut aufgestellt?“ fragte Clemens Höxter (Bundesvorsitzender des BDK) gleich zu Anfang in seinem Grußwort. Er erörterte auch, ob einige der in der Praxis anzutreffenden Verfahren und Methoden Interkultureller Pädagogik möglicherweise sogar dazu beitragen, den Status Quo der Diskriminierung und strukturellen Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund nicht etwa zu überwinden, sondern vielmehr zu festigen. Es sei nicht leicht, so Höxter, dem Anspruch Interkultureller Pädagogik jenseits von Folklore und Mandalas gerecht zu werden.

Veranstalter Ansgar Schnurr (Technische Universität Dortmund) erläuterte den titelgebenden Begriff des Remix, eine Durchmischung und Neuordnung: Einerseits solle es um die Subjekte und Lerngruppen in Bildungszusammenhängen gehen, so Schnurr. Hier sind vermischende Neuordnungen in Lebenswelt und Gesellschaft im Zuge von Migrationsbewegungen und globalen Ausdifferenzierungen relevant. Andererseits bezeichnet Remix die sich durch Migrationsbewegungen und Globalisierung neu organisierenden Bildwelten, mit denen Kunstpädagogik arbeitet. Schließlich soll Remix auch die Kunstpädagogik und das professionelle Denken einschließen: Vorstellungen und Handlungspraxen im Zusammenhang mit Migration und Globalität werden durchmischt und produktive Neuordnungen angestoßen.

Bestandsaufnahme

Am ersten Tag erfolgte eine Bestandsaufnahme: Von welcher Situation müssen wir eigentlich ausgehen? Mit welchen Begriffen sprechen wir über die jetzige Situation? Forschungsergebnisse und Erhebungen wurden referiert. Immer wieder spielte in den Redebeiträgen und Diskussionen reflexiv unsere Sprache eine Rolle: Wie sprechen wir über Migration, über Menschen mit Migrationshintergrund, über Kultur? Mit welchem Kulturbegriff arbeiten wir überhaupt? Welche Rolle spielen Stereotypen und somit auch mögliche Stigmatisierungen? Werden wir vielleicht Menschen irgendwann nicht mehr über ihre Herkunft thematisieren? Wird Kultur und Gesellschaft so pluralisiert und fragmentiert, dass große Sinnsysteme keine Gemeinsamkeit mehr stiften? Wie verändern sich kulturelle Praktiken durch Migrationserfahrung? Kann Kunst einen Beitrag zu mehr Integration leisten? Wie schafft sie das?

Der Psychologe Paul Mecheril (Universität Oldenburg) zog sein Fazit gleich zu Anfang seines Vortrags und betonte das Vergnügen, das für ihn darin bestehe, die Wahrnehmung der Wahrnehmung von Unterschieden zu ermöglichen und zu reflektieren. Er wolle „Wahrnehmungsordnungen ironisieren“ und hätte „Sympathie für das „Außerordentliche“ (jenes, das sich dem Ordnenden nicht gleich fügt – freilich von ihm hervorgebracht wird)“. Kunstpädagogen gewinnen kein Alleinstellungsmerkmal, so Mecheril, wenn sie sich mit dem Thema Migration beschäftigen, denn das tun viele – aber eben noch nicht so lange. Durch Migration entstehen neue Räume – es wird zunehmend schwieriger von „deutscher Kultur“ zu sprechen, die Veränderungen sind schnell und Kultur ein dynamischer Prozess.

Der inhaltlich dichte Tag endete mit einer Theateraufführung von Nürnberger Schülerinnen und Schülern und einer Performance-Lecture der Münchner Kammerspiele – hier wurde Interkulturalität praktiziert und theatral diskutiert.

Kerngeschäft

Am zweiten Tag ging es um „das Kerngeschäft“, die schulische und außerschulische Kunstpädagogik. In diversen Workshops wurden schulimmanente Projekte vorgestellt wie auch Kooperationen zwischen Künstlern, Kultureinrichtungen, Bildungseinrichtungen und Schulen. Die Bandbreite reichte von Lernen anhand traditionellen türkischen Schattentheaters zu einem Projektseminar über muslimisches Leben in Nürnberg; von einer fotografischen Auseinandersetzung von Hauptschülern mit dem Begriff „Heimat“ bis hin zu nonverbalen Vermittlungsmethoden im Museum, um Sprachbarrieren zu überwinden. Ziel der Workshops war auch, Thesen zu interkultureller Kunstpädagogik zu formulieren: als Diskussionsgrundlage für den dritten Tag.

Der Kunstpädagoge Ernst Rebel (Ludwig-Maximilians-Universität München) gab am Vormittag einen Überblick über die Vorgeschichte der interkulturellen Kunstpädagogik in Deutschland (1900-2000) und wies darauf hin, dass eine Interkulturelle Kunstpädagogik mehr sein müsse, als eine Thematisierung des Fremden – ein bloßer Differenzverweis reiche nicht aus. Ließe sich Interkulturelle Kunstpädagogik als neues Unterrichtsprinzip verstehen? Ließe sich eine dialogische Praxis, eine gleichberechtigte Teilhabe, in Bildungspraxis verankern? Wichtig sei es, so Rebel, die Differenzen nicht einzuebnen, also immer Wegbarkeiten zwischen Kontakt und Konflikt zu schaffen. Irritationen und Spannungen müssten ausgehalten werden und Umgangsweisen müssten auf wechselseitigen Respekt zielen.

Birgit Dorner (Katholische Stiftungsfachhochschule München) fragte in ihrem Vortrag: Was machen wir eigentlich in unserer kunstpädagogischen Arbeit sichtbar? Sie nannte als eine Leitlinie für Interkulturelle Kunstpädagogik: Kunstpädagogen werden aufgefordert, bei der Betrachtung von Bildwerken den Fokus auf den soziokulturellen Kontext zu richten – in welchem System ist ein Objekt entstanden? In welchem System sind unsere Beurteilungskriterien entstanden? Für Lehrende sei das Erkunden fremder Welten – nicht mit Distanz, sondern als eine „liebevolle Weltwanderung“ (Dorner) – immer mit dem Blick auf sich selbst zurück verbunden.

Im Vortrag von Rolf Witte (Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, BKJ) wurden konkrete Ziele einer möglichen Interkulturellen Kunstpädagogik genannt, z.B. die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und Prägung, Sensibilisierung für gesellschaftliche Vielfalt, Wahrnehmung von Diskriminierung, Stärkung solidarischen Handelns und Förderung der Partizipation von Minderheiten. Aber es gebe auch Stolpersteine, so Witte: Folklore oder Verfremdung kultureller Handlungsweisen gelte es zu vermeiden. Vorurteile und Stereotypen müssten bewusst gemacht und Differenzierungen aufgezeigt werden.

In einer Podiumsdiskussion am Nachmittag mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Bereichen Sport, Kunst, Musik und Theater wurde deutlich, wie unterschiedlich die Ansätze in den ästhetischen Fächern sind – und wie doch alle das Potenzial in der Vielfalt sehen: Im Fremden das Eigene aufdecken, verstehen und relativieren. Ein genussvoller Abend mit internationalem Buffet, Modenschau und Tanz bildete den Abschluss dieses anregenden und dichten Tages.

Nürnberg-Papier

Das nächtliche Arbeiten am Nürnberg-Papier führte zur Vorlage erster Thesen am dritten Tag. Allen zugänglich gemacht konnten sie Eingang in Fragen und Statements auf dem Podium und im Publikum finden. Deutlich wurde, dass ein Weiterdenken und Weiterarbeiten notwendig ist, dass der Kongress jedoch ein Anfang war. Max Fuchs (Deutscher Kulturrat) betonte, dass ästhetische Bildung als Grundprinzip von Schule begriffen werden solle, dass Kunst in der Schule durchgängiges Prinzip für die Gestaltung einer neuen Schule sei, nicht nur guter Kunstunterricht.

Wieder wurden Fragen gestellt: Was kann Kunst, was kann Kultur eigentlich bewirken? Wie schaffen wir es, dass das Thema Interkultur die parteipolitische Bühne verlässt und auf der Ebene der Menschen ankommt? Wie gehen wir mit unterschiedlichen Bildsprachen um? Wie erreichen wir die Menschen in ihrem speziellen Umfeld? Welche Visionen brauchen wir?

Der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani zeigte am Ende der drei Tage in einer bemerkenswerten Lesung aus seinen Bildansichten christlicher Kunst, wie universell Bildsprache über die Grenzen von Herkunft, Nation oder Religion hinaus wirkt und wie präzise und doch poetisch Sprache in der Beschreibung ästhetischer Erfahrungen sein kann.

Ausblick

Die Nürnberger Tagung war insgesamt reich an Impulsen und Praxisbeispielen, wie Arbeit an den Schnittstellen unterschiedlicher Kulturen, wie kunstpädagogische Praxis mit einer Vielfalt von Bildwelten und kulturellen Hintergründen gelingen kann. Jetzt gilt es, weiterzudenken, Projekte zu entwickeln und durchzuführen – und den Diskurs beim BuKo-Abschlusskongress in Dresden fortzusetzen. Das Nürnberg-Papier finden Sie hier: Part08_Nuernberg-Paper_22042012.

 

Autorin: Sara Burkhardt
Fotos: Roland Baege

 

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Kuratorinnen-Gespräch auf dem Hedo-Camp Part04 http://www.buko12.de/2012/01/17/kuratorinnen-gesprach-auf-dem-hedo-camp-part04/ http://www.buko12.de/2012/01/17/kuratorinnen-gesprach-auf-dem-hedo-camp-part04/#respond Tue, 17 Jan 2012 13:32:15 +0000 http://www.buko12.de/?p=1629 Im Rahmen der Veranstaltung Hedo-Camp meets Global Art im ZKM Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe findet am Freitag, den 20.01.12, von 17–18 Uhr im Studio in der Ausstellung The Global Contemporary – Kunstwelten nach 1989 ein Kuratorinnen-Gespräch mit Andrea Buddensieg und Antonia Marten statt. Wir sind daran interessiert, durch das Gespräch neue Perspektiven auf die Ausstellung, das Thema der Zeitgenossenschaft, des „Globalen“ (Gibt es das?) und der kuratorischen Prozesse beim Übergang von dem Forschungsprojekt Global Art and the Museum zur Ausstellung The Global Contemporary zu erfahren. Spielen hedonistische Aspekte oder Spannungen aus Sicht der Kuratorinnen in der zeitgenössischen Kunst eine Rolle?

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