Tagungsbericht – BuKo12 http://www.buko12.de Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010 - 2012 Sat, 28 Jan 2017 17:47:28 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=4.8.1 Buch03: convention – zum Subskriptionspreis http://www.buko12.de/2013/07/18/buch03-convention-zum-subskriptionspreis/ http://www.buko12.de/2013/07/18/buch03-convention-zum-subskriptionspreis/#respond Thu, 18 Jul 2013 20:23:20 +0000 http://www.buko12.de/?p=2448

Das dritte Buch der Schriftenreihe „Kunst Pädagogik Partizipation“, die den BuKo12 dokumentiert, wird in Kürze erscheinen. Das Buch kann in limitierter Anzahl zum Subskriptionspreis von 10,- € ab sofort bestellt werden.

Info und Bestellung

]]>
http://www.buko12.de/2013/07/18/buch03-convention-zum-subskriptionspreis/feed/ 0
Kongressbericht – Vielstimmigkeit dank zwölf Veränderern: BuKo12 in Dresden – kunst.pädagogik.partizipation http://www.buko12.de/2012/12/30/kongressbericht/ http://www.buko12.de/2012/12/30/kongressbericht/#comments Sun, 30 Dec 2012 16:20:18 +0000 http://www.buko12.de/?p=2318 von Cynthia Krell & Jörg Grütjen

(Fotos: Roland Baege)

„Ich fand die ganze Struktur, dieses Zusammenspiel von diesen ganzen Vortagungen sehr produktiv für den Gesamtkongress, für den Abschlusskongress an diesem Wochenende und fand einfach auch, dass über die zwei Jahre ganz viel passiert ist. Also das hat mir ganz viel gebracht, weil ich war – glaube ich – auf fünf Vortagungen.“ Robert Hausmann

„Ich arbeite in dem Bereich partizipatorische Grundschulbildung und ich finde diese Tagung sehr anregend, weil verschiedene Positionen dargestellt werden.“ Antje Dalbkermeier

Um es gleich zu sagen: Dies war mit Sicherheit der jüngste Bundeskongress der Kunstpädagogik, den es je gegeben hat. Wer waren die 280 Teilnehmenden vom 19. bis 21. Oktober? Sehr viele Studierende, zahlreiche Vertreter der kulturellen Bildung aus Museumspädagogik, Kunst- und Musikschulen, sowie etliche Angehörige des wissenschaftlichen Nachwuchses und des akademischen Mittelbaus, nur wenige Lehrerinnen und Lehrer – und natürlich einige, augenscheinlich aber nicht alle der üblichen Kongress-Junkies, die so gut wie jede kunstpädagogische Tagung besuchen.


Dabei hatte sich der BuKo12 mit dem Begriff „Partizipation“ gerade die Anzettelung von Kommunikationsplattformen auf die Fahnen geschrieben, um aktuelle Positionen der Kunstdidaktik in Dialog zu bringen: der Kongress als Ort der Begegnung, des Netze-Knüpfens und des Dialogs. Denn Partizipation ist nicht von allein möglich, dafür müssen gezielt Räume geschaffen werden. (Prägnantes Symbol dieses Ansatzes waren im Nachhinein etwa die schönen Räume unter der Kuppel der Kunsthochschule in Dresden. Hier war man am Samstagabend beim Sektempfang zu Gast, um eine große informelle Kommunikationsskulptur zu bilden.)

TAG 1
Nach den einleitenden Grußworten von Jun.-Prof. Dr. Sara Burkhardt (Technische Universität Dresden) sprach Prof. Klaus Vogel (Direktor Deutsches Hygiene-Museum Dresden) über das 100-jährige Jubiläum des Museums sowie über das Conditio-Humana-Leitthema der Ausstellungen. Als politische Vertreterin betonte Dr. Silvia Matalik (Bundesministerium für Bildung und Forschung) die Bedeutung von kultureller Teilhabe für Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft und formulierte daraus resultierende bildungs- und kulturpolitische Konsequenzen. Auch Martin Klinkner (2. Vorsitzender des geschäftsführenden BDK-Vorstands) ordnete den Leitbegriff der Konferenz, Partizipation, in einen gesellschaftspolitischen und fachlichen Kontext ein. Stellvertretend für das zwölfköpfige BuKo12-Team stellte Prof. Dr. Torsten Meyer (Universität zu Köln) nicht nur die Leitidee des Bundeskongresses vor, sondern machte einen Rundumschlag, in dem er das Team, die einzelnen BuKo-Parts, sowie die bereits veröffentlichten Bücher und das Programm eloquent präsentierte.

Der erste Beitrag von Prof. em. Dr. Wolfgang Legler (Universität Hamburg) leistete einen historischen Rückblick im Sinne einer einführenden Vorlesung: Thema war der erste Kunsterziehungstag in Dresden (1901) und der „Vierte internationale Kongress für Kunstunterricht, Zeichnen und angewandte Kunst“ (1912), auch in Dresden. Der kompakte Vortrag oszillierte zwischen ideengeschichtlichen Entwicklungen, fachlichen Orientierungen, historischer Einbettung, Fachgeschichte und humorvollen Anekdoten über die damalige Kongresskultur. Ein wenig offen blieben jedoch die Fragen nach der Aktualität von kunstpädagogischen Traditionslinien und den thematischen Bezügen zur Konferenz.

Kulturerbe, Kunstwerke (als bloß kunstgeschichtliche Artefakte), Kontaktzonen
„Tradition – Wie kann Kunstpädagogik zur Partizipation an kulturellem Erbe und kultureller Vermittlung beitragen?“ Auf diese Leitfrage antworteten die vier eingeladenen RednerInnen mit sehr heterogenen Impulsbeiträgen. Vor dem Hintergrund einer globalisierten Gesellschaft und entsprechenden Bildwelten habe, so Prof. Dr. Marie-Luise Lange (Technische Universität Dresden) in ihrem Thesen-Vortrag, die Kunstpädagogik sowohl eine interkulturelle Vermittlungsaufgabe als auch eine kritische Aufklärungsfunktion. Es gehe darum, die „visuellen Kulturen in ihrer Tradition und ihrer Gegenwärtigkeit in Verknüpfung zu geschichtlichen, geografischen, politischen, philosophischen, religiösen Faktoren, aber auch in ihren Widersprüchen, Umbrüchen, Revolutionen und Zwängen erlebbar und kritisch hinterfragbar zu machen“. Auf die Frage, wie die Kunstpädagogik dieser komplexen Aufgabe in der Unterrichtspraxis gerecht werden könne, schlug die Referentin vor, etwa ein „interkulturelles Frühstück“ mit SchülerInnen im Kunstunterricht performativ aufzuführen. Inwiefern dadurch die interkulturelle Toleranz gefördert werde oder es sich um eine zeitgemäße Form der Partizipation im Kunstunterricht handle, konnte nicht weiter vertieft werden.

Prof. Dr. Frank Schulz (Universität Leipzig) warnte mit seinem Beitrag vor einem neuen Formalismus in der Kunstpädagogik und vor der Gefahr, Kunstwerke zu rein kunstgeschichtlichen Artefakten zu degradieren. Der Kunstunterricht könne SchülerInnen als erlebende Subjekte am kulturellen Erbe partizipieren lassen. Als Beispiel diente Schulz die ganzheitliche Rezeption eines Kunstwerks; dabei könnten die SchülerInnen sowohl rezeptiv-reflexiv als auch künstlerisch-praktisch auf ein Werk antworten. Dadurch werde die Teilhabe am Fühlen und Denken der Menschen in einer bestimmten Zeit ermöglicht.
Mit einem Bild-Vortrag folgte Prof. Dr. Jutta Ströter-Bender (Universität Paderborn), wobei sie alle im Titel auftauchenden Schlagwörter („Traditionen. Kulturerbe. Kunstpädagogik. Partizipation“) anhand von Beispielen konkretisierte. Die Kulturerbe-Vermittlung befinde sich in einem Spannungsfeld zwischen „dem Wunsch nach authentischer Erfahrung und Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten und der Anerkennung von institutionellen Beschränkungen durch Denkmalschutz, ökonomische Vorgaben und soziale Hierarchien“. Der Partizipation werde daher die Funktion eines Brückenbaus zugeschrieben. Aus den unzähligen vorgestellten Beispielen war der Hinweis auf subversive Formen des Partizipierens am kulturellen Erbe für den schulischen Kontext besonders erhellend: etwa die Karnevals-Teilnahme in Venedig durch Touristen oder das urbane ‚Guerilla Gardening’.
Einen Kontrapunkt zu der kunstpädagogischen Diskursfront bildete das Statement von Prof. Dr. Nora Sternfeld (Aalto University, Helsinki, FL), die nicht nur als Kunstvermittlerin, sondern auch als Kuratorin und Kunsttheoretikerin aktiv ist. Sternfeld versteht Partizipation als die Teilhabe an der Definitionsmacht über den Kultur-und Wissens-Kanon in einer Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund bezeichnete sie die Kunstpädagogik (bzw. den Kunstunterricht) als „Kontaktzone“ (= sozialer Raum) der Wissensproduktion. Hier könne ein unter Subjekten geteilter Raum der Auseinandersetzung verhandelt werden, zum Beispiel über die Themen „Kultur“ und „Erbe“. Im Unterricht könne sodann über die folgende Frage diskutiert werden: „Was wurde wann, warum und unter welchen Bedingungen zum kulturellen Erbe?“

Zusammenfassend lässt sich dagen, dass für die sich anschließende Podiumsdiskussion der vorgegebene Zeitrahmen zu eng war. Zwar konnten einige Verständnisfragen aus dem Publikum geklärt werden, aber eine tiefer gehende Diskussion, beispielsweise über die Leitfrage des Tages, war nicht möglich. Außer Nora Sternfelds Standpunkt ähnelte das Podiumsgespräch einem affirmativen Reigen zugunsten der bestehenden Traditionen im Fach – zu wenig kritisches Potential, widersprüchliches, innovatives Gedankengut.

„Publikumsanwälte“
Für die Podiumsgespräch hatte die moderierende Prof. Dr. Christine Heil (Kunsthochschule Mainz) zwei „Publikumsanwälte“ ernannt, Gila Kolb (Friedrich Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und Konstanze Schütze (Universität zu Köln). Überall in den Stuhlreihen waren unbeschriebene Zettel ausgelegt, auf denen man Fragen oder Diskussionspunkte für das Podiumsgespräch notieren konnte. Die Publikumsbeiträge wurden durch studentische Hilfskräfte zu den zwei Publikumsanwältinnen getragen. Ein anderer Kommunikationsweg bestand darin per eigenem Klapprechner, Smartphone oder mit im Saal herumgereichten iPads zu twittern. Ausgerechnet an diesem Punkt verlangte Dr. Klaus Nikolai vom Dresdner Trans-Media-Labor Hellerau „seine Stimme“ zurück. Er wolle nicht per Zettel oder Twitter mit dem Podium kommunizieren. Zwar kann man konzeptuell die redaktionelle Auswahl und Zusammenfassungen solcher „Publikumsanwälte“ kritisiere, aber vielmehr wurde durch diesen Kommentar folgende Situation deutlich: Die Organisierenden waren bereits mit einem Dilemma gestartet indem sie eine Veranstaltung mit flachen Hierarchien, Publikumsaktivierung bzw. Partizipation zu gestalten. Nun wurde ihnen vorgeworfen, dass sie dem Publikum die Stimme verweigern würden. Man merkt: Wer Partizipation moderieren will, begibt sich dadurch gerade wieder selbst in eine Machtposition und das Publikum reagiert paradoxerweise verärgert und fühlt sich entmündigt.

TAG 2
Der zweite Tag in Dresden stand ganz unter dem Zeichen der „Aktion“, nicht zu verwechseln mit Aktionismus, und einer weit gefassten Fragestellung: „Wie kann Kunstpädagogik zur Interaktion mit einer von Heterogenität, Pluralität und hochgradiger Mediatisierung geprägten (Welt-)Gesellschaft qualifizieren?“ Vorneweg – diese Frage kann weder die Kunstpädagogik als Fachdisziplin noch ein kunstpädagogischer Kongress beantworten. Das Publikum begab sich somit gemeinsam mit den ReferentInnen des Tages auf einen offen angelegten Such- und Forschungsprozess.

Auf eine weltumspannende Bildungsreise von Burkina Faso über Dubai in die USA und zurück nach Deutschland schickte Diederik W. Schönau (CITO-Dutch, National Institute for Educational Measurement, Anrheim, NL) die KongressteilnehmerInnen in seinem Vortrag über „Globalisierung und Individualisierung der Kunstpädagogik“. Dabei wurde deutlich, dass der globale Trend einer positiven Wertschätzung der kulturellen Bildung von Seiten der Politik sich vorwiegend durch arbeitsmarktpolitische und wirtschaftliche Interessen begründen lässt. Schönau betonte, dass das Fach Kunst bei der Vermittlung von zukunftsrelevanten Kompetenzen („21st-Century-Skills“) eine Vorreiterrolle übernehme. In seinem Abschlussplädoyer präsentierte Schönau ein visionäres, stark an der Eigenverantwortung orientiertes Lehr-und-Lern-Konzept für einen zukünftigen Kunstunterricht: Kindern und Jugendliche solle es innerhalb einer globalisierten Welt ermöglicht werden, die eigene Individualität zu gestalten.

BuKoCamp

„Ich war ein bisschen skeptisch diesem Programm gegenüber [BuKoCamp] und fand aber, dass es wirklich gut geklappt hat und dass sich viele auch einfach melden und einfach mitmachen. Das fand ich gut. Und das war sehr vielseitig das Programm dadurch.“ Eva Viefhaus

Kongressesteilnehmde konnten sich für den zweiten Teil des Vormittags zwischen drei unterschiedlichen Veranstaltungsformaten entscheiden: einem „BuKoCamp“ (einer Spontan-Mitmach-Konferenz), dem Workshop „Kunstpädagogik International“ und/oder einem Vortragsblock. Vor der Entscheidung partizipierten alle Anwesenden im großen Saal am offenen Planungsprozess des „BuKoCamps“, welches von Prof. Dr. Torsten Meyer moderiert wurde. Dabei stellten die potentiellen BuKo-WorkshopleiterInnen ihr jeweiliges Thema vor, zu welchem dann per Hand ein Abstimmungsbild beim Publikum eingeholt wurde. Ab zehn Stimmen gab es grünes Licht. Einige Workshops waren auf einer virtuellen Plattform vorab vorbereitet worden; daneben konnte man aber auch spontan in der Saalsituation ein weiteres Thema vorschlagen, um es mit einer Gruppe zu diskutieren – was auch tatsächlich passierte. Nach der räumlichen und zeitlichen Zuordnung der BuKoCamp-Workshops konnte das Bundeskongress-Publikum für zwei Stunden in kunstpädagogische Parallel-(Mikro)-Welten ausschwärmen.

Aus der Vielzahl von BuKoCamp-Workshops wird im Folgenden beispielhaft über den Inhalt des Workshops von Kristin Klein (Studierende, Technische Universität Dresden) berichtet. Sie grenzte zunächst den Begriff „Augmented Reality“ ein und präsentierte zahlreiche Projekte und Anwendungsbeispiel dieser Technologie. Unter „Augmented Reality“ versteht man die Erweiterung der Wahrnehmungskanäle durch eine oder mehrere weitere, mediale Informationsebenen mittels mit entsprechender Software ausgestattete Geräte wie Smartphone, Tablet-Rechner, eReaderund Computer mit Kamera.. Anhand der Projekte wurde deutlich, dass dieses Medium nicht nur kommerziell für Marketing und Werbung, Technik oder Entertainment verwendet wird, sondern Laien und KünstlerInnen diese auch kreativ nutzen. Es wurde über die mediale Ästhetik, kunstpädagogische Bedeutung(en) sowie Einsatzmöglichkeiten im Kunstunterricht diskutiert.

Im Rahmen der Abschlussdiskussion am Sonntag wurde vielseitig über das BuKoCamp gesprochen – häufig mit Emphase. Einige hätten Bauchschmerzen gehabt, bei solch einem Veranstaltungsformat mitzumachen. „Oh Gott, dass muss ich mir jetzt auch noch antun“, so eine leider uns unbekannte weibliche Stimme aus dem Publikum. Denn im ganzen Teilnehmerfeld hatte maximal eine Handvoll solch eine Konferenz-Form schon einmal erlebt; aber, so die Dame weiter, sie sei am Schluss begeistert gewesen. Man solle der Eigendynamik dieses Veranstaltungsformats trauen. Eine Studentin ergänzte, man würde merken, dass die Fach-Community erst dabei sei, Partizipation zu lernen.

Dilemma der Partizipation

„Ich fand das ganz schön, was sie [Meike Aden] am Ende gesagt hat, dass es wichtig ist als Kunsterzieher oder als Kunstpädagoge nicht so stark ein technizistisches Verständnis zu verfolgen, sondern Kreativität zuzulassen, mutig zu sein […], um echte Partizipationsräume zu ermöglichen; also keine, die von Institutionen vorgegeben werden, um dann am Ende das vorgegebene Ziel zu erfüllen, sondern die Schüler zu selbstdenkenden, kritischen, selbstbestimmenden Menschen zu machen.“ Katrin Rickerts

Dr. Maike Aden (Universität Bremen) bezeichnete in ihrem Vortrag den Staatsapparat Schule als grundlegend anti-partizipatorisch; sie begründete dies mit bestehenden Macht- und Wissensordnungen, institutionellen Rahmenbedingungen und vorherrschenden Rollenzuweisungen. Dadurch werde in der Schule ein ständiges „Dilemma der Partizipation“ generiert. Sie stellte die kritische Frage, inwiefern und ob schulische Partizipationsprojekte Kinder und Jugendliche tatsächlich dazu befähigen würde, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu artikulieren. Für die Schule und den Kunstunterricht forderte Aden die Bereitstellung „partizipatorischer Räume“ – wobei auch LehrerInnen aktiv werden können, falls sie gegen die Lehrplanwirtschaft aufbegehren wollten. SchülerInnen benötigen nach Meinung der Referentin (in Rekurs auf Heideggers „Wesen zu Besinnung“) zeitlich ausreichend Angebote zur „Besinnung“– indem sie sich in Gelassenheit zum Fragwürdigen üben, Ambiguitäts- und Differenzerfahrungen sammeln und sich auf eine Suche nach persönlichen Maßstäben und Bedeutungen begeben.

„Ich glaube, das Programm war einerseits vielseitig und abwechslungsreich. Andererseits kann man sich jetzt im Nachhinein sicherlich auch über einiges austauschen, sodass man eben womöglich mehr gelernt hat als wenn man zu einem einheitlichen Programm gegangen wäre, denke ich.“ Stefan Heithorst

Auch das Nachmittagsprogramm war von Optionen bestimmt: Entweder konnte man sich drei Vorträge anhören oder zwischen vier, je zweistündigen Workshops wählen. Thematisch bezogen sich die angebotenen Workshops auf Beiträge aus dem zweiten BuKo-Buch „Revisit“: Unter der Leitung von Dr. Ansgar Schnurr und Dr. Ernst Wagner wurde über zentrale Aspekte von Interkultur, Globalität und „Diversity“ in der Kunstpädagogik diskutiert; dabei flossen die Ergebnisse der Interkultur-Tagung BuKo-Part08 ein. Gemeinsam wurden neue Handlungsperspektiven entworfen. Im Wokshop von Adam Page, Prof. Dr. Wolfgang Zacharias und Prof. Dr. Ulrike Stutz wurde das Schulprojekt „Die 12 Veränderer“ (seit 2011) vorgestellt, welches partizipatorische und Community-basierte Strategien verfolgt. Unter den TeilnehmerInnen entwickelte sich eine lebhaft kontroverse Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen solcher Projekte für eine sozialräumlich orientierte Kunstpädagogik.

„Spiel / Raum / Kunst / Pädagogik: Welche Kunst-Pädagogik braucht die Grundschule?“ – so hieß ein weiterer Workshop von Silke Riechert, Prof. Dr. Andreas Brenne und Prof. Mario Urlaß: Hier war das Kunstschulen-Projekt „Zukunftslaboratorium“ Basis für eine kritische Diskussion. Die Gruppe sammelte abschließend Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten. Außerdem formulierte man Kriterien für eine partizipatorisch orientierte Kunstpädagogik in der Grundschule.
Die Frage nach dem Transfer der universitären Lehre in die Praxis stand im Mittelpunkt des Workshops von Prof. Dr. Andrea Sabisch und Dr. Rudolf Preuss. Ausgangspunkt waren „Ästhetische Expeditionen“, ein Veranstaltungsformat, das seit 2011 in Hamburg durchgeführt wird. Man debattierte über zentrale Aspekte einer sachgerechten und kollegialen Austauschkultur in Schule, Hochschule und außerschulischen Bildungs- und Kultureinrichtungen.

Kaleidoskop: Medien und Jugendkulturen
Die Vorträge hatten alle einen Bezug zum ersten BuKo-Buch „Shift“ und widmeten sich dem Schwerpunkt Medien und Jugendkulturen: So zeigte Dr. Jan Grünwald (Goethe-Universität Frankfurt am Main) zahlreiche Bild- und Videoerzeugnisse aus der Subkultur des Black Metals, die im Spannungsfeld von Abweichung und Aneignung entstehen. Er machte „Ästhetiken der Überscheitung“ visuell an konkreten Bildmotiven, Stilelementen und Männlichkeitsdarstellungen nachvollziehbar – kreative, teils subversive Aneignungen und Weiterführungen in Bildern und Videos.

Dr. Elizabeth Losh (Sixth College, UC San Diego, Kalifornien, USA) war eine der zahlreichen internationalen Gäste auf dem Kongress. Im Wesentlichen stellte sie das von ihrer Fakultät entwickelte CAT-Programm („The Culture, Art and Technology-Program“) als Projekte-Marathon vor: Dabei kommentierte sie jedes Projekt mit wenigen Sätzen und zeigte dazu Bilder – am Ende war einem vor lauter Projekte-Dropping ganz schwindelig.

Der letzte Vortrag von PD Dr. Benjamin Jörissen (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) trug den Titel „Transgressive Artikulationen. Zum Zusammenhang von Kunst, Medialität und Kultureller Bildung“. Für Jörissen ist „Artikulation mehr als bloßer Ausdruck: In ihr verschränken sich Prozess und Werk, Ausdruck und Anerkennung, schließlich Subjekt und Kultur“. Gemäß seinem Verständnis seien Bildungs- und Subjektivations-Prozesse grundsätzlich in mediale Artikulationsprozesse eingebettet und gingen aus diesen hervor. Ein in diesem Sinne komplexer Artikulationsbegriff, so die von Jörissen formulierte These, könne dazu beitragen, „die immer wieder betonte besondere Bedeutung von künstlerischen (im Sinne von transgressiven) Artikulationen für Bildungsprozesse medientheoretisch reflektiert zu verstehen“.

Die Kettel-Billmayer-Diskussion – ohne Protestflieger und Partizipation
Nach der Kaffeepause überraschte Prof. Dr. Helene Skladny (Evangelische Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, Bochum) mit einem historisch-anekdotenreichen Beitrag: Sie präsentierte kontroverse Diskussionsäußerungen vom ersten Kunsterziehungstag 1901. Damals trafen sich knapp 250 TeilnehmerInnen; darunter waren nicht nur Lehrpersonen, sondern auch Staatsvertreter, Verwaltungsleute, Kunstprofessoren, Museumsdirektoren und Künstler. In ihrem knapp zehnminütigen Vortrag stellte Skladny die wichtigsten Meinungen und Gegenpositionen vor – das Publikum reagierte mit kollektiven, spontanen Zustimmungs-oder-Gegen-Äußerungen.

Ein eigenes performatives Format hatten sich Univ. Prof. Franz Billmayer (Universität Mozarteum Salzburg) und Prof. Dr. Joachim Kettel (Pädagogische Hochschule Karlsruhe) für den „Call for Square“ konzipiert: Sie inszenierten sich in einem öffentlichen Disput zur Streitfrage „Kunst im Unterricht“. Als Moderator wurde Dr. Rudolf Preuss (Universität Paderborn) eingesetzt. Billmayer äußerte sich über Bild und Bildung, Normalkultur und „Wurstbilder“, schwache und starke Bilder, gegen ein sehr begrenztes, elitär bestimmtes Cliquen-System der zeitgenössischen Kunstwelt. Kettel setzte ihm das Konzept der künstlerischen Bildung und die Nähe zur Kunst entgegen. Psychisch und physisch saß Rudolf Preuss zwischen den Stühlen. Zum Schluss präsentierte Franz Billmayer in einer angenehm humorvollen Geste eine Art BuKo-Statistik per Zollstock-Visualisierung: Er hatte die bis dahin in den Medien greifbaren Texte der BuKo-Veranstaltungsreihe ausgewerte. Er wollte damit demonstrieren , wie oft Begriffe wie „Partizipation“ oder „Kunst“ (für Billmayer völlig überrepräsentiert) verwendet wurden.

Gegen Ende der Show verteilte eine beherzte Design-Studentin, die wohl etwas von Kommunikations-Guerilla mitbekommen hatte, in den hinteren Reihen stapelweise Kopien mit der Anleitung zum Falten von Papierfliegern. Aber: Kein Protestsegler wurde geworfen, vorne bei der Diskurs- und Moderationshoheit wurde der Zwischenfall anscheinend gar nicht bemerkt. . Denn das Publikum ist unberechenbar und lässt sich vor allem nicht vorschreiben, auf welchem Weg es seinen Unmut artikuliert. Die Studentin meinte zu ihrer Bastelanleitungs-Aktion:

„Also es ist einem ja selber überlassen, was man damit macht. Man kann aber auch wenn man Lust hat, sich an seine Kindheit erinnern und sich einen Papierhub bauen oder einen Flieger und den einfach mal so in die Runde reinwerfen. […] Es war halt nur so ein Input, so, ihr könntet ja mal drüber nachdenken etwas zu machen. [Die Kettel-Billmayer-Diskussion] war, ich glaube, auch zu interessant, als dass man die Papierflieger wirklich hätte fliegen lassen können. Das habe ich halt schnell gemerkt.“ Nora Kühnhausen

Zeit für einen Meinungsaustausch mit dem Saalpublikum blieb leider nicht, weil man pünktlich zum Sektempfang weiterziehen musste (vgl. auch den Bild-Kommentar von „Frollein Motte“ im Netz).

„Aber es [das Billmayer-Kettel-Gespräch] ist dann doch für den Sektempfang abgebrochen worden, wo es gerade am spannendsten wurde. Also da hätten eigentlich einfach alle sagen müssen, wir bleiben jetzt hier und hören noch mal eine Stunde zu.“ Franziska Wilke

Der wohl für kurze Zeit in der Community bekannteste Kunstpädagogik-Student Deutschlands, Maxim Sundermann von der TU Dortmund, eroberte sich trotz der kritischen Blicke der Saal-Moderation ein Mikrofon. Diese konnte das studentische Störmanöver nur akzeptieren, weil es aus dem Saal laut als „Cultural hacking“ bezeichnet wurde und damit wieder als cool, weil zeitgeistig, durchgewinkt werden konnte. Die Tragik solch einer Szene besteht darin, dass die Veranstaltenden erleben, vom Publikum als selbstermächtigt kritisiert zu werden – trotz des programmatisch partizipatorischen Ansatzes.

Reaktionen

„Ja, ich habe das Gefühl, dass es sehr produziert wurde, dieses ganze Streitding. So von Anfang an einfach. Wir wurden auch schon mit den Worten hier eingeladen, das Schönste ist das Streitgespräch zwischen Billmayer und Kettel.“ (Unbekannte Studentin)

Die Saalgemeinde reagierte polarisiert auf die Franz gegen Jo-Show: Die steigenden Verkäufe von Joachim Kettel-Publikationen am folgenden Sonntagmorgen signalisieren einerseits ein wohlwollendes bis vermehrtes Interesse; andererseits:

„Ich habe auch vermisst, dass eigentlich über den ästhetischen Prozess an sich nicht direkt geredet wurde. Es wurden zwar Methoden besprochen, einerseits das Experimentelle, was ich nachvollziehen konnte, was der Herr Kettel gesagt hat. Die Methode von Joachim, ne von Franz wurde nicht besprochen, […] um es den Schülern bewusst zu machen, was Kunst alles machen kann.“ Martina Lamiseiwich

Wie schon erwähnt und wie es der Programmzettel des BuKo andeutet, hat sich das Duo Billmayer/Kettel selbst per „Call for square“ aufs Podium gebracht: Man konnte bei dieser Aktion im Vorfeld des BuKo Beiträge einreichen, welche „die Lücken in der bisherigen Arbeit der Initiative identifizieren und füllen“ (Programm-Formulierung) sollten. In diesem Sinne haben sich Billmayer und Kettel also als so wichtig empfunden, dass sie die große Samstagabend-Show bestreiten durften. Die beiden Professoren haben sich also per Partizipation und Eigenermächtigung aufs Podium gebracht – um sich dann ganz als klassische Vertreter einer Vor-BuKo-Zeit zu erweisen: Sie verstanden sich als sendungsbewusste Prediger in eigener Sache („Ich aber sage euch“, Neues Testament, zitiert nach Skladny auf dem BuKo); dabei haben die ach-so- gegensätzlichen, aber im Habitus letztlich doch ähnlichen Streithähne vergessen, dass sie auf einem Kongress mit dem Leitbegriff Partizipation auch dem Publikum die Möglichkeit zur Nachfrage geben sollten: Sie vertreten einen klassisch messianisch-sendungsbewussten bzw. akademischen Stil von Kunstpädagogik-Profession.

Die Billmayer-Kettel–Debatte war maximal auf der Diskurshöhe von 2007 (dem Kongress in Dortmund), denn die Professoren suggerierten eine falsch verblendende Binär-Oppositionsbildung: Hätte etwa eine Diskussion zwischen Prof. Dr. Hubert Sowa und Prof. Dr. Christine Heil nicht die ursprüngliche Konfliktlinie der Dresdner Veranstaltung sichtbar gemacht? Andererseits: Gibt es im komplex heterogenen Feld der Kunstpädagogik überhaupt noch diese herrlich vereinfachenden Oppositions-Strukturen und Achsen-Systeme?
Die Positionen-Achse „Kunst-Gläubigkeit“ vs. „keine Kunst mehr, mehr Kaufhaus-Analyse!“ ist jedenfalls kaum noch zeitgemäß, wenn man sich einige Leitthemen des BuKo12 anschaut (Globalisierung, Medialisierung, überhaupt Vielstimmigkeit und Komplexität aller Verhältnisse). In den Worten des „Call for square“-Beitrags von Robert Hausmann & Matthias Laabs, die sich selbst als eine der „Positionen einer jungen Kunstpädagogik“ verstehen: „Eindeutige Weltsichten sind out …“, „Der Grabenkampf um die Paradigmen „aktuelle Kunst“ und „Bildorientierung“ interessiert uns nicht.“ Und besonders signifikant für den Wandel im Zeitgeist: „Scharfe Trennungen sind Vergangenheit.“ (http://realraum.wordpress.com/2012/10/24/denn-sie-wissen-nicht-immer-was-sie-tun)

Beim Sektempfang

Im Anschluss gab es einen kollektiven Umzug in die Hochschule für Bildende Künste Dresden zu einem durchaus produktiv-partizipatorischen Akt des Sekttrinkens:

„Ok, meine Meinung dazu ist, dass so wie die Diskussion läuft, es leider nie zu dem Punkt kommt, an dem der andere sozusagen zur kritischen Selbstreflexion der eigenen Position geführt wird. Es bleibt also jeder in seinem Sektor und zieht die Mauer hoch und dann gibt es im Grunde keinen Kontakt. Aber es geht genau um diesen Kontakt. Man muss das Problem soweit treiben, dass man merkt, die Probleme hängen miteinander zusammen.“ Unbekannter Student

„Ich bin hier, weil ich hier wohne und weil ich unglaublich gespannt war, was es da alles zu hören gibt, was die aktuelle Diskussion anbetrifft. Ich bin manchmal etwas irritiert, wie wenig wissenschaftlich das abläuft, wenn sich Menschen gegenseitig so attackieren. Aber insgesamt bin ich ganz begeistert und beflügelt und motiviert […], auch wieder mehr, was schon mehrfach angesprochen wurde, auch in die Literatur zu gucken. […] Ja, also das finde ich total inspirierend und finde ich ganz spannend und auch die Leute mal in echt zu sehen, die irgendwie die Bücher schreiben. Das ist ganz schön faszinierend […], dass man die Leute in echt erlebt und mit ihren Fragen und mit ihren Statements hören kann.“ Ann-Christin Harder

„Ganz interessant ist die Parallele zwischen 1901 und 2012, dass wir ja tatsächlich ganz oft über das Gleiche diskutieren, und dass wir immer versuchen, die Kunst gegen die Pädagogik in irgendeiner Weise auszuspielen, anstatt einfach mal produktiv von beiden Seiten zu lernen. […] es ist ganz entscheidend, dass Kunst und Pädagogik ein sehr gutes Zusammenspiel entwickeln.“ Helene Skladny

TAG 3
Im morgendlichen Filmprogramm fiel als kleiner selbstironischer Kurzkommentar ein trashig kurzes Godzilla-Video auf: Das sympathisch wilde Wesen aus dem Untergrund (als Symbolfigur einer Haltung?) erobert sich in einem Akt der Selbstermächtigung die (Kunstpädagogik?-)Welt! Aber haben die zwölf BuKo-Aktivisten, meistens allmählich aus der akademischen Existenzgründungsphase herausgewachsen, diese Bissigkeit nötig? Bei den Filmen spielten überhaupt Fortbewegungsmittel eine große Rolle: War dieses Frühstückskino eine metaphorische Selbstpositionierung im fachpolitischen Feld? Die zwölf Veränderer mit dem BuKo-Banner unterwegs zu immer neuen Abenteuern, um aktuelle Perspektiven zu gewinnen, genauso wie die Studentenhelden in den in Dresden gedrehten Kurzfilmen? Sollten die Verhältnisse umgedreht werden, wie es eine Gruppe aus Afrika spielerisch in Videoform brachte: Aktivisten aus Ghana versuchen heldenhaft die Probleme der ersten Welt zu lösen – etwa zu wenig Möglichkeiten von amerikanischen Rentnerinnen für Sex! ( ghanathinktank.org)

Vielleicht, Vermittlung, Sinnbildungsprozesse

„Der Grund, weshalb ich hier bin, ist eigentlich ein einfacher: Es ist für mich eine Motivation hier zu sein. Es ist für mich eine Horizonterweiterung und ich muss echt zugeben, ich kann viele Vorträge nicht einordnen und frage mich, was wollen wir. Ich wusste auch nichts über das Camp zum Beispiel. Für mich ist die Organisationsform des Kongresses interessant. Das habe ich auch noch nicht erlebt. Also für mich ist es der Grund, weshalb ich hier bin, die Inspiration. Und ich merk’ auch, das hat es auch bei mir wieder ausgelöst, die Lust: Die Lust am Fach. Das passiert auch. Ich bin jetzt seit drei Jahren im Job und hab Kollegen, mit denen ich mich prima austauschen kann. Und auch die Lehrerausbildung in Hamburg hat mir viel gebracht und hat mir sehr gut gefallen und trotzdem find’ ich es schön, da mal auszubrechen und ja vielleicht auch neue Kontakte zu knüpfen.“ Lena Böhm

Als Ausstellung war viel über die dOCUMENTA (13) in den Medien zu lesen – aber auch das Vermittlungsprogramm hatte mit seinem Konzept mediale Aufmerksamkeit erhalten: Die Leiterin der „Vielleicht-Vermittlung“ der dOCUMENTA (13), Julia Moritz, stellte in ihrem Vortrag das Vielleicht-Konzept und das Vielleicht-Veranstaltungsprogramm, die Vielleicht-Vermittlungsformate und Vielleicht-Methoden vor – ohne tiefergehend über die Vielleicht-Zielansprache oder Vielleicht-Wirksamkeit zu reflektieren. Eine ihrer Thesen lautete: „Vielleicht nicht zu wissen, daher sollte Vermittlung am Rande des eigenen Wissens positioniert werden“. Vielleicht ist dazu auch nicht mehr zu sagen als: „what we do when we don’t know what we’re are doing“ (so der Vortragstitel der Referentin).
Was Julia Moritz uns Kunstvermittlern in Dresden verschwiegen hat: Bei den Ausstellungsführungen im Kasseler Sommer 2012 war man sehr stolz auf die Auswahl der Vermittler: Engagierte, in unterschiedlichsten Fachbereichen qualifizierte Personen konnten den Besuchergruppen die präsentierte Kunst nahe bringen – nur eben professionell ausgebildete Kunstvermittler wohl so gut wie nicht.

„Eine unmögliche Möglichkeit der Vermittlung der Fähigkeit zur Vermittlung von Kunst“ – so hieß der folgende Vortrag von Prof. Heinrich Lüber (Züricher Hochschule der Künste, CH). Er nahm eigene Performance-Aktivitäten als Künstler und Forschungsprojekte an seinem Institut zum Ausgangpunkt. Seine Definition und Vorstellung für eine Kunstpädagogik von Übermorgen lautet: „Labor des produktiven Strauchelns“; denn an der Züricher Hochschule der Künste werde versucht, auf eine Stärkung der kunstspezifischen Erkenntnisformen in ihrer Unwägbarkeit, in ihrer konstitutiven Unabschließbarkeit zu setzen.
Ihre Vision eines „Sinnbildungslernens in der Gegenwart“ (im Gegensatz zu einem „Lernen für später“) skizzierte Lisa Rosa (Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, Hamburg). Sie beschäftigte sich mit der Zukunft des Lernens. Im Zentrum stand die Frage: „Wie also können wir unsere Kinder auf die Zuverlässigkeit des Unzuverlässigen, auf Überraschungen, auf radikale Veränderungen und auf das Unbekannte vorbereiten?“ Rosa argumentierte mit dem Konzept des Sinnbildungslernens, wobei jeweils aktuelle Gegenwart und persönliche Sinngebung elementar seien. Für die Zukunft bedeute das zum Beispiel: Lernen heißt nicht mehr, alle lernen dasselbe allein, sondern alle lernen Verschiedenes gemeinsam. Lernen heißt nicht mehr Vorbereitung auf die Zukunft, sondern Realisierung persönlichen Sinns in der Gegenwart als Modell für zukünftige Sinnbildungsprozesse. Abschließend stellte die Referentin folgende Gleichung auf: „Kunstlernen 2.0 = Projekte, Kreativität, Experimente, Sinn, Fantasie, Flow, Begeisterung, Freude versus „Bulimie-Lernen“ – hierfür gab es positive Zustimmung und reichlich Applaus aus dem Publikum.

Eine partizipative Fishbowl-Diskussion mit dem Publikum

Für die abschließende Fishbowl-Diskussion mit dem Publikum (eine Diskussionsmethode für sehr große Gruppen) machte die über Nacht geänderte Stuhlordnung endlich Sinn: Denn einige Stuhlreihen waren nicht mehr aufs Podium gerichtet, sondern zu einem Innenkreis angeordnet. Dort saßen die Moderatorin Prof. Dr. Anja Besand (Technische Universität Dresden), die ReferentInnen des Tages und einige Mitglieder des BuKo12-Teams. Der erste Teil der Diskussion widmete sich den Vorträgen des Tages, der zweite Teil hatte den BuKo12 selbst zum Gegenstand als Résumé, Kritik und Ausblick.

Der erste Teil der Diskussion war geprägt von Reaktionen und Rückmeldungen aus dem Publikum, die sich auf die einzelnen Redebeiträge bezogen. Prof. Dr. Maria Peters wunderte sich, warum der letzte Beitrag den meisten Applaus erhalten habe; sie merkte an, dass das Thema „Kompetenzorientierung“ nicht thematisiert bzw. verhandelt worden sei. Julia Moritz ging auf das Kinder- und Jugendprogramm „Das alternative Curriculum“ von Claudia Hummel ein: Insgesamt hatten sich 65 KünstlerInnen am Projekt beteiligt, indem sie künstlerische Materialien für Kinder und Jugendliche bereit stellten und dazu Handlungsanweisungen formulierten. Lisa Rosa ergänzte ihr Konzept um die Frage der Machbarkeit, um Lehr-und-Lern-Verhältnisse neu zu konstituieren. Vorwiegend fehle es den meisten LehrerInnen an zeitlichen Lernräumen für eigene Möglichkeitserfahrungen. Abschließend merkte Dr. Rudolf Preuss an, dass es bereits Lehrpersonen gebe, die sich gegen die „Lehrplanwirtschaft“ stellen würden. Er appellierte an die an- und abwesenden oder auch zukünftigen LehrerInnen: „Mehr Mut zur Unterrichtsgestaltung und zum Experiment!“

Der zweite Teil der Diskussion konzentrierte sich auf einen Austausch über die Tagungsformate und Formen der Teilhabe innerhalb der BuKo-Veranstaltungs-Reihe. Prof. Dr. Andrea Sabisch (BuKo12-Team) erläuterte das Prinzip der „Ästhetischen Expeditionen“: Bei diesem Veranstaltungsformat ist es Ziel, VermittlerInnen aus Schule, Hochschule und Museum in ein fachliches Gespräch zu bringen und lokal zu vernetzen. Dabei seien die Diskussionen und Reflexionen über Lehr-und-Lern-Formen sowie das Nachdenken über eigene Rollen- und Selbstverständnisse sehr produktiv. Gemäß Prof. Dr. Torsten Meyer (BuKo12-Team) sei das Konzept der Konferenz sehr gut aufgegangen; dies gelte sowohl für die acht lokalen Teiltreffen als auch für die abschließende BuKo12-Veranstaltung in Dresden. Insgesamt habe er den Eindruck, dass es Vertrauen in der Fach-Community gebe und dass Partizipieren als produktiv empfunden werde. Gila Kolb vom BuKo12-Team äußerte sich über Twitter als Möglichkeit für ein partizipatorisches Tagungsmedium und schloss mit der Bemerkung ab, dass man Teilhabe lernen müsse. Ein Studierender äußerte sich sehr positiv über die Formen der Teilhabe, die er bei diesem Kongress erlebt habe. Er fühle sich als Studierender ernst genommen, könne am Diskurs teilhaben und sich mit seinen Fragen direkt an die Autoren-Generation der aktuellen Fachpublikationen wenden. Marc Fritzsche (Buko12-Team) berichtete aus der Arbeit des zwölfköpfigen Veranstaltungsteam; er betonte, dass die Entscheidungen kollektiv getroffen worden seien. Dr. Ansgar Schnurr (BuKo12-Team) plädierte für eine Kultur der Vielstimmigkeit und Diversity – auch im Rahmen von zukünftigen Kongressen. Ruppe Kosselek kritisierte den fehlenden Kontakt zwischen der Kunsthochschule Dresden und dem Fachverband der Kunstpädagogik spezifisch im Rahmen dieses Kongresses. Univ. Prof. Franz Billmayer, Organisator des nächsten Bundeskongresses, regte das Publikum dazu an, Ideen und Anregungen für den nächsten Kongress in Salzburg zu sammeln. Eine Studierende merkte kritisch an, dass das Twittern ohne entsprechende Medien wie Smartphone und Laptop nicht möglich gewesen sei. Sie fühlte sich dadurch ausgeschlossen. Weiterhin machte ein Studierender aus Dresden den Vorschlag beim nächsten Bundeskongress verstärkt LehrerInnen mit Redebeiträgen und Praxisbeispielen einzuladen, um den praktizierenden KunstpädagogInnen mehr Bedeutung und somit Wertschätzung entgegenzubringen. Lena Stab schlug vor, beim nächsten Kongress ReferentInnen zum Thema „Inklusion in der Schule“ einzuladen.

Im letzten Teil dieser Diskussion wurde die zentrale Frage thematisiert: Was nimmt man von diesem Kongress mit? Ein Studierender berichtete über den erfolgreichen Fachkongress der von Kunstpädagogik-Studierenden für Kunstpädagogik-Studierende organisiert wurde. Es solle in Zukunft einen zweiten Studierendenkongress geben, um die Vernetzung und den fachlichen Austausch auszubauen. Ein Kongressteilnehmer aus München lobte das Experiment zu den unterschiedlichen Tagungsformaten und Formen der Teilhabe.

BuKo2012-Bestseller-Liste
Bei den Verlagsständen ergab sich als Fazit nach den drei Veranstaltungstagen folgendes (Verkaufs-)Bild: Bei kopaed aus München waren „mit großem Abstand die beiden BuKo12-Bände sowie auch der von Frau Stutz“ („Zu einer strukturellen Partizipation in der kunstpädagogischen Praxis“) Verkaufsschlager, so Dr. Ludwig Schlump auf Email-Anfrage. „Allerdings ist das auch ein bisschen ungerecht, da wir diese ja zum Super-Sonderpreis angeboten haben“, so der Verleger weiter. Rolf Duscha mit seinem Oberhausener Athena-Verlag war überrascht: Am letzten Tag des Kongresses hat er noch einmal ordentlich Umsatz gemacht. Christian Rittelmeyers „Warum und wozu ästhetische Bildung?“ führte seine Verkaufshitliste in Dresden an. Außderdem wurden zahlreiche Publikationen zu der „Künstlerischen Bildung“ nachgefragt, etwa Joachim Kettels „Selbstfremdheit“ aus dem Jahr 2001. Das heißt, das Tagungsvolk reagierte in seinem Einkaufsverhalten deutlich auf die Samstagabend-Diskussion.

Fazit einer Lehrerin

„Die Konferenz begann am Freitagabend damit, dass ich mich mit der Frage konfrontiert sah, warum ich überhaupt hier sei. Das überrascht, wenn man als Kunstlehrer auf dem Kongress des BDK ist.
Auf jeden Fall sind Lehrer nur einzeln vorhanden und scheinen etwas anderes zu wollen als viele der anderen Anwesenden. Deshalb ist die oben erwähnte Frage aus dem Mund einer Künstlerin möglicherweise konsequent. Manchmal ist die alte These, Kunstpädagogik fängt da an, wo sie von anderen Personen als von Kunstlehrern betrieben wird, in den Köpfen einiger Anwesender noch zu spüren. Öffnung von Schule ist richtig, aber das Rückgrat der Organisationsform Schule ist der Unterricht und wird es rein aus organisatorischen Gründen wahrscheinlich zunächst bleiben. Der nachhaltig abgehaltene Kunstunterricht ist etwas Wertvolles, nur so werden möglichst viele Schüler erreicht. Unterricht mit seinen institutionellen Anforderungen gehört aber scheinbar für viele zum feindlichen System Schule, welches eingenommen werden soll, und scheint deshalb viele von denen, die jetzt in Schule hinein drängen, nicht zu interessieren.
Daneben irritiert auch immer wieder diese Humorlosigkeit, mit der viele von außen über das System Schule und ihren Kampf mit den Trägheiten und Widerständen berichten. Eine Humorlosigkeit, die ich mir gar nicht erlauben kann, da mich dieses absurde Theater, dass wir Schule nennen, jeden Tag umgibt.
Nicht dass wir Lehrer nicht auch daran arbeiten Schule zu verändern, aber das geht spürbar langsam, deshalb nützen die Utopien einer fernen idealen Schule zur Richtungsfindung und nicht zum Abgleich. Als Lehrerin muss ich jetzt in diesen Bedingungen guten Unterricht bieten, die These, dass guter Unterricht erst in einer anderen Schule möglich sein wird, ist da problematisch.
Zu den Absurditäten im Alltag gehören auch häufig die Veränderungen, die die an sich guten Prinzipien wie zum Beispiel „Partizipation“ im Schulalltag durchlaufen und sie manchmal auch in ihr Gegenteil verkehren. Deshalb waren viele der Vorträge produktiv, da sie nicht immer und immer wieder die Ideale hinter dem Prinzip wiederholt haben, sondern den Blick auch auf kritische Aspekte gerichtet haben. Bei allem positiven Bemühen, waren die rein organisatorischen Schwierigkeiten bei versuchter konsequenter Partizipation ja schließlich auch zu spüren.
Aber ich wollte ja partizipieren, vor allem indem ich Gedanken aufnehme, mich mit ihnen auseinandersetze, meinen eigenen Standpunkt festige und das eigene Handeln reflektiere. Diesen Input habe ich reichlich erhalten, ich komme gerne wieder.“

Katharina Blömer (per Email)

Aktivierung und Vielstimmigkeit des Publikums
Die inhaltliche Vielstimmigkeit und Bandbreite des Programms ist sicher der Heterogenität des Feldes der zwölf BuKo-Organisierenden zu verdanken: Prof. Dr. Andreas Brenne, Jun.-Prof. Dr. Sara Burkhardt, Marc Fritzsche, Prof. Dr. Christine Heil, Gila Kolb, Prof. Dr. Torsten Meyer, Prof. Dr. Andrea Sabisch, Dr. Ansgar Schnurr, Prof. Dr. Ulrike Stutz, Prof. Mario Urlaß, Prof. Dr. Tanja Wetzel und Dr. Jutta Zaremba. Dabei ergänzten sich all deren verschiedene BuKo-Ideen komplementär zu einem stimmigen Eindruck.
Der BuKo12 in Dresden spielte mit vielen Formaten, um die Anwesenden miteinander ins Gespräch zu bringen: die Fishbowl-Runde, eine Spontan-Mitmach-Konferenz, Publikumsanwälte, Ausstellungs-Beiträge (ähnlich wie Poster, meist jedoch in dreidimensionaler Form), Workshops, Vorträge, Impulsreferate, Streitgespräche zwischen zwei Hauptvertretern bekannter antipodischer Positionen (die einen Moderator mit „Streitschlichtererfahrung“ brauchten (so dessen Selbstcharakterisierung).

Neben dem Mut zu Format-Experimenten gab es für die Ängstlichen, Ratlosen und Konservativen klassische Vorträge. Das Anliegen war erkennbar, trotz aller Experimentierfreude gleichzeitig relativ seriös aufzutreten: Wolfgang Legler dozierte gleich zu Beginn in einer langen historischen Vorlesung über die Dresdner Kunsterziehertage von 1901 und 1912. Den Geltungsanspruch des BuKo sollte diese historische Perspektive offensichtlich untermauern. Zu diesem Zeitpunkt wünschte man sich fast schon wieder (wie beim Kölner BuKo-Part) eine Twitterwall, Live-Netz-Berichterstattung oder zeitnah zusammenfassende Videos am Schluss eines Tages.

Das Bestreben der Zufriedenstellung unterschiedlichster Ansprüche des Publikums bemerkte man immer wieder in Dresden: Zu erwähnen sind das Angebot zu Stadtführungen an den Abenden (sehr, sehr schön), die Einrichtung von Ladestationen bzw. Steckdosen, damit die Akkus der Klapprechner zwischenzeitlich wieder gefüllt werden konnten, sehr intensiv vorbereitete Anmoderationen, drei Bücherstände, allgemein der komfortable Tagungsort des Hygiene-Museum, der Vermeidung von allzu riskanten Errungenschaften wie Twitterwalls, mit denen es wohl mal im Laufe der BuKo-Reihe Enttäuschungen gab. Zudem wurde das Anliegen deutlich, durch eine entsprechende räumliche Inszenierung und Möblierung den kommunikativen Austausch und informelle Begegnungen zu ermöglichen. So gab es Stehtische im Saal, Lounge-Situationen mit Sitzgelegeneheiten, , einen geselligen Sektempfang unter der Kuppel der Kunsthochschule. Darüber hinaus hatte sich das Veranstaltungsteam weitere Kommunikationsmedien und Sozialformen ausgedacht wie zum Beispiel die „Call for Square“-Aktion bzw. deren Exponate, Aufkleber in der Tagungsmappe, um sich hierauf Kennenlern-Tags schreiben zu können, relativ viele Pufferzeiten, so dass Pausen für Gespräche wirklich hinreichend lang waren, ein überaus nett gemachter Kneipenplan für die Dresdner „Neustadt“, sehr schöne Video-Kurzfilme zum „Aufwachen“ für den Morgen danach, die Möglichkeit zur Twitter-Partizipation per herumgereichten iPads, die schon erwähnten „Publikumsanwälte“, der öffentliche Hahnenkampf Billmayer vs. Kettel, Saft, Wasser, Kaffee, Kekse in großen Mengen …
Insgesamt überzeugte auf der ganzen Linie die professionelle Organisation der Tagung, die hauptsächlich von Sara Burkhardt, Torsten Meyer und Carina Herring verantwortet und durch zahlreiche studentische Mitwirkende unterstützt wurde.

Der absolute Wille zur Vielfalt der Aktivitätenformen wird auch im Programmzettel des BuKo12 betont: „Unterschiedlichste Formate – von der Ausstellung über Foren, Open Space und medialen Interventionen bis hin zu Vortragssituationen – ermöglichen die Partizipation der Kongressbersucher/-innen in unterschiedlichen interaktiven Formen.“ Aber das Tragische und das Schöne all der von den Veranstaltenden verordneten Partizipationsmaßnahmen „von oben herab“ ist: Das Publikum ist unberechenbar. Die Teilnehmenden geben den Veranstaltungen auf jeden Fall eine andere Bedeutung, als die Veranstaltenden es sich erhofft haben. Denn das Publikum reagierte zuweilen zwiespältig auf die BuKo-Reihe. Die Veranstaltenden betrieben Partizipation, Dezentralisierung, Verflüssigung des Diskurses – und trotzdem wurde ab und zu beklagt, die programmatisch formulierten Ansprüche der Partizipation seien nicht erfüllt worden.Aber das Bestreben um die Erweiterung der Wege zur (Fach-)Öffentlichkeit istaußerordentlich zu loben; es gab im Verlauf der Veranstaltungsreihe so viele Publikationswege wie noch nie bei einem Bundeskongress der Kunstpädagogik: unterschiedliche Formen der Internetpräsenz, die Verteilung von Sticks mit Materialien, Livestreams, Broschüren, gleich drei Buchpublikationen.

Die BuKo-Initiative verstand sich offensichtlich als ein „Publikumsanwalt“: Und deshalb war dies ein sehr pädagogisch gedachter Kongress. Denn er wurde deutlich mit Blick auf die Teilnehmenden geplant. Die Grundhaltung war in der Gestaltung der Programmpunkte nicht schulmeisterlich belehrend, sondern man plante für Menschen, die man nachdrücklich ernst nehmen wollte. In diesem Sinne gilt: Ein Bundeskongress der Kunstpädagogik oder vergleichbare Veranstaltungen sind auch immer eine Art Mikro-Utopie des gelingenden Gesprächs in der Fachwelt. Die BuKo-Initiative hat sich selbst zugemutet, was wir unseren Schülerinnen und Schülern täglich zumuten: sich zu bewegen, Schritte in ein noch ungesichertes Gebiet zu wagen. Umso trauriger ist es, wenn sich Teile des Fachpublikums dieser Anstrengung nicht unterziehen wollten. In der Kunstpädagogik wird so viel von kostbaren Irritationen gesprochen; wenn man sich aber dem Austausch mit Andersdenkenden und allgemein einer neugierigen Grundhaltung verweigert, ist zu befürchten, dass irgendwann die Studierenden bzw. die Lehrerinnen und Lehrer von morgen manches kunstdidaktische Lebenswerk nicht mehr ernst nehmen und zur Alterswerksammelstelle bzw. zum Altpapier tragen.

„Ich finde es nicht so förderlich, dass die alten Männer, die vor zwei Jahren den Kongress gemacht haben, nicht anwesend sind […] nachteilig eigentlich für die ganze Fachsituation […] Habe ich heute auch getwittert, es wäre auch produktiv, wenn die […] auch die Kongresse der anderen besuchen.“ Robert Hausmann

Bundeskongresse 2003, 2005, 2007, 2009, BuKo 2010-2012
Welche Rolle spielen Bundeskongresse der Kunstpädagogik eigentlich in der Fachwelt? Sicherlich sind sie Plattformen für Initiationsriten der Fach-Community: Studierende betonten, wie schön es sei, die Gesichter von Autorinnen oder Autoren zu sehen, von denen man schon so viel gelesen habe, und sogar mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Zeitschriften-Herausgeberinnen und Herausgeber freuen sich, mit Autorinnen und Autoren nicht nur per Email zu kommunizieren; mit dem an solchen Orten häufig zu beobachtenden Wechsel vom förmlichen „Sie“ zum „Du“ werden ins Diskurs-Milieu einsteigende Jungkräfte rituell in die Fachfamilie aufgenommen. Alte Hasen, die üblichen Verdächtigen, Fachgrößen ermöglichen es dem Nachwuchs, sich per Workshop-Leitung, Anmoderation oder auch durch Vorträge ins (Fach-)Gespräch zu bringen. Über die Reihe der Bundeskongresse – München 2003, Leipzig 2005, Dortmund 2007, Düsseldorf 2009, BuKo 2010-2012 – konnte man Karrieren verfolgen: Andrea Sabisch etwa ereiferte sich 2003 noch aus dem Publikum heraus über die Vergreisung des damaligen Kongresses, Marc Fritzsche war 2005 noch der „Scanman“ in den hinteren Reihen des Publikums. In Dortmund leitete Sabisch dann im Team einen Workshop, so dass man im Laufe der Jahre ihren Aufstieg zur Mitveranstalterin eines Bundeskongresses verfolgen konnte. Auf diese Weise stiftet die Reihe der Bundkongresse eben auch personelle Kohärenz: Nach außen wird Kunstpädagogik sichtbar, weil durch Personen repräsentiert; nach innen werden Rollen innerhalb des Fachgefüges geprägt. Die Aufgabe solcher Kongresse ist es eben, per face-to-face-Kommunikation Beziehungen zu stiften.
Lehrerinnen und Lehrer sind hierbei die schwierigste Klientel, weil sie u.a. beruflich im Zeitbudget weniger flexibel sind: Ich [J.G.] erinnere mich, während eines Kongresses mal Klausuren korrigiert zu haben. Aber man kann nicht erwarten, dass es ein Kongress leisten kann, im Sinne einer Lehrerfortbildung aktuelle und relevante Themen so aufzubereiten, dass man am nächsten Montag damit Unterricht machen kann.
Dass so wenig Lehrerinnen und Lehrer in Dresden waren, ist schade. Woran könnte das gelegen haben? Eine Kunstlehrerin aus NRW, die trotz Herbstferien nicht nach Dresden gefahren war, meinte: Der Auftritt der BuKo-Initiative etwa im Internet sei ihr einfach zu „verklausuliert“ vorgekommen.

Tragik: unfreiwillige Gemeinsamkeit der Kongresse in Düsseldorf und Dresden
Der BuKo2010-12 sollte auch im Zusammenhang mit den Querelen des Vorgängerkongresses gesehen werden (siehe BDK-Mitteilungen, Heft 1/2010) – aber dieser BuKo hat es nicht verdient, allein als Gegenveranstaltung verstanden zu werden. Der Abschluss in Dresden war nur ein Teil des BuKos, die anderen Parts sind nicht zu vergessen – und in der Programmatik der Initiativgruppe wahrscheinlich sogar wichtiger einzuschätzen als das Happy-End in Sachsens Elbflorenz. Trotzdem ist der Abschluss-Part wichtig für die öffentliche Wahrnehmung der ganzen Veranstaltungsreihe des BuKo; das Finale ist wahrscheinlich auch deshalb konzipiert worden, um in der Fachwelt prägnant sichtbar zu werden.
Die Bundeskongresse in Düsseldorf (2009) und Dresden (2012) haben gemeinsam, dass beide in gewisser Weise programmatisch versuchten, die Ganzheit der Kunstpädagogik in den Blick zu bekommen: In Düsseldorf beabsichtigte man wohl, eine orientierende Mitte des Faches zu definieren; Hubert Sowa etwa wollte (und will bis heute wohl immer noch) einigen in seinen Augen obskuren kunstpädagogischen Abschweifungen Einhalt gebieten (vgl. BuKoTagungsband 02, S. 233-234). Nach den Erfahrungen in Düsseldorf sollte mit der BuKo-Staffette, also verschiedenen „Parts“ inklusive dem Schlussakt in Dresden, hingegen eine diskursive Fülle ermöglicht werden: Die Veranstaltungsreihe hat versucht, dezentral möglichst an vielen Stellen zu sein, eine Vielstimmigkeit zu kultivieren, um so eine Ganzheit zu erfassen bzw. zu bilden: „Das Konzept des Kongresses ist in seinem Anliegen zugleich regional und überregional, fachspezifisch und interdisziplinär, zielgruppenorientiert und breitenwirksam, institutionell verankert und institutionsübergreifend.“ (erster Satz des Programmzettels)
Aber beide Versuche, die Komplexität der Ganzheit der kunstpädagogischen Welt in den Griff zu bekommen, wurden in gewisser Weise durch die kunstpädagogische Community durchkreuzt; das muss für die beiden Veranstalter-Teams sicher vergleichbar traumatisch erlebt worden sein: In Düsseldorf gab es nicht nur einige Buhrufe (live und online), sondern vor allem gründete sich die BuKo12-Initiative. Beim BuKo12 dagegen wurde klassisch passiver Widerstand geleistet: nämlich durch einen (hoffentlich) unabgesprochenen, aber eben habituell tief verankerten Antrieb zum Boykott des Besuchs des BuKos in akademischen Kreisen (aus Ablehnung des dauernden Wandels?). Akademische Akteure begründen ihr Fernbleiben wahrscheinlich mit der Behauptung der Absehbarkeit der mangelnden Qualität der Veranstaltung, oder dass die Themen uninteressant gewesen seien und und und. Kurz: Man spricht von außerhalb dem BuKo Geltungsanspruch und Deutungshoheit ab. Dahinter stecken ganz offensichtlich massive Rangeleien um die Diskurshoheit.

Produktivität des Dazwischen
Wenn man polemisch die Gegenüberstellung altes Lernen – neues Lernen aus dem Vortrag von Lisa Rosa auf das Tagungsformat übertragen wollte, könnte man polarisieren: In Düsseldorf ging es um die Hoffnung auf klärende „Orientierung“, in Dresden um komplex vielstimmige „Partizipation“. In Düsseldorf sahen die Veranstaltenden die Kunstpädagogik auf Irrwegen, man wollte für die Zukunft die Richtung weisen. Die „Generation BuKo“ sieht dagegen vor allem die Vorteile von Vielstimmigkeit, Vorläufigkeit, Über-Komplexität. Die BuKo-Aktivisten betonen die Gegenwart, die Aktivierung aller, das Ergreifen der Teilhabe; dafür verflüssigten sie das Tagungsformat, räumlich wie zeitlich wie personell – viele kleine Teil-Veranstaltungen anstatt einer einzigen Großkonferenz. Das Erleben von in sich geschlossenen Ganzheiten und Systemen ist ihnen völlig fremd. Und, ganz zentral: Die Gegenbehauptung der eigenen Setzungen wurden im Dresdner BuKo nicht nur zugelassen, sondern sogar unterstützt – man denke an die Beiträge von Maike Aden („Das Mantra Partizipation“), von Billmayer und von Kettel. Deshalb können die zwölf BuKo-Veranstaltenden einen Begriff wie „Orientierung“ nicht in den Mund nehmen, misstrauen diesem Begriff förmlich. Die Erfahrung von Einheit im Erleben von (kunstpädagogischer) Welt ist ihnen fremd, deshalb werden Beziehungen und Relationen immer wichtiger: Sie erhoffen sich eine „Produktivität des Dazwischen“, wie von Kerstin Asmussen schon 2010 ersehnt (Kerstin Asmussen: Und was sagt der Nachwuchs? In: BDK-Mitteilungen, Heft 1/2010, S. 9).

Letztlich hat sich in Dresden und wohl auch mit der BuKo-Reihe eine Menge von dem erfüllt, was Asmussen 2010 formuliert hatte: „Ich wünsche mir Vielfalt und mehrdimensionale Kommunikationsstrukturen. […] vielleicht wäre es möglich, den Bundeskongress der Kunstpädagogik weniger zentriert bzw. alleinstehend zu betrachten. Ich glaube, es ist wichtig, das Augenmerk zukünftig mehr auf die Nebenschauplätze des Diskurses zu lenken: Auf die Flurgespräche […] Impulsgebend wäre meines Erachtens ein Weiterdenken des Vorgestellten im Austausch zwischen den Generationen, ein Blick über den Tellerrand oder die Einbeziehung anderer fachlichen(r) Disziplinen.“ (Kerstin Asmussen: Und was sagt der Nachwuchs? In: BDK-Mitteilungen, Heft 1/2010, S. 8)

Und was bleibt inhaltlich? Die Aktualität der „Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen“ von Friedrich Schiller wurde natürlich nicht geklärt, aber: Zentrale zeitgenössische Erfahrungen vermitteln sich gerade auch oft in kommunikativen Umgangsformen: 2012 eben mit Heterogenität und Vielstimmigkeit, Gleichzeitigkeiten des Diskursiven, neuen Medien. Daher sollte es der Fach-Community zukünftig ein größeres Anliegen sein, stärker Bezüge zur schulischen Praxis oder kulturellen Bildung herzustellen.
Wie der BuKo2010-2012 aus größerem Abstand zu bewerten ist, wird die Rezeption zeigen: Wenn der nächste Bundeskongress nach alten Mustern (so wahrscheinlich der Jargon der aktuellen Aktivisten) organisiert wird, wird dieser Bundeskongress 2010-2012 nur eine Fußnote in der bundesrepublikanischen Kunstpädagogik bleiben. Da nützt auch die „Voodoovokabel Partizipation“ (Maike Aden) nicht weiter. Wenn aber in Salzburg, dem verabredeten, wahrscheinlich nächsten Kongressort, Ideen und Spirit des BuKo12 aufgegriffen oder wenigstens sehr prominent vermisst werden, wird die BuKo-Reihe legendär werden und man wird sich lange ärgern, nicht dabei gewesen zu sein.

Weitere Berichte, Kommentare, BuKo-Veröffentlichungen (Auswahl, siehe auch www.kunst-paedagogik-partizipation.de und www.buko12.de):
– Aden, Maike: Das Mantra Partizipation (Download unter: www.maikeaden.com/home/fokus/)
– Branca, Claudia: Jetzt macht mal Partizipation! Tagungsbericht (im Erscheinen: BDK-Rundschreiben Rheinland-Pfalz, Frühjahr 2013)
– Brenne, Andreas/Sabisch, Andrea/Schnurr, Ansgar (Hrsg.): Revisit: # teilhaben # kooperieren # transformieren (Buch 02 der Reihe Kunst Pädagogik). München (kopaed) 2012
– Frollein Motte: Ein Kommentar zum Bundeskongress Kunst.Pädagogik.Partizipation in Desden (http://frolleinmotte.blogspot.de/2012/10/ein-kommentar-zum-bundeskongress.html)
– Fütterer, Werner: kunst.pädagogik.partizipation (www.bdk-online.info/blog/2012/10/23/4-bdk-forschungstag-buko12)
– Hausmann, Robert: Über BuKo12 (http://realraum.wordpress.com/2012/10/24/uber-buko12)
– Heil, Christine/Kolb, Gila/Meyer, Torsten (Hrsg.): Shift: # Globalisierung # Medienkulturen # Aktuelle Kunst (Buch 01 der Reihe Kunst Pädagogik Partizipation). München (kopaed) 2012

Grütjen, Jörg (Jg. 1967), Dr. ist OStR an einer Gesamtschule in Kamp-Lintfort sowie Lehrbeauftragter an der Universität Duisburg-Essen, E-Mail: JoergGruetjen@t-online.de

Krell, Cynthia (Jg. 1978), derzeit Doktorandin, freie Kunstvermittlerin und Kunstkritikerin. Promotionsvorhaben über die Kunstvermittlung und kuratorische Praxis im Biennale-Kontext. E-Mail: cynthia_krell@gmx.de

]]>
http://www.buko12.de/2012/12/30/kongressbericht/feed/ 1
Buch02: revisit. Kunstpädagogische Handlungsfelder http://www.buko12.de/2012/10/10/buch02-revisit-kunstpadagogische-handlungsfelder/ http://www.buko12.de/2012/10/10/buch02-revisit-kunstpadagogische-handlungsfelder/#respond Wed, 10 Oct 2012 13:52:53 +0000 http://www.buko12.de/?p=2303

Das zweite Buch der Schriftenreihe „Kunst Pädagogik Partizipation“, die den BuKo12 dokumentiert, wird in Kürze erscheinen. Das Buch kann in limitierter Anzahl zum Subskriptionspreis von 9,- € beim Kongress in Dresden erworben werden.

Andreas Brenne / Andrea Sabisch / Ansgar Schnurr (Hrsg.)
revisit. Kunstpädagogische Handlungsfelder #teilhaben #kooperieren #transformieren
Schriftenreihe Kunst Pädagogik Partizipation: Buch 02
München 2012

In diesem Buch werden kunstpädagogische Handlungsfelder unter sich wandelnden Vorzeichen betrachtet. Neue Perspektiven ergeben sich, indem aktuelle Fragen des Faches nach Schul- und Unterrichtsentwicklung, Orientierung im Sozialraum und gesellschaftlich-kultureller Vielfalt auf Formen und Theorien der Partizipation bezogen werden. Teilhabe und Zugehörigkeit erweisen sich gleichermaßen als Anspruch wie als Herausforderung für die gegenwärtige und zukünftige Ausrichtung der Kunstpädagogik.

Worin genau besteht eine Teilnahme, Teilhabe oder Kooperation in Unterricht, Lehrerbildung und in Projekten kultureller Bildung? Wer entscheidet, organisiert und kontrolliert die Regeln der jeweiligen Zugehörigkeit innerhalb und außerhalb der Institutionen? Wie lassen sie sich verändern? In welchem Verhältnis stehen Teilhabe und Chancengleichheit? Gibt es einen Ort, von dem aus man verhandeln kann, wer in einer pluralen, interkulturellen Gesellschaft woran teilhaben soll?

revisit lautet der Titel des zweiten Bandes der Reihe „Kunst Pädagogik Partizipation“, die den Gesamtprozess des Buko12 (Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010-2012) repräsentiert. Er betont das erneute Überdenken und exemplarische Weiterentwickeln kunstpädagogischen Lehrens und Lernens mit dem Fokus auf vier kunstpädagogische Handlungsfeldern: Expeditionen Ästhetische Bildung, Partizipatorische Kunstpädagogik in der Grundschule, Sozialraumorientierung im Ganztag, Interkultur – Globalität – Diversity.

Info und Bestellung

]]>
http://www.buko12.de/2012/10/10/buch02-revisit-kunstpadagogische-handlungsfelder/feed/ 0
Buch01: Shift – zum Subskriptionspreis http://www.buko12.de/2012/08/11/buch01-shift-zum-subskriptionspreis/ http://www.buko12.de/2012/08/11/buch01-shift-zum-subskriptionspreis/#respond Sat, 11 Aug 2012 16:03:51 +0000 http://www.buko12.de/?p=2289

Das erste Buch der Schriftenreihe „Kunst Pädagogik Partizipation“, die den BuKo12 dokumentiert, wird in Kürze erscheinen. Das Buch kann in limitierter Anzahl zum Subskriptionspreis von 9,- € ab sofort bestellt werden.

Info und Bestellung

]]>
http://www.buko12.de/2012/08/11/buch01-shift-zum-subskriptionspreis/feed/ 0
Tagungsbericht BuKo12 Part08 http://www.buko12.de/2012/06/11/tagungsbericht-buko12-part08/ http://www.buko12.de/2012/06/11/tagungsbericht-buko12-part08/#respond Mon, 11 Jun 2012 10:14:23 +0000 http://www.buko12.de/?p=2206 BuKo12 Part08 – „Interkultur. Kunstpädagogik remixed“
Eindrücke vom Kongress in Nürnberg im April 2012

„Stellen Sie sich vor, eine junge Frau aus Istanbul studiert in Boston deutsche Kultur und setzt sich dort mit den Filmen von Fatih Akin auseinander… Was passiert in einer solchen Konstellation? Rezipiert eine Türkin deutsche Kultur?“ (Paul Mecheril auf dem Kongress)
„Was muss passieren, damit die Mehrheit den Begriff ‚deutsch‘ nicht mehr über Abstammung, sondern über den Lebensmittelpunkt definiert?“ (Frage einer Kongressteilnehmerin)
„Ich bin jemand, der den Begriff ‚Integration‘ überhaupt nicht mehr verwendet. Er wird in unserer Öffentlichkeit so schrecklich verwendet, dass ich ihn nicht mehr verwende. (…) Es geht darum, dass wir kulturelle Vielfalt leben lernen.“ (Rolf Witte auf dem Kongress)

Es war ein Kongress, der von vielen Fragen und der Suche nach ersten Antworten geprägt war: Wie können Lernchancen im Bereich des Bildlichen für alle Kinder und Jugendlichen erschlossen, gewahrt und ausgeweitet werden? Wie können ästhetisch basierte Prozesse der Identitätsentwicklung in unserer Einwanderungsgesellschaft initiiert und die Potenziale von Migration in kunstpädagogischer Arbeit genutzt werden? Diese und ähnliche Fragen an den Schnittpunkten von Interkultur und Kunstpädagogik standen im Zentrum des dreitägigen Kongresses in Nürnberg, der von Barbara Lutz-Sterzenbach (BDK Bayern), Ansgar Schnurr (Technische Universität Dortmund) und Ernst Wagner (UNESCO-Lehrstuhl Kulturelle Bildung, Universität Erlangen-Nürnberg) organisiert wurde. Der Kongress war der achte „Part“ in einer Reihe von Veranstaltungen im Rahmen des Bundeskongresses 2010–2012, der vom 19-21.10. in Dresden seinen Abschluss finden wird.

In Nürnberg war es das Ziel, „gemeinsam zu Ideen zu kommen, für die Theorie und Praxis“, so die Veranstalterin Barbara Lutz-Sterzenbach. Die Erfahrungen aller Teilnehmenden sollten dezidiert eine Rolle spielen und in das vor Ort gemeinsam erstellte „Nürnberg-Papier“ einfließen.

„Ist das Fach Kunst im interkulturellen Bildkontext gut aufgestellt?“ fragte Clemens Höxter (Bundesvorsitzender des BDK) gleich zu Anfang in seinem Grußwort. Er erörterte auch, ob einige der in der Praxis anzutreffenden Verfahren und Methoden Interkultureller Pädagogik möglicherweise sogar dazu beitragen, den Status Quo der Diskriminierung und strukturellen Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund nicht etwa zu überwinden, sondern vielmehr zu festigen. Es sei nicht leicht, so Höxter, dem Anspruch Interkultureller Pädagogik jenseits von Folklore und Mandalas gerecht zu werden.

Veranstalter Ansgar Schnurr (Technische Universität Dortmund) erläuterte den titelgebenden Begriff des Remix, eine Durchmischung und Neuordnung: Einerseits solle es um die Subjekte und Lerngruppen in Bildungszusammenhängen gehen, so Schnurr. Hier sind vermischende Neuordnungen in Lebenswelt und Gesellschaft im Zuge von Migrationsbewegungen und globalen Ausdifferenzierungen relevant. Andererseits bezeichnet Remix die sich durch Migrationsbewegungen und Globalisierung neu organisierenden Bildwelten, mit denen Kunstpädagogik arbeitet. Schließlich soll Remix auch die Kunstpädagogik und das professionelle Denken einschließen: Vorstellungen und Handlungspraxen im Zusammenhang mit Migration und Globalität werden durchmischt und produktive Neuordnungen angestoßen.

Bestandsaufnahme

Am ersten Tag erfolgte eine Bestandsaufnahme: Von welcher Situation müssen wir eigentlich ausgehen? Mit welchen Begriffen sprechen wir über die jetzige Situation? Forschungsergebnisse und Erhebungen wurden referiert. Immer wieder spielte in den Redebeiträgen und Diskussionen reflexiv unsere Sprache eine Rolle: Wie sprechen wir über Migration, über Menschen mit Migrationshintergrund, über Kultur? Mit welchem Kulturbegriff arbeiten wir überhaupt? Welche Rolle spielen Stereotypen und somit auch mögliche Stigmatisierungen? Werden wir vielleicht Menschen irgendwann nicht mehr über ihre Herkunft thematisieren? Wird Kultur und Gesellschaft so pluralisiert und fragmentiert, dass große Sinnsysteme keine Gemeinsamkeit mehr stiften? Wie verändern sich kulturelle Praktiken durch Migrationserfahrung? Kann Kunst einen Beitrag zu mehr Integration leisten? Wie schafft sie das?

Der Psychologe Paul Mecheril (Universität Oldenburg) zog sein Fazit gleich zu Anfang seines Vortrags und betonte das Vergnügen, das für ihn darin bestehe, die Wahrnehmung der Wahrnehmung von Unterschieden zu ermöglichen und zu reflektieren. Er wolle „Wahrnehmungsordnungen ironisieren“ und hätte „Sympathie für das „Außerordentliche“ (jenes, das sich dem Ordnenden nicht gleich fügt – freilich von ihm hervorgebracht wird)“. Kunstpädagogen gewinnen kein Alleinstellungsmerkmal, so Mecheril, wenn sie sich mit dem Thema Migration beschäftigen, denn das tun viele – aber eben noch nicht so lange. Durch Migration entstehen neue Räume – es wird zunehmend schwieriger von „deutscher Kultur“ zu sprechen, die Veränderungen sind schnell und Kultur ein dynamischer Prozess.

Der inhaltlich dichte Tag endete mit einer Theateraufführung von Nürnberger Schülerinnen und Schülern und einer Performance-Lecture der Münchner Kammerspiele – hier wurde Interkulturalität praktiziert und theatral diskutiert.

Kerngeschäft

Am zweiten Tag ging es um „das Kerngeschäft“, die schulische und außerschulische Kunstpädagogik. In diversen Workshops wurden schulimmanente Projekte vorgestellt wie auch Kooperationen zwischen Künstlern, Kultureinrichtungen, Bildungseinrichtungen und Schulen. Die Bandbreite reichte von Lernen anhand traditionellen türkischen Schattentheaters zu einem Projektseminar über muslimisches Leben in Nürnberg; von einer fotografischen Auseinandersetzung von Hauptschülern mit dem Begriff „Heimat“ bis hin zu nonverbalen Vermittlungsmethoden im Museum, um Sprachbarrieren zu überwinden. Ziel der Workshops war auch, Thesen zu interkultureller Kunstpädagogik zu formulieren: als Diskussionsgrundlage für den dritten Tag.

Der Kunstpädagoge Ernst Rebel (Ludwig-Maximilians-Universität München) gab am Vormittag einen Überblick über die Vorgeschichte der interkulturellen Kunstpädagogik in Deutschland (1900-2000) und wies darauf hin, dass eine Interkulturelle Kunstpädagogik mehr sein müsse, als eine Thematisierung des Fremden – ein bloßer Differenzverweis reiche nicht aus. Ließe sich Interkulturelle Kunstpädagogik als neues Unterrichtsprinzip verstehen? Ließe sich eine dialogische Praxis, eine gleichberechtigte Teilhabe, in Bildungspraxis verankern? Wichtig sei es, so Rebel, die Differenzen nicht einzuebnen, also immer Wegbarkeiten zwischen Kontakt und Konflikt zu schaffen. Irritationen und Spannungen müssten ausgehalten werden und Umgangsweisen müssten auf wechselseitigen Respekt zielen.

Birgit Dorner (Katholische Stiftungsfachhochschule München) fragte in ihrem Vortrag: Was machen wir eigentlich in unserer kunstpädagogischen Arbeit sichtbar? Sie nannte als eine Leitlinie für Interkulturelle Kunstpädagogik: Kunstpädagogen werden aufgefordert, bei der Betrachtung von Bildwerken den Fokus auf den soziokulturellen Kontext zu richten – in welchem System ist ein Objekt entstanden? In welchem System sind unsere Beurteilungskriterien entstanden? Für Lehrende sei das Erkunden fremder Welten – nicht mit Distanz, sondern als eine „liebevolle Weltwanderung“ (Dorner) – immer mit dem Blick auf sich selbst zurück verbunden.

Im Vortrag von Rolf Witte (Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, BKJ) wurden konkrete Ziele einer möglichen Interkulturellen Kunstpädagogik genannt, z.B. die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und Prägung, Sensibilisierung für gesellschaftliche Vielfalt, Wahrnehmung von Diskriminierung, Stärkung solidarischen Handelns und Förderung der Partizipation von Minderheiten. Aber es gebe auch Stolpersteine, so Witte: Folklore oder Verfremdung kultureller Handlungsweisen gelte es zu vermeiden. Vorurteile und Stereotypen müssten bewusst gemacht und Differenzierungen aufgezeigt werden.

In einer Podiumsdiskussion am Nachmittag mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Bereichen Sport, Kunst, Musik und Theater wurde deutlich, wie unterschiedlich die Ansätze in den ästhetischen Fächern sind – und wie doch alle das Potenzial in der Vielfalt sehen: Im Fremden das Eigene aufdecken, verstehen und relativieren. Ein genussvoller Abend mit internationalem Buffet, Modenschau und Tanz bildete den Abschluss dieses anregenden und dichten Tages.

Nürnberg-Papier

Das nächtliche Arbeiten am Nürnberg-Papier führte zur Vorlage erster Thesen am dritten Tag. Allen zugänglich gemacht konnten sie Eingang in Fragen und Statements auf dem Podium und im Publikum finden. Deutlich wurde, dass ein Weiterdenken und Weiterarbeiten notwendig ist, dass der Kongress jedoch ein Anfang war. Max Fuchs (Deutscher Kulturrat) betonte, dass ästhetische Bildung als Grundprinzip von Schule begriffen werden solle, dass Kunst in der Schule durchgängiges Prinzip für die Gestaltung einer neuen Schule sei, nicht nur guter Kunstunterricht.

Wieder wurden Fragen gestellt: Was kann Kunst, was kann Kultur eigentlich bewirken? Wie schaffen wir es, dass das Thema Interkultur die parteipolitische Bühne verlässt und auf der Ebene der Menschen ankommt? Wie gehen wir mit unterschiedlichen Bildsprachen um? Wie erreichen wir die Menschen in ihrem speziellen Umfeld? Welche Visionen brauchen wir?

Der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani zeigte am Ende der drei Tage in einer bemerkenswerten Lesung aus seinen Bildansichten christlicher Kunst, wie universell Bildsprache über die Grenzen von Herkunft, Nation oder Religion hinaus wirkt und wie präzise und doch poetisch Sprache in der Beschreibung ästhetischer Erfahrungen sein kann.

Ausblick

Die Nürnberger Tagung war insgesamt reich an Impulsen und Praxisbeispielen, wie Arbeit an den Schnittstellen unterschiedlicher Kulturen, wie kunstpädagogische Praxis mit einer Vielfalt von Bildwelten und kulturellen Hintergründen gelingen kann. Jetzt gilt es, weiterzudenken, Projekte zu entwickeln und durchzuführen – und den Diskurs beim BuKo-Abschlusskongress in Dresden fortzusetzen. Das Nürnberg-Papier finden Sie hier: Part08_Nuernberg-Paper_22042012.

 

Autorin: Sara Burkhardt
Fotos: Roland Baege

 

]]>
http://www.buko12.de/2012/06/11/tagungsbericht-buko12-part08/feed/ 0
Tagungsbericht BuKo12 Part04 http://www.buko12.de/2012/02/07/tagungsbericht-buko12-part04/ http://www.buko12.de/2012/02/07/tagungsbericht-buko12-part04/#comments Tue, 07 Feb 2012 15:36:55 +0000 http://www.buko12.de/?p=1680 Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010-12, Part04 – Hedo-Camp meets global art am ZKM

BuKo12/part04 schlägt die Zelte im ZKM auf

Vom 20. bis 21. Januar 2012 schlugen die Initiatorinnen des BuKo12-Part04 Prof. Dr. Christine Heil (Kunsthochschule Mainz) und Dr. Jutta Zaremba (Universität Flensburg) ihre virtuellen Zelte im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnolgie (ZKM) auf und mit ihnen ca. 50 TeilnehmerInnen, die aus ganz Deutschland angereist waren. Zwei Tage lang wurde gelagert, geschaut, diskutiert, auf unterschiedlichsten Kanälen kommuniziert und damit das ZKM auf vielfältige Weise angeeignet und durchkreuzt. Das freie Campen im fremden Gefilde wurde vom Team der Kunstvermittlung, Janine Burger, Leiterin der Abteilung Medienkommunikation, Carolin Knebel und Banu Beyer, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des ZKM, sowie Philipp Sack, mit großer Gastfreundschaft und allem nur erdenklichen Support unterstützt und begleitet.

Zentrales Forschungsfeld bildete die aktuelle Ausstellung The Global Contemporary. Kunstwelten nach 1989, in der es Werke von über 100 KünstlerInnen aus 5 Kontinenten zu sehen gab, sowie die Kunstvermittlung als integraler Bestandteil des kuratorischen Konzeptes. Damit war kein kleiner Referenzrahmen gesteckt, in dem sich das Beziehungsgeflecht Hedonismus in Medien/Kunst/Pädagogik entwickeln sollte. #Hedonismus als Spannungsbogen zwischen den Polaritäten Freude, Glück, Vergnügen einerseits sowie Unlust, Stress, Leid andererseits wurde bereits im Vorfeld der Tagung im Diskussionsforum mixxt lanciert und hedonistische Aspekte als wesentliche Bestandteile von künstlerischen, kreativen und vermittelnden Prozesse benannt. Und so lief die Begrifflichkeit wie eine Art Hypertext durch die BuKo-Veranstaltung, die in unterschiedlichen Intensitäten und Dimensionen immer wieder mit verhandelt wurde. Spaß und Lust waren damit nicht nur zentrale theoretische Inhalte, über die man sich austauschte. Lustvoll gestaltete sich auch das gewählte Format „BarCamp“: keine Frontalvorträge, keine hierarchische Organisation, keine vorprogrammierten Inhalte, sondern aktive Beteiligung aller Beteiligten, Selbstorganisation, Mitbestimmung und Mitgestaltung und das durchaus nach dem Lust-/Unlustprinzip: Trifft ein Vorschlag auf Zustimmung, wird er verwirklicht, andernfalls nicht.

In der Wahl dieses partizipativen und offenen Formats wurde ein zeitgemäßer Umgang nicht nur für die Wissensproduktion während eines Kongress erprobt, sondern analog auch für eine Kunstvermittlung, die sich von der reinen Kunstwerk-Vermittlung oder der Aneignung überprüfbaren Wissens entfernt und in der Begegnung mit Kunst auf aktive Beteiligung sowie eigene Handlungs- und Erfahrungsräume setzt. Insofern fand das Ausloten des Hedonismus in den künstlerischen Arbeiten wie auch in der Kunstvermittlung im Experimentieren während des Camps seinen Resonanzraum.

Hedo-location

Das ZKM war die kongeniale Location für das Hedo-camp. Seit 1999 befindet es sich im Gebäude der ehemaligen Waffen- und Munitionsfabrik der IWKA (1918 erbaut) und funktioniert als hybrides Konglomerat unterschiedlicher Institutionen, Disziplinen und Funktionen. Es ist Ort der Produktion, Forschung, Aufführung, Vermittlung und Dokumentation für traditionelle Künste und Medientechnologie. Der 312 Meter lange Hallenbau durch 10 Lichthöfe strukturiert, ist Spiegel einer multifunktionalen Raumauffassung, in der Menschen und Daten, Netz und Welt sicht- und fühlbar ineinander verwoben sind. Im Durchschreiten des Gebäudes entsteht der Eindruck, dass hier zumindest der Versuch wirksam ist, verschiedene Funktionen, Bildwelten und Situationen gleichwertig nebeneinander zu stellen. Immer wieder scheinen die Schnittstellen zwischen den Disziplinen und Feldern, zwischen dem Realen und dem Virtuellen auf. Der #critical art walk führt später auch hinter die Kulissen und ins Innere des riesigen Schiffs und man ahnt während der Führung auf den langen Wegen, dass Kommunikation und Kooperation zwischen #Institutionen und Disziplinen nicht immer reibungs- und hierarchielos von statten geht. Resümee: „Architektur kann töten und gebären.“

Hedo-spaces

Im ZKM standen dem camp Räume mit unterschiedlichem Aktionspotenzial und Sichtbarkeiten zur Verfügung: Vortragssaal, zwei Seminarräume, Multifunktionsraum, Studio und Musikbalkon, in denen Inhalte und Informationen erstellt, gesammelt, ausgewählt, verknüpft, wieder aufgenommen und verteilt werden konnten. Nicht zu vergessen: die Kaffeebar, die bis auf wenige Momente vorbildlich bestückt war. Besonders der Musikbalkon und das #Studio wurden zu Pinnwand, Archiv und #mindmap mit Möglichkeiten für Kommentar, Interview, Diskussion, Präsentation und Lager. Die Unterschiedlichkeit machte umso deutlicher, wie Raumsituationen, Atmosphären und Tools Kommunikation und aktive Auseinandersetzung beeinflussen und befördern können.

Hedo-formats

Das Hedo-Camp verzichtete durchgehend auf die gängige Form einer Konferenz, sondern bot – wie beim Unkonferenzformat des BarCamp üblich – unterschiedliche Möglichkeiten der Partizipation: speed-Hedo, Hedo-sessions, Hedo-affects, Hedo-pool usw., mittels derer neue Formen des Austauschs, des Lernens und Vernetzens hin zur Selbststeuerung und konnektivem Wissen angestrebt wurden. Die Idee dabei ist, dass jeder Teil eine eigene experimentelle Situation darstellt, im darauf folgenden Teil werden Inhalte destilliert und feinjustiert. So entscheidet die gemeinschaftliche Diskussion, was verworfen oder übernommen werden soll und in welche Richtungen weitergegangen wird. Durch das Tool #eduPad können parallel stattfindende Sessions untereinander schriftlich kommunizieren.

Hedo-transfer

Partizipative Prozesse ziehen veränderte Kommunikationsbedürfnisse nach sich. Wenn Gedanken und Wissen kollektiv und parallel in verschiedenen Arbeitsgruppen produziert werden, wird eine entsprechende Infrastruktur wichtig, die Transfer und Dokumentation sicherstellt. Die Technikausstattung war daher ausgesprochen vielseitig und reichte von der archaischen Tafel und Papier für mindmaps über Videobox und Beamer bis iPad und eduPad, einem Worddokument, das kollektiv bearbeitet werden kann. Ein Kamerateam begleitete den Verlauf des zwei-tägigen Camps und forderte einzelne TeilnehmerInnen zu individuellen Statements auf. Die Videobox bot ebenfalls die Möglichkeit zu persönlichen Botschaften: Reinsetzen und sagen, was Sache ist! Das war das Anliegen der Initiatorinnen: Jede session soll eine Message transportieren.

speed-Hedo

Anfangskatalysator war das speed-Hedo und die Frage, wie man der über 2000-jährigen philosophischen Figur Hedonismus ohne Vortrag und SpezialistIn Kontur verleiht. Dazu teilten sich die TeilnehmerInnen in Gruppen, um an fünf Stationen in ca. acht Minuten kurze Exzerpte zur historischen und philosophischen Genese des Begriffs zu lesen und zu kommentieren. Jeweils eine TeilnehmerIn wechselte nicht, sondern moderierte die Gruppen, die sich mit folgenden Positionen befassten:

  • Aristippos von Kyrene – Ursprünge des Hedonismus
  • Hedonistische Internationale – http://hedonist-international.org
  • Bernulf Kanitschneider –  Aufgeklärter Hedonismus
  • Jeremy Bentham –  Hedonistisches Kalkül
  • Henry Sidwick –  universeller Hedonismus
  • Slavoj Žižek –  ästhetischer Hedonismus
  • Pier Paolo Pasolini –  Zwangshedonismus

Der schlaglichtartige, etwas einseitig maskulin abendländische Input von der Antike bis zur Gegenwart rief lebhafte Diskussionen, aber auch Bemerkungen zu Lust und Last des „Selbstregierens“ hervor. Denn das inhaltliche Schwergewicht stand in Kontrast zum vorgegebenen Stakkato des Formats. Und auch wenn ExpertInnen unterschiedlicher Felder anwesend waren, die sich aktiv einmischten, konnten die Debatten über kleine Blitzlichter nicht hinausgehen. Dies spiegelte sich auch in den daraus erwachsenden mindmaps. Jede Gruppe hinterließ auf den ausgelegten Papieren Gedanken, Ideen und Kommentare, an denen die jeweils nachfolgende Gruppe weiter schrieb:

mindmaps
Glück = Berechnung des Folgeleids / pessimistischer Spaß, subversiver Spaß / Ästhetik bedingt Hedonismus / Ästhetische Produktion und Rezeption ohne Hedonismus nicht möglich / lächelnde Selbstreflexion – sich nicht so wichtig nehmen / Utilitarismus / Beteiligung als Quelle von Selbstzufriedenheit / Hedonismus des Betrachters/ Selbstermächtigung / intellektueller, sinnlicher, partizipativer Hedonismus / Wie funktioniert der Mensch? Ich im Zentrum des Gemeinwesens / Wie gelange ich zu einem optimierten Zustand? Erstrebenswert / De Sade? / Leidenschaft / Kollektive Wunschproduktion / Selbstregulierung / Maßlos / Sublimation / Das Unbehagen in der Kultur / Solidarische Auffassung

Der Erkenntnisgewinn des speed-Hedo blieb zunächst etwas unbefriedigend, auch weil man sich fragte, wie nun der Bezug zur Ausstellung herzustellen sei. Im Verlauf der Veranstaltung bei den unterschiedlichen Denk- und Aktionsprozessen blitze jedoch mitunter hier und da mal ein Satz etwa žižekscher Provinienz auf, aber auch das Tag „Kekse!“ (kein Spaß mit leerem Magen), ebenfalls ein Eintrag auf einer der mindmaps, fand immer wieder sein Echo während der beiden Camp-Tage.

love/hate-Rundgang

Der zweite Input in der Veranstaltung war die Aufforderung, beim folgenden, individuellen Ausstellungsrundgang zwei Zettel an den Kunstwerken zu platzieren, auf denen jeweils ein Begriff stand: love bzw. hate und dabei ohne Überlegung dem ersten Affekt der Zu- oder Abneigung zu folgen. Ähnlich wie beim mindmap davor erzeugte diese Methode ein unmittelbares Stimmungsbild (hier fand jemand etwas toll, hier nicht), bildete aber auch ein Kommunikationstool, das die eigene Reflektion und Urteilsfindung ankurbelte.

hate türmte sich z.B. vor der Arbeit „Wang Bin Torture in Commercial Quality, High Quality and Museum Quality“ (2010) von Ondreij Brody & Kristofer Pateau. Das Künstlerduo hat von einem anonymen chinesischen Auftragsmaler die Fotografie eines zu Tode gefolterten Anhängers der in China verbotenen Falun-Gong-Religion als Ölgemälde in drei Qualitätsstufen (kommerziell, hohe und museale Qualität) reproduzieren lassen. Im anschließenden Gespräch beim Rundgang zeigte sich, dass das impulsive Ablehnen dieser Arbeit von vielen aus der fast unerträglichen Spannung der thematisierten Kunstmarktmechanismen und dem dokumentierten Einzelschicksal eines zu Tode gefolterten Menschen entstand. Die Verschmelzung von Bildern der Massenmedien und der Kunst bringt offensichtlich die im Zuge der Moderne festgeschriebenen Wertmaßstäbe wie Relevanz, künstlerische Intention, Einzigartigkeit, Schönheit und Autorenschaft zum Kippen. Dies zwingt uns als BetrachterInnen in die uneindeutig-schmerzhafte Position zwischen Genuss an der Malerei und totaler Ablehnung im Umgang mit dem Sujet. Als VermittlerIn ist man außerdem mit der Angst konfrontiert, mit den Emotionen und Reaktionen der BesucherInnen nicht angemessen umgehen zu können.

love hingegen erhielt z.B. Meschac Gaba mit seinen 30 Perücken aus geflochtenem Kunsthaar (Musée de l’art de la Vie Active, 2010/11), die universal verständliche Symboliken von historischen Figuren der globalen Geschichte wie z.B. Martin Luther King, Kwame Nkrumah, Jeanne d’Arc, Fela Kuti, Pierre und Marie Curie oder König Guézo von Dahomey darstellen. Viel love erntete auch Halil Altindere mit einer Fotografie, die ihre traditionell gekleidete Mutter bei der Lektüre eines Buchs über Pop Art zeigt „My Mother likes Pop Art because Pop Art is Colorful (1998)“. Beide Arbeiten, die sich vordergründig farbenfroh, leicht und harmlos präsentieren, beziehen ihren Reiz jedoch aus der durchaus hintergründigen Ironie und Kritik am westlich zentrierten Blick der Moderne mit ihren Stereotypen, Klischees und einseitigen Perspektiven, was den spielerischen Genuss der Arbeiten begründete.

Viele TeilnehmerInnen stimmten zu, dass es nicht einfach war, dem ersten Impuls nachzugeben und man sich durchaus beim Platzieren/Bewerten beobachtet gefühlt hat: „Intuitives Bewerten (Hedonismus des Bewertens) macht Spaß, solange es anonym bleibt!“ Während man dann aber plötzlich love an vielen Stellen hätte fallen lassen mögen, „Ich hätte noch viel mehr Liebe verteilen können“, wollte sich hate kaum platzieren lassen. Offensichtlich wollen wir lieber loben als ablehnen, denn hate scheint um einiges mehr an Reflektion und Rechfertigung zu erfordern. Teilweise waren love und hate aber auch zusammen an einem Kunstwerk zu sehen, so z.B. bei Stephanie Syjuco, die mit ihrem Projekt „The Counterfeit Crochet Project (Critique of a Political Economy) (2008)“ zur Designlabelpiraterie von Luxusprodukten einlädt: Gemeinsam nach Vorlagen von Marken wie Gucci, Louis Vuitton oder Fendi aus Hochglanzmagazinen Handtaschen nachzustricken oder nachzuhäkeln. Resümee: „Lust entsteht in der Reibung – auch Schmerz und Ekel, sind nicht lustfrei. Wenn es nur um Lust geht, dann wird es trivial.“

Kuratorinnen-Gespräch

Mit dem Studio, einem semipermeablen Raum im ersten Stock der Ausstellung „The Global Contemporary“ hat die Kunstvermittlung einen konkreten Ort erhalten, an dem Projekte, Workshops und temporäre Präsentationen umgesetzt werden können, die damit auch für ein Publikum sichtbar wurden, das nicht unmittelbar daran teilgenommen hat. Hier fand auch das Gespräch mit zwei der vier KuratorInnen, Andrea Buddensieg und Antonia Marten, statt, von denen zu erfahren war, dass die Ausstellung aus dem am ZKM angesiedelten Forschungsprogramm „Global Art and the Museum GAM“ hervorging, das sich mit den Veränderungsdynamiken der Globalisierung und ihren Einflüssen auf Kunstproduktion, -rezeption und -verwertung beschäftigt hat. Nach 1989, so die These, sei eine neue Epoche angebrochen, in der die Vorrangstellung der Moderne und die gewohnten Ein- und Ausschlussprinzipien nicht länger funktionierten. Dabei begreifen die Kuratorinnen die Ausstellung – neben Konferenzen, Workshops, residencies und Publikationen – als ein weiteres Format, um die Forschungsansätze und -ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Um auch in der Präsentationsform dem Globalen und nicht-Linearen zu entsprechen, lehnen sie sich an Bilder von Orten des Transits wie Flughäfen und Baustellen oder auch Messe und Markt an: Weg von der kontemplativen Versunkenheit hin zum beschleunigten Zapping, was angesichts der schier unendlichen Flut an Bildern und Werken die praktikabelste Betrachtungsweise für global art zu sein scheint.

Später lässt sich eine der beiden Kuratorinnen zu der Aussage hinreißen, sie hätte nichts mit Kunstvermittlung zu tun, und verdeutlicht damit einen anderen, nach wie vor wirksamen hegemonialen Diskurs der Moderne, der das Ausstellungsmachen über das Vermitteln stellt. Aus dem Publikum ist leider kein spontanes Zücken einer hate-Karte zu sehen. Erst am nächsten Tag, dann umso intensiver, berichten VertreterInnen des Vermittlungsprogramms über ihre vielfältigen Projekte und deren Wirkungsweisen. Eine  Übersicht über alle Projekte bietet die Homepage.

Hedo-education

Carolin Knebel, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Museumskommunikation am ZKM schilderte die Genese der Vermittlung für die Ausstellung „The Global Contemporary“, die von Anfang an in deren Gestaltung eingebunden war. Sie sprach in Vertretung der Kuratorin für Kunstvermittlung beim Projekt „Global Art and the Museum GAM“, Henrike Plegge, die nicht persönlich anwesend sein konnte. Henrike Plegge war seit 2008 im Kuratorium vertreten und konnte so frühzeitig die Perspektive der Kunstvermittlung einbringen sowie im Entstehungsprozess ein Jahr vor Eröffnung der Ausstellung die vermittlerische Arbeit beginnen, was die Fragen anregte: „Braucht Kunstvermittlung Kunst, oder kann man bereits in leeren Räumen arbeiten?“

Die große Vielfalt der Vermittlungsarbeit für „The Global Contemporary“ ist auch dem Umstand zu verdanken, dass für einige Projekte Drittmittel akquiriert werden konnten, was allen Beteiligten einen großen Spielraum eröffnete, eigene und gemeinsame Kommunikations- und Gestaltungsprozesse zu entfalten. Vor dem Hintergrund der Globalisierung thematsiert z.B. Microsglobe, ein 1,5-jähriges Kooperationsprojekt mit der Gutenbergschule Karlsruhe, die Herausforderungen der Kommunikation, die nicht auf einer gemeinsamen Sprache basiert. Die vielfältige Übersetzungsarbeit eröffnete einen gemeinschaftlichen Handlungs- und Reflektionsraum, in dem unterschiedliche Kenntnisse über Lebensweisen und Auswirkungen von Globalisierungsprozessen deutlich und verhandelbar werden.

Hedo-sessions

An beiden Tagen fand ein Block mit jeweils fünf Sessions statt, die Aspekte des Hedonismus sowohl in den künstlerischen Arbeiten der Ausstellung als auch in Kommunikationsformen und Vermittlungsprozessen untersucht haben:

  • Künstlerische Praxis, wie funktioniert der Kunstbetrieb?
  • (lustvolle) Kommunikation in künstlerischen Arbeiten und der Ausstellung
  • künstlerische Arbeiten, die sich mit dem Kunstmarkt und dessen Preise beschäftigen
  • Was hat Hedonismus mit der Ausstellung sowie unserem Arbeits- und Kunstalltag zu tun?“
  • Auf der Suche nach „diversity“
  • Komm unter meine Mütze!
  • Handlungsmacht
  • ästhetisch-dekorativer Hedonismus im Comic
  • Was ist, wenn der Betrachter lacht? – Positionierung – Humor – kollektiver Raum
  • „Nächste Kunst“ – What’s next?

In der Session „Was hat Hedonismus mit der Ausstellung und unserem #Arbeits- und Kunstalltag zu tun?“ wurden unterschiedliche Dimensionen von Spaß debattiert und gefragt: Darf Spaß trivial sein oder muss es ein qualitativ akzeptabler Spaß sein? Darf man es sich gestatten, ein Bild zu sehen, so wie man Lust dazu hat? Wollen Leute im Museum bespaßt werden? Oder erwarten sie, dass Ungewöhnliches passiert, dass experimentelle Handlung ermöglicht werden – nicht nur verbal? Einigkeit bestand darin, dass Kunstvermittlung sowohl Lust wie Unlust/Enttäuschung braucht. Beide sind im Erleben einer Ausstellung – genauso wie in einer Schulstunde – nötig und bedingen einander. Werden Erwartungen gebrochen, können Dinge in anderer Form und anderer Qualität passieren. Aber: Muss ich mich in einer Gruppe rumschleppen lassen, obwohl ich keine Lust habe? Dann gebe ich die Autorität an die Institution, dem Museum oder die Schule ab. Autonomie im Lernen ist nur mit Lust möglich.

„Die Ausstellung lässt das Fremde vermissen. Sie bietet nicht genug Verschiedenheit, nicht genug Rätsel! Wo findet sich das Unästhetische? Zu viele künstlerische Positionen sind bekannt“, so einer der TeilnehmerInnen der Hedo-session #diversity. Zwar versuche sich die Ausstellung von der „Weltkunst“ abzuwenden und anstelle eines kolonialen Blicks auf andere Kulturen einen globalen Blick zu formulieren, aber die Frage bleibe, wie weit tatsächlich global gedacht werden kann. Das wird z.B. an der Arbeit „Dow Song Duang (The Two Planets Series) (2008)” von Araya Rasdjarmrearnsook diskutiert, der in vier kurzen Sequenzen eine Gruppe von thailändischen Dorfbewohnern zeigt, die vor bekannten Werken der europäischen Moderne wie Millet, Van Gogh und Manet sitzen. Sichtlich amüsiert erörtern sie aus ihren Erfahrungen heraus unterschiedliche Aspekte, z.B. dass beim „Frühstück im Freien“ von Monet Bananen gegessen werden oder warum die Frau keine Kleidung trägt. Sichtbar wird, wie kultureller Einfluss, künstlerische Absicht und westlich akademischer Kontext in engem Zusammenhang stehen. Kann man Kunst richtig und falsch rezipieren?

Die Session #Handlungsmacht gruppierte sich um die Fragen: Was lässt sich innerhalb/gegen/mit einer Institution verschieben und verändern? Wie lässt sich eine Vermittlung entwerfen, die alle Beteiligten verändert? Diskutiert wurde entlang eines Begriffs von Vermittlung, die sich von einer pädagogischen Sendung befreit und einen kritischen Anspruch zur Institution, zu Aspekten von Macht und ihrer eigenen Rolle einnimmt: „Wir sind die Institution und wir sind institutionskritisch zugleich.“ Dazu gehört, die Werkzeuge, mit denen man selbst arbeitet, offenzulegen. Es sollte aufgezeigt werden, dass es eine Agenda gibt, die aber auch verändert werden kann. Dies setzt eine Atmosphäre voraus, die das auch zulässt. Wichtig war innerhalb dieser Session außerdem der Aspekt der Macht und die Frage, ob Kunstvermittlung eine neue Form von Nebenmacht etabliert? Jeder Bereich habe unterschiedliche Macht- und Ohnmachtspotenziale: Gehört es zum Machtbegriff, Macht abzugeben? Resümee: „Du bist als Vermittler nicht der Freund, sondern der Fremde, wir lernen durch das, was wir nicht kennen.“

#Nächste Kunst war der Titel einer Session, die Thesen von Dirk Baecker zur „nächsten Gesellschaft“ auf die Kunst und die Kunstvermittlung übertrug und dies an den postironischen Arbeiten von Com&Com exemplifizierte. Beckers These lautet, dass die Buchdruckgesellschaft der Moderne im Begriff ist, von der nächsten – der Computergesellschaft – abgelöst zu werden. Anonyme Kollektivtexte im Internet schaffen den Brockhaus ab. Der Computer, als eine dem Buchdruck vergleichbare Medienrevolution, wird entsprechendes Gedankengut und neue gesellschaftliche Formierungen hervorbringen: das Netzwerk. Im Rückgriff auf Baeckers These wurde diskutiert, ob die Kunst der Moderne, die an Zentralperspektive und Geniestatus gekoppelt ist, im Zeitalter der Digitalisierung anders funktioniert und daher auch anders betrachtet werden muss. Beweglichkeit und Vernetzung der globalisierten Welt verändern Rolle und Funktion von KünstlerInnen vom Einzelproduzent zum Kollektiv, was wiederum Auswirkungen auf die Kunstvermittlung hat, mit Com&Com gesprochen: Es gibt „keinen Platz für starre und eindeutige Identitäten; die Frage nach der Zugehörigkeit wird zu einem Spiel der Formen und Beziehungen, die ständig überschrieben und neu bestimmt werden.“

„Wie lässt sich Humor für eine kunstpädagogische Praxis nutzbringend einsetzen?“, war die Leitfrage der Hedo-session #Was ist, wenn der Betracher lacht? Im Zentrum der Diskussionen stand die Arbeit „Barter (2007)“ von SOSka group. Ein junger Mann baut im Hof eines ukrainischen Bauern eine kleine Galerie mit Drucken berühmter Künstler auf – darunter Stars wie Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Cindy Sherman – und versucht diese gegen verschiedenste Produkte einzutauschen. Während weltweit die Preise für zeitgenössische Kunst explodieren, sind die Arbeiten für die ukrainischen DorfberwohnerInnen so viel Wert wie ein Huhn oder drei Dutzend Eier. Im Rückgriff auf Freuds Text „Der Humor“ von 1927 diskutiert die Gruppe, den Unterschied zwischen Humor und Witz. Humor sei das Erhabenste, was das Individuum leisten könne, er überwältige und stelle damit eine Unterbrechung her, die es anschließend ermögliche, sich mit neuem Ernst weiter auseinanderzusetzen. Durch Humor finde eine Öffnung statt, die aus einem Tunneldenken befreit. Resümee: „Spaß, ohne Humor, ist eben doch verdächtig!“

Hedo-results

Hedonismus/Medien/Kunst/Pädagogik waren die Tags des Hedo-camps am ZKM in Karlsruhe, und die konzentrierte Stimmung in der letzten Runde zeigte: Wir waren zwei Tage lang Teil einer experimentellen Situation, einer Versuchsanordnung, und befinden uns – ganz im Sinne Dirk Baeckers – in der Entwicklung hin zur „nächsten Kommunikation“! Dies beinhaltet sowohl Lob wie Kritik an Format und Inhalt der Veranstaltung.

Die Parallelität der In- und Outputs in den verschiedenen Sessions wurde als durchaus passend für die zeitgenössische Gedanken- und Ideenproduktion bewertet. Trotzdem entstand das Gefühl, dass vielleicht mehr über die Ausstellung und weniger über Hedonismus und dessen Bedeutung für die Kunstvermittlung gesprochen wurde. Deutlich wurde, dass Partizipation der #Übung bedarf: „Wir denken und agieren noch zu sehr von der üblichen Tagung aus, bei der es klar definierte Redner und Zuhörer gibt und schaffen es noch nicht, aktiv in einem neuen Format zu denken, uns mehr auf das einzulassen, was hier und jetzt passiert, ohne uns vorher präpariert zu haben“, so eine der TeilnehmerInnen. Dies zeigte sich auch in der wenig genutzten Medientechnik. Getwittert wurde nicht und im EduPad liest man Einträge nur weniger Sessions. Hier hätte beispielsweise auch ein Echo oder PingPong mit anderen Sessions stattfinden können. Die Vernetzung innerhalb des Hedo-camps fand so eher auf die traditionell-analoge Art im jeweiligen Hedo-pool statt.

Teilweise haben die Sessions von der Anwesenheit einer Personen profitiert, die vorbereitet war. Das offene Zusammenkommen des Camps blieb damit durchaus gewahrt, aber die Intensität der Diskussion steigerte sich durch die Intensität des Inputs, wie es z.B. in der Comic-Session der Fall war. Deutlich wurde, dass die Generierung und Entwicklung von Themen, Abfolgen und Spannungsbögen noch mehr Zeit und Aufmerksamkeit benötigen. „Es hat gefehlt, noch mehr gemeinsam Fragen zu finden und zu entwickeln, so hätte man gemeinsam präziser werden können“, konstatierte eine Teilnehmerin. Sie plädierte dafür bei den Session-Findungsprozessen eher danach vorzugehen: „Welche Leute haben die gleichen Fragen?“, als „Wer macht einen Workshop zu welchem Thema?“.

Gedanken und Wissen kollektiv und partzipativ zu produzieren, ermöglicht veränderte Rezeptions- und Kommunikationsbedürfnisse, die sich für eine zeitgenössische Kunstvermittlung produktiv machen lassen. Wie nun konkret eine Vermittlungsarbeit zu entwerfen wäre, die gleichzeitig hedonistische Züge trägt und einer neuen global Art entspricht, ist nicht abschließend formuliert worden. Dies ist aber auch nicht nötg. Dass Hedonismus ein für die Kunstvermittlung vielschichtiger schöpferischer Prozess ist, der Bildung von Differenzen und Vielstimmigkeiten ermöglicht, haben die TeilnehmerInnen am eigenen Körper erfahren. Daran liegt der eigentliche Erkenntnisgewinn und die beste Voraussetzung für die Umsetzung von Wissen in reflektertes Handeln. In diesem Sinne auf zur „nächsten Kunstvermittlung“ und zum nächsten Part des BuKo12.

Autorin: Carina Herring


]]>
http://www.buko12.de/2012/02/07/tagungsbericht-buko12-part04/feed/ 6
Tagungsbericht BuKo12 Part03.3 http://www.buko12.de/2012/02/05/tagungsbericht-buko12-part03-3/ http://www.buko12.de/2012/02/05/tagungsbericht-buko12-part03-3/#respond Sun, 05 Feb 2012 17:50:03 +0000 http://www.buko12.de/?p=1661 Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010-12, Part03.3 – Partizipatorische Kunstpädagogik in der Grundschule

Part03 in der Reihe der BuKo12-Veranstaltungen bestand nicht nur aus einer einzelnen Tagung, er war vielmehr ein Prozess, der sich über acht Monate erstreckte. Begonnen hat dieser Part am 20. Mai 2011 mit einer Auftaktveranstaltung an der Universität Kassel, in der die Diskussion um den Begriff der Partizipation im Kontext der Kunstpädagogik in der Grundschule angestoßen wurde. Ziel war neben der theoretischen Fundierung die Initiierung partizipatorischer Unterrichtsprojekte für die Folgezeit. Bis Ende 2011 wurden bundesweit Unterrichtsversuche durchgeführt und dokumentiert. Durchführende Lehrende in Schule und Hochschule sowie Studierende und Referendar/innen wurden durch einen Call for Projects sowie im Lehr- und Forschungsumfeld der Organisatoren gewonnen. Die Abschlusstagung von Part03 am 27. Januar 2012 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg bot den Raum für eine elaborierte Diskussion des Begriffs „Partizipation“ in Theorie und schulischer Praxis, für die Verknüpfung mit gesellschaftlich relevanter künstlerischer Praxis und besonders für die Präsentation der durchgeführten Projekte. 110 Teilnehmer/innen fanden sich hierfür in Heidelberg ein – für die Spezifik des Themas und die Ausrichtung auf den Grundschulbereich eine beachtliche Teilnehmerzahl.

Partizipation zwischen Politik und Pädagogik

„Partizipation“ als Leitmotiv der Veranstaltungsreihe BuKo12 umfasst gegenwärtig brisante gesellschaftliche Fragen: nach neuen Formen der Kommunikation und aktuellen Forderungen der Pädagogik gemäß einer „Bildung in der Demokratie“. Dass der in letzter Zeit inflationär genutzte Begriff der Partizipation eine lange Tradition im Spannungsfeld zwischen Politik und Pädagogik aufweist, darauf verwies Prof. Dr. Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrates und Direktor der Akademie Remscheid. In seinem einführenden Vortrag in Heidelberg spannte er einen weiten historischen Bogen, von Platon bis zur Gegenwart, und zeigte, wie ein fachfremder Begriff zu einem Kernbegriff der Pädagogik avancierte, seine politisch-juristische Herkunft innerhalb des pädagogischen Diskurses bis heute jedoch Bestand hat. Die Verknüpfung politischer, juristischer und pädagogischer Dimensionen stellt sich dabei nicht nur in dem Sachverhalt dar, dass Platon und Humboldt die Pädagogik in ihren staatstheoretischen Schriften abhandelten. Insbesondere Friedrich Schiller verband denkerisch die künstlerische Tätigkeit mit dem Moment der Freiheit, die zur gesellschaftlichen Emanzipation führen kann. Und letztlich ist es der amerikanische Philosoph und führende Vertreter des Pragmatismus John Dewey, der in seinen Schriften nicht nur die Kontinuität zwischen ästhetischem Bewusstsein und alltäglicher Erfahrung wiederherstellte, sondern sich gesellschaftspolitisch für die Demokratisierung sämtlicher Lebensbereiche einsetzte – und dies in erster Linie für den Bildungsbereich. Mit „Partizipation“ als zentralen Begriff werde hier eine Einheit zwischen Kunsttheorie, Wissenschaft, Politik und Pädagogik gebildet. Diese Denkrichtung bekommt nach Fuchs eine Wendung mit den französischen Soziologen und Philosophen Pierre Bourdieu und Michel Foucault. Die Chancengleichheit in der Gesellschaft wird als Illusion erkannt. Nach Bourdieu zementiere die „unheilige Allianz“ von Kunst und Bildung die Chancenungleichheit. Und partizipatorische Elemente fördern, Foucault folgend, die Verinnerlichung von Machtverhältnissen. Diese Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher Anpassungsfunktion und individueller Entwicklung zeichnet verstärkt die aktuelle schultheoretische Diskussion aus. Als prominenter Vertreter gilt der österreichische Pädagogikprofessor Helmut Fend und seine „Neue Theorie der Schule“, in der das Bildungswesen als institutioneller Akteur der Menschenbildung verstanden wird. Fuchs’ Fazit ist elementar und prägnant zugleich: Schule ist immer auch politisch! Es gilt die Spannung des „vergesellschafteten Subjekts“. Die Kunst und ihre ästhetischen Codes sind in diesem Kontext, mit Verweis auf Bourdieu, nicht per se gut. Pädagogen, so Fuchs, haben einen Ethos, der nicht der Kunst, sondern dem Subjekt verpflichtet sei. Eine Schlussfolgerung, die mit Sicherheit kunstpädagogisch kritisch beleuchtet werden dürfte.

Mario Urlaß, Professor im Fach Kunst an der PH Heidelberg und Veranstalter des Part03.3, konkretisierte das Spannungsfeld zwischen der Teilhaberschaft und dem Eigenen für den künstlerischen Bildungsprozess. Im wirtschaftlichen Sektor ist der Teilhaber ein an der Bilanz eines Unternehmens Beteiligter. Dass diese Bilanz auch im Verlustbereich liegen kann, ist die Pointe: Es gibt ein unternehmerisches Risiko. Analog kann Unterricht als Risikounternehmen verstanden werden. Ähnlich einem künstlerischen Prozess ist Unterricht in diesem Fall offen und sein Ausgang unvorhersehbar. „Für dieses Risikounternehmen brauchen wir als Teilhaber zugleich Kapital, in unserem Falle ‚kreatives Kapital’“, resümiert Urlaß. Kapital auf Seiten des Lehrenden ist das Vermögen, künstlerische Prozesse sensibel, achtsam, reflektiert und mit Engagement zu initiieren – auf Seiten der Kinder ist es das Vermögen, Entscheidungen treffen und etwas „Eigenes“ gestalten zu können. Urlaß, der neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer mehrere Jahre an einer Grundschule unterrichtete, zeigte dies anhand eines konkreten Projekts. Am Ende eines Schuljahrs vereinbarte er mit den Kindern einer 3. Klasse, ein Thema gänzlich in ihre Hände zu geben. Sie hatten somit die Schulferien Zeit für Überlegungen und Recherchen. Die Kinder entwickelten ihr Thema nicht nur unabhängig und ohne Rahmenvorgaben, sondern außerhalb des Kontextes Schule. Mit Beginn des Unterrichts öffnete sich der Möglichkeitsraum, individuelle Vorstellungen konkret werden zu lassen. So konnte das Interesse an Schmetterlingen zu einer Schmetterlingsforschung werden, das Lieblingstier für eine Buchproduktion dienen oder die Auseinandersetzung mit Nintendo und einer Mikrowelle zu einer Mikro-Spiele-Welle führen. Die Beispiele belegten, welches Potenzial in einem derartigen partizipatorischen Vorgehen liegt. Ganz im Sinne John Deweys: eine Organisationsform des Lernens, die dem Lernenden Mit- und Selbstbestimmung ermöglicht bei der Wahl der Inhalte und Unterrichtsthemen, der Festlegung der Unterrichtsziele und der Erarbeitung der Probleme.

Partizipatorische Kunst kontra partizipatorische Pädagogik

Dass die Zielsetzung partizipatorischer Pädagogik nicht mit den Ansätzen partizipatorischer Kunst gleichgesetzt werden kann, war Ausgangspunkt der Überlegungen von Christina Griebel, derzeit Professorin für Kunstdidaktik und Ästhetische Erziehung an der UdK Berlin. Partizipatorische Kunst sei in ihrem Wesen auf Rezipientenbeteiligung angelegt und auf der Ebene einer strukturellen Übernahme nur bedingt für das „Partizipationsgeschäft Pädagogik“ geeignet. Diesen Sachverhalt verdeutlichte Griebel anhand mehrerer Beispiele aus Kunst und Schule. Während in der Ausstellung „Almech“ des polnischen Künstlers Paweł Althamer im Deutschen Guggenheim Berlin Kunststoffabgüsse von Gesichtern oder anderen Körperteilen der Angestellten und Besucher erstellt werden, und damit sich die Rezipienten in der Ausstellung abgebildet wiederfinden, sind diese zugleich aus den übrigen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Dagegen gibt es im pädagogischen Bereich seit Langem die Bestrebung, Kinder im Unterricht in Entscheidungen über die Gestaltung der gemeinsamen Zeit und der Räume einzubeziehen. Als vorbildlicher Ort für die kindliche Mitbestimmung wird die Nürtingen-Grundschule in Berlin-Kreuzberg angeführt. Bei Sanierungsmaßnahmen wurden die Kinder gemeinsam mit einem Team aus Architekten und Künstlern bei der Gestaltung der Lernräume einbezogen, sodass innerhalb von fünf Jahren die Schule zu einem völlig neuen und anregenden Lernort umgestaltet werden konnte. Zur Abhilfe gegen die in Gründerzeitgebäuden zu hoch angebrachten Fenster gibt es Podeste und Hochebenen. Stehpulte und Lernbars mit Lernbarhockern, Fußhocker und Dinkelpolster sowie Teppichzonen erlauben ein Lernen in allen körperlichen Positionen. Rückzugszonen und Hängematten erlauben das Erholen und Ausruhen, eine Rutsche dagegen das Toben. Im Ergebnis sehen sich die Kinder, bezogen auf ihre Köpermaße und Wahrnehmungsvorgänge, tatsächlich abgebildet. „In den meisten Ansätzen partizipatorischer Kunst ist so viel Mitsprache schon viel zu viel“, bedenkt Griebel. Demgegenüber plädiert sie für die Teilhabe der Lernenden am sich generierenden Ganzen.

Eine umfassende Teilhabe in der Kunstpraxis präsentierten die Künstler Martin Keil und Henrik Mayer von der REINIGUNGSGESELLSCHAFT. Ziel ihrer Strategien und ihres künstlerischen Handelns ist der Prozess der Erneuerung im Kontext der Gesellschaft. „Wer partizipiert woran?“, kann dabei als Leitfrage verstanden werden. Integrative, interdisziplinäre Ansätze und eine Kunstpraxis, die gesellschaftlich wirken kann, sind die Antwort. Dies wird beispielhaft in dem Projekt „Leitsystem zum Neuen“ sichtbar. Die REINIGUNGSGESELLSCHAFT entwickelte sechs Monate lang gemeinsam mit den 700 Einwohnern der Gemeinde Grambow in Nordwestmecklenburg ein partizipatives Kunstprojekt. Es hatte zur Aufgabe, ein neues Gemeinschaftsbewusstsein und Handlungsperspektiven anzuregen. Basierend auf einer Umfrage über die Lebensbedingungen und Zukunftsperspektiven im ländlichen Raum wurde ein Leitsystem zum Neuen entwickelt. Es besteht aus Verkehrsschildern, deren Piktogramme auf die Aufgaben der Zukunft verweisen. Ausgehend von strukturellen Herausforderungen wie Klimawandel, demographische Entwicklung, Arbeitsplatzperspektiven und Lebenschancen im ländlichen Raum bietet das Leitsystem Orientierungspunkte zum gesellschaftlichen Handeln. Neue Ideen für die Gemeinde wurden in diesem offenen Projekt gesammelt und umgesetzt, um basisdemokratische Strukturen und ein Identitätsbewusstsein, ein Wir-Gefühl, zu stärken: Fahrgemeinschaften wurden gebildet, die Gemeindezeitung „Grambower Bote“ realisiert, altersgerechtes Wohnen diskutiert, die Idee eines Dorfladens verfolgt. Dies alles führt nicht nur zur Repolitisierung des Raums, sondern auch zu einer Resozialisierung der Kunst.

Dass Partizipation nicht nur als erfreulicher, sondern auch als zwanghafter Moment erfahren werden kann, verdeutlichte ein Happening, das der Künstler Wolfgang Sautermeister zusammen mit den Studierenden Andrea Kastel, Susan Häggi und Timo Petersen speziell für diese Tagung entwickelt hat und in den Kellerräumen der Pädagogischen Hochschule stattfand. In „DEMOCRATIC TIME – Ein Heidelberger Happening“ wurden den Tagungsteilnehmern Transparente, Schilder, Luftballons, Konfetti und andere Demonstrationsutensilien mit Anweisungen an die Hand gegeben, bevor sie den Kellerraum betreten konnten. Das Ergebnis war ein lautstarkes, fast einstündiges Ereignis, in dem im Kreis marschiert, gerufen, kundgetan, beaufsichtigt, kontrolliert wurde. Das Wohlsein wie auch das Unwohlsein wurde in diesem partizipativen Moment erlebt, Ausgelassenheit zugleich mit Zwanghaftigkeit am eigenen Leib gespürt. Teilhabe stand hier auf der Kippe zur Pflicht, sodass ein Tagungsteilnehmer sich zu der Devise hinreißen ließ: „Nicht-Partizipation muss als Teil von Partizipation möglich sein!“

Partizipatorische Ansätze in kunstbezogenen Unterrichtsmodellen

Der Nachmittag der Tagung stand ganz im Zeichen der Präsentation und Reflexion von Prozessen und Ergebnissen kunstpädagogischer Praxis. In 13, zum Teil parallel verlaufenden Projektpräsentationen, wurden ausgewählte Konzepte aus dem gesamten Bundesgebiet vorgestellt, in denen partizipatorische Ansätze in kunstbezogenen Unterrichtsmodellen erprobt wurden. Hierbei wurde Partizipation auf unterschiedlichen Ebenen verwirklicht: Auf organisatorischer Ebene wurden institutionelle Grenzen überschritten, differente Zugänge zu ästhetischen Phänomenen ermöglicht, heterogene Produktion entwickelt sowie Kinder an der Unterrichtsplanung beteiligt. Dagegen bezog sich Partizipation als inhaltliche Ausrichtung auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen, die durch künstlerisches Handeln ausgedrückt werden, und lebensweltliche Felder, die mittels unterschiedlicher Medien erkundet und reflektiert werden.

Dem individuellen Heimatbegriff künstlerisch Ausdruck zu verleihen, war Ziel eines Unterrichtsprojekts in der KGS Barbara-Schule in Duisburg-Neumühl. Hierfür befassten sich Kinder einer 4. Klasse mit unterschiedlicher Herkunft nicht nur theoretisch mit dem schwierigen Begriff „Heimat“, sondern bildeten in einem partizipatorischen Teil Gruppen, um gemeinsam im Werksattbereich zu arbeiten. Es entstanden Modelle von Gebäuden, wie eine Moschee, und Landschaften, beispielsweise eine russische Winterlandschaft, oder Collagen aus Malereien und Fotos von Heimatstädten und geliebten Menschen, die zu einem intensiven Austausch zwischen den Schüler/innen anregten.

Einen institutionsübergreifenden Hintergrund haben die Kunstwerkstätten der Pädagogischen Hochschulen Freiburg und Karlsruhe, in denen Grundschul- und Kindergartenkinder von Studierenden betreut werden. Forschungsschwerpunkte thematisieren die Perspektive des Kindes, des Lehrpersonals und der Unterrichts-/Schulentwicklung.

Das Projekt „Vorschau/Rückschau“, ein Kooperationsprojekt der Dr. Weiß-Grundschule und dem Hohenstaufen-Gymnasium in Eberbach, brachte Klassen der Stufe 4 und 6 zusammen. Die Situation des Übergangs zwischen Grundschule und weiterführende Schule gab den Anstoß für einen Perspektivwechsel bei den beteiligten Schüler/innen und Lehrkräften. Während der Erstellung von Architekturmodellen und Trickfilmen wurde nicht nur jahrgangsübergreifendes Lernen praktiziert. Die Schüler/innen des Gymnasiums arbeiteten an Erinnerungs- und Emotionsbildern aus ihrer Grundschulzeit und die Grundschüler gingen in der gestalterischen Arbeit fiktiv mit den Erwartungshaltungen hinsichtlich der weiterführenden Schule um.

Während eines Besuchs der Kunsthalle Fridericianum sammelten Schüler/innen der 6. Klasse mit dem Förderbedarf geistige Entwicklung Assoziationen zu der Arbeit „WE THE PEOPLE“ des Künstlers Danh Vo. Als Reporter mit Aufnahmegeräten hielten sie ihre eigenen Fragen fest: Trägt die Freiheitsstatue einen Pullover, wenn es kalt ist? Warum darf man Kupfer im Museum nicht anfassen? Ist Kunst immer aus Kupfer? Kann ich auch Kunst machen? Dabei entstand ein Film, der die Reise des Künstlers Danh Vo und die der Freiheitsstatue nachvollzieht. Für die Schüler/innen gesellte sich hierdurch ein aktueller Aspekt in Bezug zum Beziehungsgeflecht von Selbstständigkeit und Partizipation hinzu: die Mobilität.

„Typisch Junge – typisch Mädchen“, ein Unterrichtsthema der Klasse 3 in der Mannabergschule Rauenberg in Wiesloch, ließ die Schüler/innen mit der eigenen – insbesondere ihrer geschlechtlichen – Identität beschäftigen und Vorurteile sowie bestehende Klischees erkennen. Das Folgethema „Typisch – ICH“ führte zu fotografischen Inszenierungen der eigenen Person mit ihrem Lieblingsspielzeug.

Partizipatorische Übergangsräume zwischen Hochschule, Schule und Kunst in der Grundschullehramtsausbildung der Kunstakademie Münster bot das Projekt „Per Schiff nach Recklinghausen? Reisen als ästhetisches Erfahrungsfeld“. Am Beispiel des Projekts wurde das Potenzial einer solchen Kooperation vorgestellt. Zusammen traten Hochschullehrer/innen, Kunstlehrer/innen, Student/innen, Pädagog/innen und 90 Kinder eine gemeinsame Kunstreise an. Mit drei Schulklassen aus altersgemischten Jahrgangsstufen waren sie mehrere Tage auf verschiedenen Wegen zu unterschiedlichen Orten unterwegs. Hieraus entstand der „Reisebegleiter“, ein Mitmachbuch für Kinder.

Das Projekt „Abenteuer Museum – Ein Traum vom Fliegen“ wendet sich an Grundschulen mit einem hohen Anteil an Zuwandererkindern und an Schulen, die Kinder aus schwierigen Bildungsmilieus unterrichten. An den Schnittstellen von Schule, Museen und Ausstellungsorten initiiert es kulturpädagogische Projekte. Innerhalb dieser Projekte haben Student/innen für die Dauer eines Schuljahres ein Patenkind an der Grundschule, mit dem sie einmal pro Woche etwas unternehmen.

Spielzeugästhetik und Spielen als ästhetisch-künstlerische Methode ist Gegenstand eines fächerübergreifenden, partizipatorischen Projekts in den Fächern Kunst, Sachunterricht und Deutsch. In dem in Langen (Hessen) stattfindenden Projekt „Spielbotschaften“ werden Eltern der Klassen 1 und 2, in denen verschiedene Nationalitäten vertreten sind, in die Gestaltung einbezogen. Die Kinder erleben durch die Präsentation von Spielen aus ihren Herkunftsländern einen Ausschnitt der Spielwelten der Eltern.

Das Bezirksamt Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf hatte für die Erwin-von-Witzleben-Grundschule ein Kunst-am-Bau-Projekt ausgelobt, das im Kern partizipativ ausgerichtet sein sollte. Statt eines benutzbaren Hofdesigns bot der Künstler Stephan Kurr an, in partizipativen Workshops und Projektwochen mit allen Beteiligten der Schule – mit den Schüler/innen, Lehrer/innen, Eltern, dem Schulleiter und der Hausmeisterin – Bedürfnisse und Wünsche herauszuarbeiten und daraus gemeinsam mit den Beteiligten einen Entwurf zu entwickeln. Nach einem einjährigen Recherche-, Entwicklungs- und Arbeitsprozess wurden Ende 2011 eine Bühne und ein Labyrinth als neue funktionale und gleichwohl künstlerische Gestaltungselemente des Schulhofes eingeweiht.

„Schlosszauber – ein performatives Spiel mit kulturellen Bildern“ war ein Projekt der Universität Koblenz-Landau. 50 Studierende hatten im Rahmen der Bundesgartenschau 2011 im Koblenzer Schlossgarten ein performatives, ortsspezifisches und offenes Spielangebot für Kinder im Vor- und Grundschulalter geplant und umgesetzt: Picknick der anderen Art, Manufaktur für ungewöhnliche Dinge, historische Tanzwerkstatt und Märchen aus der Box.

Innerhalb eines Tagespraktikums im Fach Kunst der PH Heidelberg an der Heidelberger Landhausschule wurde biologische Recherche und die Erkundung der Welt der Insekten mit künstlerischem Arbeiten verbunden. Im Zentrum des Projekts „Insektopia“ stand der Arbeitsauftrag, dass jede/r Schüler/in ein dreidimensionales Insekt erschaffen sollte, welches anhand spezifischer Insektenmerkmale als ein solches zu erkennen ist.

Im Podcast „Kunst oder was?!“ der Klasse 4 der Gustav-Wiederkehr-Schule Mannheim Sandhofen werden Kunstwerke und Künstler vorgestellt und allgemeine Fragen über Kunst behandelt. Durch die Auswahl des Mediums können die Präsentationen und Ergebnisse an andere Klassen übergeben werden: Schüler/innen erstellen Materialien für Schüler/innen.

Und im Rahmen einer wissenschaftlichen Hausarbeit an der PH Heidelberg wurde ein Modellversuch zum Thema „Partizipatorische intergenerative Projekte“ in einer dritten Grundschulklasse durchgeführt. Gegenstände der Kinder- und Erwachsenenwelt wurden gestalterisch so transformiert, dass diese in der „anderen Welt“ von Nutzen sein würden.

Ende und Ausblick

Mit der Übergabe des BuKo12-Banners an die Veranstalter des nächsten Parts in Nürnberg fand dieser inhaltlich sehr anregende und dichte Tag dank freundlichen und fleißigen studentischen SCOUTS in äußerst gelungener Atmosphäre ein Ende – die intensive Weiterentwicklung einer partizipatorischen Kunstpädagogik in der Grundschule geht hoffentlich weiter!

Autor: Michael Scheibel, www.medien-kunst-bildung.de

 

]]>
http://www.buko12.de/2012/02/05/tagungsbericht-buko12-part03-3/feed/ 0
Tagungsbericht BuKo12 Part05 http://www.buko12.de/2011/12/09/tagungsbericht-buko12-part05/ http://www.buko12.de/2011/12/09/tagungsbericht-buko12-part05/#respond Fri, 09 Dec 2011 15:50:42 +0000 http://www.buko12.de/?p=1543

„Wir brauchen eine riesige Vision, mit methodischen Mätzchen kommen wir nicht weiter!“

Bundeskongress der Kunstpädagogik 2010-12, Part05 – Kunstpädagogik im Kontext von Ganztagsbildung und Sozialraumorientierung

Die räumliche Dimension von Bildungsprozessen und die darin liegenden Potenziale der Kunstpädagogik innerhalb der Ganztagsbildung waren Mittelpunkt des fünften Teils des BuKo12, der am 11. und 12. November 2011 an der Universität in Erfurt stattfand. Als eine von insgesamt acht dezentralen Plattformen im Vorfeld der Abschlussveranstaltung im Oktober 2012 war auch Part05 als eigenständige Fachtagung konzipiert und wurde von Prof. Dr. Ulrike Stutz (TU Erfurt) in Kooperation mit der Fachstelle „Kultur macht Schule“ der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ e.V.) im Rahmen der MIXED UP Akademie und mit Unterstützung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) im Rahmen des Programms „Ganztägig Lernen“ organisiert.

Mit einem Verweis auf das historische, nur alle 100 Jahre vorkommende Datum (11.11.11) überbrachte Wolfgang Zacharias (BJK) sein Grußwort an die rund achtzig Tagungsteilnehmer/innen. Die Elf als kleinste Schnapszahl, unheilig und entgrenzend, da sie um 1 die Zahl der Zehn Gebote übertritt, sei daher mehr als passend für die Kunstpädagogik, die sich – wie der Karneval – Überschreitung, Transformation und Irritation zu Eigen mache. Und so durchblätterte er die historischen Wurzeln und Entwicklungslinien der Kunstpädagogik seit den 1970er-Jahren in einem beeindruckenden Kaleidoskop aus biografischem Hintergrund, reflektierter Praxis und aktuellen Diskursen. Er zeigte, wie Geist und Dynamik der 1968er-Jahre auch die Kunstpädagogik mobilisierte und Gruppen wie KEKS u.a. mit künstlerischen und pädagogischen Verfahren Möglichkeitsräume schufen, die bereits damals die heute so vielfach geforderten Schlüsselkompetenzen Kreativität, Innovation und Flexibilität beförderten. Mit spielerischen Strategien der Raumbesetzung und des symbolischen Protestes wurde vielfältig experimentiert, worauf später fundierte pädagogische Programme folgten, die auf lokaler Ebene in tragfähige kommunale Strukturen überführt werden konnten. International abgesichert wurde dieses lokal erkämpfte Recht auf kulturelle Bildung im Verlauf der letzten 30 Jahre etwa durch die UN-Kinderrechtskonventionen, die Empfehlungen der Enquete-Kommission oder auch der Seoul Agenda.

In den vielen Beispielen und Aktionen von Zacharias wurde deutlich, wie Stadt als symbolisches Trainingsgelände zur aktiven gesellschaftlichen Beteiligung genutzt werden kann. Und auch das Resümee des Roundtable unterstrich, dass das Potenzial in der Konfrontation von Kunst in ihrer Ereignishaftigkeit liege, als einmaliges ästhetisches Erlebnis sowie emotionale und soziale Erfahrung, wenn sie das eigene Selbst einbeziehe. Daher: Schulhöfe öffnen, raus aus der Schule, rein in die Lebenswelten! (Zacharias)

Das Schulgebäude für einen bestimmten Zeitraum zu Gunsten anderer Orte zu verlassen, die aus dem Schulalltag herausgelöst neue Lehr- und Lernmöglichkeiten bereitstellen, war auch Schlussfolgerung von Kirsten Winderlichs Beitrag. Die Kontextverschiebung ermögliche es, dass die urbane Umgebung Lehr- und Lernprozesse steuere und so interdisziplinäres Forschen und Erkunden durch sinnliche, ästhetische und künstlerische Gestaltung im Vordergrund stehen kann. Beispielhaft sei dies an der Montessori-Oberschule in Potsdam gelungen, die ein wildes Gelände im nördlichen Umland gepachtet hat. Schüler der 7. und 8. Klasse rekultivieren das Gelände in Kooperation mit Lehrern, Bootsbauern, Landwirten und Designern. Die Landwirtschaft spiele dabei eine genauso große Rolle wie die Renovierung von Häusern.

Generell plädierte sie für einen performativen Raumbegriff und dafür, „Unfertiges“ zu bauen. Dies ermögliche einerseits, Schüler an Raumgestaltungsprozessen zu beteiligen und sie mit ihren Perspektiven, Wünschen und Träumen einzubinden. Andererseits erlaube eine räumliche Performativität Spiel- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie ein breites Spektrum für Interpretationen und individuellen Bedeutungsebenen. Schulraum biete durch seine ihn konstituierenden Elemente ganz konkrete Bildungsmöglichkeiten: Wand, Boden, Decke, Mobiliar, Oberflächen, aber auch Lichtführung, Temperatur, Gerüche und Geräusche schaffen ästhetische Erfahrungen und haben Auswirkungen auf Lernatmosphären. Eine flexible Nutzung, und sich daraus ableitende vielfältige Bildungsgelegenheiten schaffen eigene Orte für individuelle Themen und Fragestellungen. Hier könne sich Kunstpädagogik noch viel gezielter in die Zwischenzeiten und Zwischenräume von Unterricht trauen. Damit sei den Schülern die Chance gegeben, Schulraum als Ort der individuellen Äußerung für eigene kulturelle und ästhetische Praktiken und Anregung, sich alleine oder gemeinsam mit anderen der Welt zu nähern und sich mit dieser auseinanderzusetzen.

Plastisch im doppelten Wortsinn führte die Künstlerin Susanne Bosch den Anwesenden vor Augen, dass das Handeln jedes Einzelnen gesellschaftlich gestaltend ist, indem sie Knete durch die Hörsaalreihen gab und zum Mitformen aufforderte. Wer nicht formen will, darf die Knete auch einfach nur weitergeben. Deutlich wird dennoch: Jede Bewegung hinterlässt ihre Spuren im Material. Mit der Äußerung: „Mal gucken, ob am Ende ein Kunstwerk entstanden ist“, spielt Bosch auf den erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys an. Seine Vorstellung „Jeder Mensch ist ein Künstler“ spricht jedem die Möglichkeit zu, plastisch auf Gesellschaft einzuwirken und zu ihrem Wohle beizutragen. Voraussetzung sei, dass Fantasie und Offenheit gefördert werden: „Jeder ist Künstler, der aktiv und bewusst am Leben teilnimmt. […] Demokratie ist eine Idee im Werden.“ (Bosch)

Die Prinzipien aktiver Bürgerschaft und partizipatorischer Demokratie liegen allen künstlerischen Projekten – darunter auch ihre eigene Praxis – zugrunde, die Bosch in ihrem Vortrag präsentierte, um daran die soziale Wirksamkeit von Kunst zu diskutieren. Im sozialräumlichen Kontext sei es vor allem „Kunst im öffentlichen Interesse“, die die Zusammenarbeit mit sozialen Gruppen herstelle, die Kreativität des Einzelnen anspreche und einen Dialog in Gang setze. Anders als Kunst im öffentlichen Raum befasse diese sich stärker mit sozialen Themen als mit der baulichen Umgebung oder ästhetischen Anliegen. Sie zielt auf die Entwicklung eines politischen Bewusstseins, das der Frage „Wie kann man mit dem Gefühl von Machtlosigkeit umgehen?“ mit einer künstlerischen Haltung begegnet, die andere Lösungsmodelle in der Auseinandersetzung des täglichen Lebens sucht sowie Zeit und Raum für die Imagination einer möglichen Zukunft bietet.

Öffnet sich Schule zu ihrem Umfeld und knüpft an sozialräumliche Kontexte an, tritt sie in Kooperation mit verschiedenen Partnern, die ihr eigenes institutionelles Selbstverständnis mitbringen. Bildungsallianzen zu entwickeln, verläuft deshalb nicht immer ohne Befürchtungen, Vorurteile und Hilflosigkeit, da unterschiedliche Systemstrukturen, Formate und Professionalisierungsvorstellungen aufeinander treffen. Wie schafft man hier neue Synergien und Kontexte, um die Beziehung zwischen Schule und Sozialraum zu vergrößern? Kooperation an Ganztagsschulen bedeutet vor allem für die unterschiedlichen Beteiligten aus Bildung und Kultur ein Lernfeld: Was kann der Andere bieten? Wie kann sich bestehendes ergänzen? Wie können Angebote ineinandergreifen?

Einen ganzen Strauß an Empfehlungen präsentierte Gisela Wibbing, damit eine Schule Kultur in ihrem Programm verankern und ein kulturell geprägtes Schulprofil entwickeln kann. Voraussetzung sei der Wunsch, kulturelle Bildung zu verstetigen, ab und zu Kultur anzuregen, genüge nicht. Kulturelle Schulentwicklung umfasse dabei alle Ebenen der Schule: Lehr- und Lernsituationen, den Lehrplan, die Vernetzung im Sozialraum und die Zusammenarbeit mit Bildungspartnern, die organisatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen und die Qualitätsentwicklung und Qualifizierung des Personals.

Steht regelmäßig Kunstpädagogik auf dem Lehrplan haben Schüler vielfältige Vorteile. Internationale Untersuchungen, wie die 2004 von der UNESCO in Auftrag gegebene Studie „The Wow Factor“ von Anne Bamford zeigen, dass Schüler insgesamt bessere Leistungen und höhere Abschlüsse erzielen, sich leichter auf Unterrichtsinhalte konzentrieren können, aber auch in Bezug auf Sozialverhalten und Persönlichkeitsentwicklung sehr profitieren, wenn kulturelle Bildung Teil ihres Schulalltags ist. Kunst und Kultur im Unterricht sollte natürlich allen Schülern zuteil werden. Außerdem sollten möglichst viele Sparten der kulturellen Bildung abgedeckt sein, was sich durch das Modell eines aufeinander aufbauenden Karussells umsetzen lasse: Die Sensibilisierungsphase für die Jahrgänge 5/6 (z.B. acht kulturelle Angebote, die jeweils nach einem viertel Jahr wechseln). Anschließend folgt die Professionalisierungsphase für die Jahrgänge 7/8, entdeckte Fähigkeiten werden verfeinert. Schließlich stärkt der Werkstattbereich für die Jahrgänge 9/10 Synergien.

Zehn Jahre, so die Einschätzung von Gisela Wibbing, benötigt eine Schule hin zur Kulturschule. Kein Wunder, wenn sich zwischendurch Gefühle von Machtlosigkeit und Frustration einstellen. Denn Hürden gibt es nicht nur zahlreiche bei der Kooperation mit außerschulischen Partnern, sondern vor allem im streng hierarchischen System Schule selbst: „Betonrealität“, präzisiert eine Teilnehmerin des Roundtable. Ohne dass die Schulleiter eine Vision oder wenigstens die Affinität zu Kultur haben und aus der Lehrerschaft heraus ein Kulturkoordinator ernannt wird, ließe sich der Weg nicht beschreiten. Das bringt ein weiteres Roundtable-Gespräch noch stärker auf den Punkt: Neue Schulen bedürfen neuer Lehrer, und dies müsse schon in der Ausbildung an den Hochschulen ansetzen. Der neue Lehrer solle sich – zwar entspannt und gelassen, aber mit Herz und Leidenschaft – der Verantwortung und Freiheit bewusst sein, dass er Mitgestalter von Schulentwicklung ist.

Wenn Lehrer ihre Rolle als Wissensmonopolisten aufgeben, haben sie die Chance, wieder zur Avantgarde in der Bildungsgesellschaft zu werden. Diesen Gedanken von Norm Green, einem der Verfechter des kooperativen Lernens, legte Arno Lang seinen Ausführungen zugrunde und sagt: „Wir brauchen eine riesige Vision, mit methodischen Mätzchen kommen wir nicht weiter!“ In der Neugestaltung von Unterricht bedürfe es eher eines Quantensprungs und dennoch gehe es nur zu Fuß dorthin, resümiert er den langen Weg zur 2007 realisierten Gründung der freien Ganztagsschule LEONARDO in Jena. Während der erste Unterrichtsbetrieb mit 15 Schülern, zwei Lehrern und zwei Praktikanten begann, ist die Schule inzwischen auf über 80 Schüler angewachsen.

Schule sei der Bereich, in dem man demokratische Gesellschaft lernen könne. „Wir müssen heute vor allem das soziale Miteinander ausbilden, demokratische Strukturen und Vorgänge müssen sich im täglichen Leben der Schüler, in ihren Klassenräumen und an Schulen abbilden“, so Lange. Die Rolle des Lehrers wandle sich dann zu dem eines Coachs, der demokratische Prozesse moderiert. Die Ganztagsschule als Lern- und Lebensraum kann solche Ansätze aufnehmen und den Schülern verschiedene Felder der Partizipation ermöglichen. An der LEONARDO Schule bieten z.B. Klassenrat und Schulkonferenz Beteiligung an grundsätzlichen Entscheidungen, doch auch die verschiedenen Formen des Unterrichts ermöglichen in unterschiedlichen Graden Partizipation, z.B. als Projekt-Lernen, als Lernbüro (Freiarbeit) und als Werkstatt (Arbeitsgemeinschaften). Und selbst der „glorreiche Frontalunterricht“ (Lange) wandle sich, wenn Schüler anstatt Lehrer vorne stehen: „Plötzlich hat man Profis in der Klasse!“. Das individuelle Wissen und die eigenen Ideen werden dabei aktiv in den Lernprozess mit eingebracht, was Lernmotivation und damit den ganzen Lernprozess fördert. Das kann man, nach Lange, „ganz einfach hinkriegen“, wenn man nicht die Hausmeisterfirma engagiert, sondern die Wände selbst anmalt.

Sozialraumorientierung bedarf der Sozialraumanalyse. Welche Orte frequentieren Kinder eigentlich in ihrer Stadt? Wo bewegen sie sich und was bewegt sie dort? Wie kann Schule die persönlichen Territorien ihrer Schüler wahrnehmen und visualisieren? Beispiele dafür wurden in einem der abschließenden Roundtable präsentiert: Die Stadtgebietskarte, inmitten des Schulfoyers aufgehängt, könne die Stadtzugänge und -aneignungen der Schüler sichtbar machen. Im Sinne des cognitive mappings könnten sie ihre individuellen Wege und Orte auf der Karte entsprechend markieren, und bei Stadtspaziergängen vom Perlenladen bis zum Probekeller ihre Wahrnehmung und Nutzungsweisen aufzeigen.

Daraus ließen sich vielfältige Strategien wie Marktplätze, Kooperationen, Austausch und Vernetzung vom Frisör bis zum Stadteilpolitiker initiieren mit dem langfristigen Ziel der Orientierung und Vergewisserung in den Territorien. Und damit schloss sich der Kreis zum Einleitungsvortrag von Wolfgang Zacharias und seiner Referenz an die kunstpädagogische Tradition eines Gunter Otto (1987): „Inhaltsüberlegungen, die die Territorien nur akzeptierten, statt sie zu bearbeiten, geraten in die Gefahr, die Intersubjektivität zu verfehlen. Diese Spannung muss Schule reflektieren und aushalten!“ Die Kunstpädagogik, besser noch die ästhetischen Anteile aller Lernprozesse, hätten also zwei Aufgaben: Territorien erfahren, erleben und erkunden helfen sowie Karten machen zu lehren.

Mag sich die Erfurter Tagung auch etwas mehr Narrenfreiheit in Bezug auf ihr performatives Format erlaubt haben können, so lag ihre Stärke unbestritten in den inhaltlich hochwertigen und facettenreichen Beiträgen sowie in der gelungenen Verzahnung theoretischer Analyse mit einer enormen Fülle an Beispielen für die Anwendung in der Praxis. Und dies trieb bereits kurz vor Kongressende eine erste Blüte: David Scheitz, Studierender an der Universität Erfurt, und Arno Lange gründeten spontan ein Freies Seminar zur demokratischen Schule, das im Sommersemester starten wird. Ein Blog mit der Adresse http://dsds-ss12.blogspot.com wird umgehend eingerichtet. Und so endete in Erfurt BuKo12 Part05 mit einem Aufruf zum Anfang: „Bitte posten, was eine gute Schule ist!“

 

Autorin: Carina Herring

 

Carina Herring, freie Kuratorin und Autorin Berlin/Marseille, von 2004 – 2010 Projektleiterin der Arbeitsgemeinschaft deutscher Kunstvereine, Berlin.
Initiatorin folgender Projekte: COLLABORATION.Vermittlung.Kunst.Verein. Ein Modellprojekt zu zeitgemäßen Formen der Kunstvermittlung an Kunstvereinen, 2008-2010. CROSSKICK – Europäische Kunsthochschulen zu Gast in Deutschen Kunstvereinen. Ein internationales Programm zu künstlerischer Lehre und kuratorischer Praxis mit 13 Kunstvereinen und 30 europäischen Kunsthochschulen, 2006-2009.

]]>
http://www.buko12.de/2011/12/09/tagungsbericht-buko12-part05/feed/ 0
Tagungsbericht BuKo12 Part07 http://www.buko12.de/2011/12/02/tagungsbericht-buko12-part07/ http://www.buko12.de/2011/12/02/tagungsbericht-buko12-part07/#respond Fri, 02 Dec 2011 23:24:50 +0000 http://www.buko12.de/?p=1322 Eine Live-Berichterstattung in 26 Abschnitten vom ArtEduCamp am 3.12.2011 in Köln

ngefangen hat diese Tagung ursprünglich am 5. August: mit dem ersten Eintrag auf der Community-Plattform educamp-art.mixxt.de. Bis zum heutigen Tag gibt es in diesem virtuellen Raum 193 Mitglieder, 32 Themenvorschläge für Foren und 348 Beiträge, in denen diese Themen ausgiebig diskutiert werden. Von „Kunst und Jungs“ über „Kunstunterricht in der Zukunft“, „Welchen Wert hat die Malerei?“, „Netzkunst“, „Wie viel Pädagogik hat die Kunst?“ bis hin zu „StreetArt // digitale Medien“ reicht diese Palette. Vorbereitet wird in diesen Diskussionen das ArtEduCamp in Köln. Physisch treffen sich am 3.12.2011 über 100 Personen in den Räumen des Instituts für Kunst & Kunsttheorie an der Universität zu Köln, um auf diesem BarCamp sich kennenzulernen, weiterzudiskutieren, zu den Themen zu arbeiten. Also keine traditionelle Konferenz wird hier stattfinden, kein Programm wurde von Organisatoren vorherbestimmt und kein Teilnehmer wird nur berieselt. Vielmehr sind alle eingeladen und angehalten mitzumachen, mitzubestimmen, sich zu organisieren, zu partizipieren und selbstverständlich sich inhaltlich über kunstpädagogische Felder auszutauschen.

 

ereits am Vorabend des ArtEduCamp treffen die ersten Teilnehmer zum Warm-up ein. Im MedienBildungsRaum .mbr der Kunstpädagogik im Institut für Kunst & Kunsttheorie finden sich Studierende, Lehrende und Forschende aus Hamburg, Dresden, Schwäbisch Gmünd … und selbstverständlich aus Köln ein. Das .mbr ist ein kürzlich eröffneter, multifunktionaler Lernraum, der gleichsam als offene Werkstatt, für Seminare und Vorträge genutzt werden kann. Die Medientechnologie bildet hier eine kaum sichtbare Infrastruktur, um physischen und virtuellen Raum zu verbinden. Nach dem Warm-up zieht die Gruppe ins Hallmackenreuther, eine Szenekneipe, in der bei elektronischen Klängen und visueller Untermalung die ersten Erwartungen für den nächsten Tag diskutiert werden.

„Ich fand diese Veranstaltung auf Anhieb total spannend, weil dies eine völlig anders organisierte Konferenz ist, als ich sie bisher kannte. Die Themen sind sehr spannend – jetzt bin ich sehr gespannt, ob die morgen so zur Sprache kommen, wie es im Community-Portal bisher der Fall war.“

„Die Stimmung ist gut, die mixxt-Plattform hat pulsiert, inhaltlich ist es ziemlich dicht. Es sind gute Beiträge dabei, es haben sich Gruppen schon gefunden und eigentlich ist die Erwartung schon ziemlich groß, dass morgen viel passiert. Ich bin gespannt auf die Stimmungskurve: Wo verdichtet sich was inhaltlich, wo gibt es vielleicht Frustration, wie werden die aufgefangen und wo gibt es Möglichkeiten, neue Formen von Kommunikation und von Ideenentwicklungen zu generieren?“

 

irca 100 Teilnehmer sitzen am Samstag, den 3.12.2011, im Hörsaal der Humanwissenschaftlichen Fakultät. Es ist der Beginn des eigentlichen Camps, des physischen Treffs, der Face-to-face-Kommunikation. Zum Empfang wurden USB-Sticks an jeden Teilnehmer ausgeteilt: Sie enthalten Materialien aller Parts des Bundeskongresses der Kunstpädagogik 2010-2012 (BuKo12), zu dem auch das ArtEduCamp mit der Nummer 07 zu zählen ist. „Partizipation“ ist Leitthema nicht nur dieses Parts in Köln, sondern der gesamten Veranstaltungsreihe BuKo12. Die Form des BarCamps dürfte dabei einer der experimentellsten und offensten Formen sein, um partizipative Prozesse zu initiieren.

 

er Dekan der Humanwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Hans-Joachim Roth, zieht in seinem Grußwort einen kunsthistorischen Bogen und zeigt dabei die künstlerische Auseinadersetzung mit Pädagogik. La vierge corrigeant l’enfant Jésus (Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind), ein Gemälde von Max Ernst, ist hierfür ein klassisches Exempel:

„Das Mutter-Kind-Sujet bezieht sich augenscheinlich auf italienische Madonnenbilder der Renaissance und des Manierismus, aber auch auf das klassische Motiv des „Amor poenitus“, des von Venus gezüchtigten Amorknaben. Das Bild zog in den Jahren seiner ersten Präsentation in Paris und Köln den Zorn klerikaler Kreise auf sich, zumal der Künstler mit dem frommen Jesusbild bedrückende Kindheitserinnerungen an seine strenge katholische Erziehung verband.“ (Quelle)

Insbesondere zeigen Gemälde von Erziehungsaufenthalten in Camps aus dem 19. Jahrhundert die Verbindung zwischen Kunst, Erziehung und Camp und können als historische Bezugspunkte für die heutige Veranstaltung dienen.

 

ine Vorstellungsrunde besonderer Art, für BarCamps jedoch beinahe Pflicht, sind die drei Tags, die jeder Teilnehmer nennt, um sich vorzustellen. Das Publikum ist für eine Konferenz durchschnittlich sehr jung. Viele Studierende finden auf dem ArtEduCamp zusammen. Neben Kunst, Medien, Raum und Kommunikation wird insbesondere das Tag ‚Zukunft‘  oftmals genannt – eine Verpflichtung, die sich diese Generation der Kunstpädagoginnen und Kunstpädagogen annehmen will. Angereist sind die Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet und den Niederlanden.

„Schreibt doch Eure Tags aufs Namenschild“ (Eintrag auf Wunsch einer Sitznachbarin: Kannst du Twittern? FriederK Twitterwall)

 

ür die weitere Veranstaltung werden Räume und Zeiten für Sessions angeboten, um daraufhin den Teilnehmern die inhaltliche Ausgestaltung des Programms zu überlassen. Sieben mal vier Sessions sind für den heutigen Tag möglich, 32 Session-Themen wurden im mixxt-Portal vorgeschlagen. Die Anbieter der Sessions stellen ihre Themen vor Ort vor:

 

egenüber einer traditionellen Konferenz sticht der Blick einer jüngeren Generation ins Auge. Nicht berufserfahrene Konferenzorganisatoren sind am Werk, sondern Personen, die die berufliche Erfahrung vor sich haben, was sich in den entsprechenden Themen niederschlägt. Genügend Räume stehen für alle Sessions zur Verfügung. Inhaltlich ähnliche Themen sollen auf Wunsch aller Teilnehmenden nicht zusammengelegt, sondern zeitlich hintereinandergelegt werden, um die Möglichkeit der Teilnahme an unterschiedlichen Sessions zu erhöhen. Das Organisationsteam erstellt einen Session-Plan und gibt den Session-Anbietern die Bitte auf den Weg, ihre Sessions in eine 30-Sekunden-These münden zu lassen, die per Video dokumentiert und als abendliches Ergebnis des ArtEduCamp präsentiert werden soll.

 

at eine traditionelle Konferenz gewöhnlich eine organisatorische Vorlaufzeit von mehreren Monaten, um Programm, Referenten, Räume und Zeiten zu bestimmen und zu organisieren, so geschieht dies auf dem ArtEduCamp in wenigen Minuten. Nach der Erstellung des Session-Plans beginnt das von den Teilnehmenden selbstbestimmte Programm. Vier mal sechs parallel stattfindende, 80-minütige Sessions rund um Themen der Kunstpädagogik werden den heutigen Tag bereichern. Ein Rundgang.

 

n der Session „Kreativität und Aneignung“ werden Strategien vorgestellt, wie urbaner Raum durch kreative Interventionen in soziale und kommunikative Orte umgewandelt werden können. Ein Beispiel hierfür ist der Prinzessinnengarten in Berlin-Kreuzberg:

„Nomadisch Grün hat im Juli 2009 am Moritzplatz in Kreuzberg eine 6000 qm große Brachfläche von der Stadt Berlin gemietet und sie in eine ökologische und soziale urbane Landwirtschaft verwandelt. Der so entstandene Prinzessinnengarten produziert nicht nur lokal Lebensmittel, er schafft auch einen Ort neuen urbanen Lebens, an dem wir gemeinsam mit Nachbarn, Interessierten und Freunden arbeiten, lernen und entspannen.“ (Quelle)

 

enes Thema wird in der Session „Aneignung öffentlichen Raumes“ spezifiziert. Thematisiert wird die Hierarchisierung des städtischen Raums, die durch wirtschaftliche Faktoren bestimmt wird. Gefragt wird nach der Zugänglichkeit dieses Raums, nach dem freien Raum. Gentrifizierung, Interventionen und Cultural Hacking, sind Stichworte, die unter dem kunstpädagogischen Aspekt verhandelt werden. Im Kinderkarussell von Vojtech Fröhlich, Ondrej Mlady, Jan Simanek und Vladimir Turner wird das Recht auf Kunst und Teilhabe im öffentlichen Raum auf den Punkt gebracht: Kinder drehen sich an einem rotierenden Werbeschild über dem Straßenverkehr – eine Umcodierung einer Werbung in ein Ringelreiten.

 

önnen Jungs für den Kunstunterricht gewonnen werden? Danach fragt die Session „Kunst und Jungs“. Die Teilnehmer, durchweg Studierende, halten diese Frage für ihren späteren Beruf für wichtig und bedauern, dass dieser Aspekt in ihrem Studium keineswegs thematisiert wird. Sind es mehr männliche Vorbilder, die gebraucht werden, oder muss die Lebenswelt der Jungs mehr berücksichtigt werden? Sollte man geschlechtliche Stereotypen in der Lehrer-Schüler-Interaktion abbauen oder Berufsperspektiven aufzeigen? Für die Gruppe sind dies drängende Fragen für den zukünftigen Kunstunterricht, den sie selbst gestalten werden.

 

eider wird es, der Fülle der Sessions wegen, nicht möglich sein, über alle parallel verlaufenden Sessions zu berichten. „Guerrilla Advertising“, „Kunst und POPKULTUR“ sowie „Qualitatives Forschen“ sind weitere Themen, die am Vormittag besprochen werden. Die Thesensammlung am Ende des ArtEduCamp wird es ermöglichen, die Quintessenz dieser Sessions zu erfahren.

 

eetree ist ein Projekt, Natur und Internet zu verknüpfen. Bäume im öffentlichen Raum der Städte werden real markiert und bekommen eine Seite auf facebook mit Ortung. Große Bäume, wie z.B. Eichen, waren oftmals traditionelle, zentrale Treffpunkte auf Marktplätzen – soziale Räume des Austausches. Das Projekt greift diese Tradition auf und verlegt sie in den virtuellen Raum der sozialen Netzwerke. Physische Kommunikationsräume werden mit virtuellen verbunden. Gefragt wird nach der Übertragung solcher Konzepte auf den Kunstunterricht.

 

eben dem Begriff des Cultural Hacking widmet sich eine Session dem Schoolhacking. Es ist der Versuch, die Strategien des Cultural Hacking in die Institution Schule hineinzutragen. Cultural Hacking steht in der Entwicklungslinie von Dadaismus, Situationismus und Punk und beruht auf der Logik von Hackern: in fremde Systeme eindringen, sich darin orientieren und neue und überraschende Orientierungen einführen.

„Künstler hacken Schule..?“ (Twittermeldung von JohannaMartini)
„schule hackt kuenstler?!“ (von konsch00)
„schule hackt kunst!“ (von konsch00)
„Kunst soll/kann/muss auch Schule hacken!“ (von arteducamp)

 

bgleich der Begriff ‚Partizipation‘ gemeinhin positiv aufgeladen ist, kann eine kritische Haltung gegenüber diesem inzwischen inflationär gebrauchten Wort ertragreich sein. Dies zeigt die Session „Kunstkritik als Gesellschaftskritik“, in der das Modewort auf der Grundlage der gesellschaftlichen Entwicklungen und der sogenannten Partizipationskunst neu bewertet wird. Die aktive Teilhabe des Ausstellungspublikums wurde Ende der 50er- und zu Beginn der 60er-Jahre als neue Parole in der Kunst ausgegeben und wird im Rückblick oftmals als Mythos erkannt.

 

arallel verläuft die internationale Session „An introduction course to media as a tool and creative environment“ sowie „Künstlerische Strategien der Raumaneignung / Cultural Hacking der Zuschreibung ‚Geschlecht'“  und „Kunst und Computerspiele“. Letztere beschäftigt sich mit praktischen Anwendungen und Anregungen für die Integration von Computergames im Kunstunterricht. Hierbei dreht es sich nicht nur um die Ästhetik dieser Games, eine ästhetische Erfahrung die mit Jugendlichen vertieft und hinterfragt werden kann. Es geht ebenfalls um die Entgegensetzung von analog versus digital, aus der eine gegenseitige Bereicherung entsteht. Interessant bei dieser Thematik ist die Diskrepanz, dass ein Großteil der Session-Teilnehmer selbst keine Computergames spielt, die Auseinandersetzung im Unterricht jedoch für äußert bedeutend erachtet. Als ein Pool für Anregungen wird die Initiative Creative Gaming und das zugehörige Portal angeführt.

 

ualitative Leitfrage der Session „Kunstunterricht in der Zukunft“ ist: Wie ist Kunstunterricht im Jahr 2050 denkbar? Hierbei werden Faktoren, Probleme, Herausforderungen, Ängste gesammelt und bewertet. Als Herausforderungen und Probleme werden erkannt: die Auflösung des Fächerkanons, die Veränderung der Rolle des Lehrers, die Frage nach den bekannten, genutzten und ’neuen‘ Medien sowie die Entlokalisierung der Schule. Befürchtungen sind die zukünftige Legitimation des Faches Kunst und die verstärkte Kompetenzorientierung. Als ein klares Problem wurde dabei erkannt, dass das heute diskutierte frühestens 2050 umgesetzt sein wird.

 

echtzeitig die berufliche Laufbahn anzudenken und die Praxis- und Berufsnähe des Studiums auszubauen, sind Kernfragen der Session „Das Studium der Kunstpädagogik: klare Berufsfelder?“ Das Kommunizieren der studentischen Interessen ist eine Aufgabe, die zwischen Studierenden und Lehrenden, aber auch unter den Studierenden – insbesondere hochschulübergreifend – intensiviert werden soll. Selbstorganisation steht hier im Widerspiel zur institutionellen Organisation. Flexibilität und Offenheit auf allen Seiten werden dabei wesentlich sein.

 

treet Art bewegt sich zwischen Illegalität und Legalität. Sie ist eine Kunst, die letztlich nicht ausgestellt werden kann, sondern im und durch den öffentlichen Raum lebt. Der ästhetische Charakter liegt im sozialen Raum. „Geht mit offenen Augen durch die Welt!“, ist der Auftrag, den die Street Art dem schauenden Menschen auf den Weg gibt – und in der Session „Streetart // digitale Medien“ diskutiert wird. „YouserArt / UserArt / Nutzerkunst“, „Wie viel Pädagogik hat die Kunst?“ und „Kinder und Jugendliche machen Ausstellungen“ sind Themen, die zeitgleich in weiteren Sessions behandelt werden.

 

anz“ von Henri Matisse ist visueller Aufhänger für die Session „Netzkunst / Kollektivkunst“. Geht man von der Prämisse aus, dass jedwede Ideen- und Werkentstehung nicht ohne einen kollektiven Prozess gedacht werden kann, weil wir immer Impulse von außen aufgreifen und benötigen, zitieren und paraphrasieren, sollte dieser Prozess ebenfalls in der Schule und im Unterricht deutlich werden. Doch wie lässt sich dies in Einklang mit den geforderten, individuellen Leistungen bringen? Wie kann kollaborative Arbeit im Unterricht tatsächlich umgesetzt werden? Nicht nur die Architektur des physischen Raums ist hierfür ein wesentlicher Faktor, sondern auch die ‚geistige‘ Architektur, die sich in virtuellen Räumen abbildet. An diesem Punkt schlägt die netzbasierte Kunst eine Brücke.

 

mgang mit Sprache im Gegenüber der Kunst ist Gegenstand der Session „Sprechen über Kunst“. Insbesondere die zeitgenössische Kunst führt bei Schülerinnen und Schülern oftmals zu einem „Engpass der Worte“ (Eva Sturm). Die Aufforderung, Bilder zu beschreiben, stößt häufig auf Unverständnis. Charakteristisch finden die Schüler dagegen, dass der Lehrer zeigt und spricht und nur im Einzelfall nachfragt. Kunstkommunikation zu fördern und Zeige-Gesten zu kultivieren ist eine Schlussfolgerung, um das Sprechen über Kunst zu ermöglichen. Parallel verläuft eine Session zum Thema „Ästhetische Erziehung von jungen Menschen mit Blick auf Alltagserfahrungen“.

 

ermittlung zwischen U und W …

 

 

ie kann sich das ArtEduCamp in den Abschlusskongress einbringen?“ Dies ist eine Frage, die in einer weiteren Session auf Vorschlag des Initiators des ArtEduCamp, Prof. Dr. Torsten Meyer, besprochen wird. Mit Blick auf die Abschlussveranstaltung von BuKo12 am 19. bis 21. Oktober 2012 in Dresden wird diskutiert, ob und wie BarCamp-artige Veranstaltungen oder Elemente in einen Großkongress integriert werden können. Die Erfahrungen des heutigen Tages liefern dabei wertvolle Einsichten und Erkenntnisse.

 

-beliebig erscheinen die heute besprochenen Themen keineswegs. Sie entsprechen dem Zeitgeist, sind aktuell relevant – und werden zugleich auf kunstpädagogischen Kongressen selten hineingetragen. Auf dieser ‚Unkonferenz‘ kam durch die besondere Art der Organisationsform – eines BarCamps – eine Generation zu Wort, die ansonsten auf Konferenzen bestenfalls als Zuhörerin Beachtung findet.

 

es we can!“, könnte das Motto dieser Veranstaltung lauten, würde dieser Ausspruch nicht abgedroschen klingen. Über 100 junge Teilnehmer können sich mithilfe der vorhandenen Kommunikationstechnologien auf Themen verständigen und sich vor Ort auf eine Weise organisieren, die das intensive Bearbeiten dieser Themen ermöglicht. Die Intensität war trotz der sehr begrenzten Zeit extrem hoch. Die Inhalte wurden nicht nur gestreift, sondern oftmals tiefgründig debattiert.

 

usammenfassend werden die Thesen aus den einzelnen Sessions im gesamten Plenum per Video präsentiert. Zehn Stunden ArtEduCamp: Diskussionen, Gespräche, Statements rund um kunstpädagogische Themen, Positionen, Visionen werden in rund 10 Minuten komprimiert dargestellt. Ein Review nicht nur der Inhalte, sondern auch der Arbeitsweisen: Vernetzung und Kooperation standen hierbei im Mittelpunkt.

„Wie dokumentieren wir dieses erste ArtEduCamp? Welche Rolle spielt in Zukunft der Nachwuchs auf Konferenzen der Fachcommunity?“ (Twittermeldung von haurobert)

 

Autor: Michael Scheibel, www.medien-kunst-bildung.de

]]>
http://www.buko12.de/2011/12/02/tagungsbericht-buko12-part07/feed/ 0
Booklet zu Part01 http://www.buko12.de/2011/11/21/1292/ http://www.buko12.de/2011/11/21/1292/#respond Mon, 21 Nov 2011 15:58:26 +0000 http://www.buko12.de/?p=1292 Die Dokumentation zu Part01 liegt vor. Ausgehend von der Frage „Wie viel Kunst braucht die Kunstpädagogik?“ diskutierten am 26. November 2010 im Rahmen der Auftaktveranstaltung zum Bundeskongress der Kunstpädagogik Vertreter von Schule und Hochschule über Kunst, Gestaltung, Pädagogik, über Fragen der aktuellen Bedingungen von Kunstunterricht an Schulen und ästhetische Bildung im außerschulischen Bereich sowie über vieles, was schließlich von der Ausgangsfrage mittel- oder unmittelbar berührt wurde. Das Booklet finden Sie hier online.

]]>
http://www.buko12.de/2011/11/21/1292/feed/ 0