Part03.3 – Konzept
Posted: 11.08.2011 | No Comments »Vorbemerkung
Der Bundeskongress Kunstpädagogik 2010-12 besteht aus insgesamt 9 über zwei Jahre hinweg bundesweit an unterschiedlichen Orten ausgerichteten thematischen Plattformen, die in eine zentrale Abschlussveranstaltung 2012 münden. „Part 03“ ist eine dreiteilig organisierte Arbeitstagung zum Thema „Partizipatorische Kunstpädagogik in der Grundschule“. Sie dient der kooperativen Entwicklung, Erprobung und Präsentation partizipativer Unterrichtsformen und -inhalte in der Grundschule. Zielgruppe sind Studierende und Lehrende aus Hochschule und Studienseminar, LehrerInnen an Grundschulen sowie pädagogisch arbeitende Künsterlnnen.
Grundgedanken
Die Entwicklungen der bildenden Kunst seit der Moderne sowie die Diskurse der kunstpädagogischen Anschlussdisziplinen in Kunstwissenschaften, Bildungswissenschaften und Gesellschaftwissenschaften bilden sich in der Alltagsdidaktik kunstpädagogischer Bemühungen in der Primarstufe nur selten ab: Gestaltung wird als Dekoration missinterpretiert und mancherorts mit jahreszeitlicher Brauchtumspflege gleichgesetzt; den Potentialen ästhetischen Handelns wird der Status eines kompensatorischen Nischenprogramms zugewiesen.
Dem steht ein Bezugsfeld gegenüber, in dem es um ästhetisch-künstlerisches Handeln auf der Basis aisthetischer Wahrnehmungen geht, die in unterschiedlichen, der jeweiligen Suchrichtung entsprechenden Medien ihren Ausdruck finden. In dieser Form entspricht ästhetisches Handeln kindlichen Bildungsprozessen in ihrer Vielfalt und Heterogenität. Die herkömmlichen Fachgrenzen werden hierbei durchlässig: Es gilt, sich in einer Gestaltungserfahrung Weltwissen anzueignen. In diesem Zusammenhang ist der Gedanke der Partizipation im Sinne von Teilhabe von zentraler Bedeutung: Kinder sind berechtigt, sich durch ihre ästhetisch forschende Fragehaltung an der Ausgestaltung von Unterricht zu beteiligen und haben andererseits die Möglichkeit, Formen der Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen auf dem Weg über ihre kulturellen Ausdrucksformen kennen zu lernen und aktiv für sich zu wenden.
Um eine derartige Didaktik der Partizipation zu entfalten, bedarf es der Entwicklung vielfältiger Teilhabemöglichkeiten. Auf die konkrete schulische (Alltags)Praxis bezogen, bedeutet dies zweierlei: Zum einen eine praxisorientierte Verschränkung kunstpädagogischer Praxis und Forschung und zum anderen eine Vernetzung der an der Grundschullehrerausbildung beteiligten Institutionen (Hochschule, Studienseminar, Schule).
Fokussierung
Um eine partizipatorische Kunstdidaktik zu entwickeln, sollen auf zwei Ebenen die zuvor formulierten Grundgedanken manifest werden.
- Unterrichtsorganisation: Partizipatorischer Unterricht ist eine offenes System, das dazu dient, differente Zugänge zu ästhetischen Phänomenen zu ermöglichen und eine daran ausgerichtete heterogene Produktion zu entwickeln. Insofern müssen Kinder an der Unterrichtsplanung beteiligt werden. Ebenso ist eine Öffnung im Hinblick auf differente Themenfelder unter Vermeidung monokausaler Aufgabenstellung vonnöten. Die Lehrperson ist in dieser Konstellation ein kenntnisreicher Moderator und Ratgeber. Ein offenes System bezieht sich zudem auch auf eine Hinwendung zu außerschulischen Lernfeldern nun neuen sozialen Konstellationen in Lehr- und Lernprozessen.
- Inhaltliche Ausrichtung: Partizipation selbst soll zum Thema werden. Grundidee ist die Auffassung, dass künstlerisch-ästhetisches Handeln gesellschaftlich relevante Fragestellungen explizit macht und auf diese Weise lebensweltliche Felder in unterschiedlichen Medien erkundet und reflektiert. Insofern wird eine Erarbeitung partizipatorischer Verfahren im Kontext partizipatorischer künstlerischer Ansätze favorisiert.
Themenfelder
Im Rahmen des „Part 03“ haben sich Arbeitsgruppen zu folgenden Themenfeldern formiert:
1. Gender
Das biologische Geschlecht hat in Diskurs und Praxis immer weniger mit der Entwicklung einer geschlechtsspezifischen Identität zu tun. Diese ist gesellschaftlich bestimmt und als Konstruktion zu verstehen, die männlich und weiblich zu unterscheiden weiß, ohne ein gültiges Modell zu präsentieren. Mit dieser Entwicklung sind heutige Kinder im Grundschulalter konfrontiert und die Orientierung fällt insofern nicht leicht, weil die eigene Rolle durch Differenzen im eigenen Umfeld kontinuierlich in Frage gestellt wird. Der gesellschaftlichen Sensibilisierung der letzten Jahre in Genderfragen steht in der heutigen Grundschule ein konkretes Ungleichgewicht im Hinblick auf Chancengleichheit gegenüber. Im kunstpädagogischen Kontext wird seit u. a. seit Jahren der Verlust an ästhetischer Handlungskompetenz bei Jungen bei paralleler Abwertung der ‚weiblicher‘ Qualitäten bei den Mädchen (Mimesis, Detailfreude) diagnostiziert. Im Rahmen der Arbeitsgruppe wird dieser Zusammenhang thematisiert und kunstpädagogisch gewendet. Sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der formalen Ebene werden Szenarien entwickelt, die die genderspezifischen Ausprägungen befragen, ausdifferenzieren und gestalterisch transformieren und dabei unterschiedliche Darstellungsformen (bildnerisch, intermedial, performativ) nutzen.
2. Exklusion/Inklusion
Die heutige Bildungsdiskussion in Deutschland macht sich vor allem an der Forderung nach Bildungsgerechtigkeit fest. Dabei geht es um die Benachteiligung der Kinder aus bildungsfernen Schichten. Aus soziologischer Sicht ist der Versuch, die soziale Exklusion überwinden, problematisch. Denn es ist fraglich, ob die „Ausgeschlossen“ die angebotenen Förderangebote akzeptieren. Eine in schichtenübergreifenden Modellversuchen praktizierte Möglichkeit ist die ergebnisoffene Auseinandersetzung mit Kunstprodukten. Ausgangspunkt sollte hier zum einen die spezifische Alltagsästhetik sein, zum anderen hilft der „fremde Blick“ der Gegenwartskunst bei der Schaffung neuer und anderer Möglichkeitsräume. Impulsreich können hier künstlerische Arbeiten sein, die sich affektiv mit subkulturellen Attitüden auseinandersetzen, ohne diese trivial und exotistisch zu zitieren.
3. Interkulturalität
Im pädagogisch angemessenen Umgang mit Heterogenität stellt die Auseinandersetzung mit Migration und Interkulturalität eine besondere Anforderung an den pädagogischen Praktiker. Konstatiert werden kulturelle Differenzen (wobei hier auf den orientalisch-arabischem Kulturkreis Bezug genommen wird und nicht etwa auf den angloamerikanischen). Kulturelle Differenzen manifestieren sich habituell und im Hinblick auf das kulturelle Kapital. Im Kontext der Kunstpädagogik scheint der kulturspezifische Bildgebrauch von besonderem Interesse zu sein, beispielsweise im Hinblick auf die Unterschiede zwischen dem Bildgebrauch islamischer und westlicher Kulturen. Ein anderer Aspekt sind die alltagsästhetischen subkulturellen Äußerungen hybrider Jugendkulturen, die in kunstpädagogischen Zusammenhängen reflektiert und (an)gewendet werden können.
4. Information/Intermedia
Heutige Kinder im Grundschulalter wachsen als „digital natives“ in einer intermedial vernetzten Welt auf und sind einem Überfluss an Informationen in unterschiedlichen Zeichensystemen ausgesetzt. Dieser Entwicklung kann sich die Kunstpädagogik nicht entziehen. Partizipativer Kunstunterricht setzt zum einen an der interaktiven Gestaltung traditionellen Bildgebrauchs an: Es geht nicht um die Vermittlung traditioneller Bildprogramme, sondern um eine intermediale Aktualisierung von Zusammenhängen in Gestaltungsprozessen. Zum anderen geht es um die produktive Aneignung einer spezifischen Ästhetik der digitalen Informationssysteme. Dazu gehört auch ein emanzipiertes Verständnis der Produktionsbedingungen im Spannungsfeld von Partizipation und Kontrollfunktion.
5. Generationen
Durch technischen Fortschritt und die Beschleunigung des Lebens wird der Generationswandel in erheblichem Maß angekurbelt. Zugleich trägt die zunehmende Abschottung der Generationen zur gegenseitigen Entfremdung bei. Diese Entfremdung kann zur Beziehungslosigkeit sowie zur Vorurteilsbildung gegenüber der jeweils anderen Gruppe führen. Eine intergenerative kunstpädagogische Arbeit zielt auf eine Annäherung zwischen Alt und Jung. Kunst kann dabei als Brücke begriffen werden, Differenzen aufzuheben, Dialoge zu fördern und Erfahrungen und Vorstellungen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zum Ausdruck zu bringen. Es gilt den Austausch zwischen alten und jungen Menschen zu ermöglichen und in künstlerischen Projekten auszuloten, wie Generationen voneinander und miteinander lernen können. Dabei kann „Generation“ als pädagogisch-anthropologische Kategorie begriffen werden, in der das Verhältnis zwischen vermittelnder und aneignender Generation hinterfragt wird. Grundfrage aus kunstpädagogischer Sicht ist, ob das Aufeinandertreffen von Kindheit und Alter einen eigenen Akzent bekommt, wenn es unter dem Signum der Kunst geschieht.
Tagungsorganisation
Am 20. 5. 2011 fand die Auftakttagung des „Part 03“ an der Universität Kassel statt. Zielsetzung war die Definition und Diskussion des Begriffs „Partizipation“ in unterschiedlichen Bezugsfeldern (Bildungswissenschaft: Prof. Dr. Anne Sliwka, PH Heidelberg), Politikwissenschaf: Prof. Dr. Bernd Overwien, Universität Kassel, Kunst: Stefan Us, Münster), die Entwicklung einer Vorstellung von partizipatorischer und kunstbezogener Kunstpädagogik, die Bildung von und die Arbeit in Arbeitsgruppen zu den oben ausgeführten Themenfeldern sowie die Initiierung partizipatorischer Unterrichtsprojekte für die Folgezeit.
Im Zeitraum von Juni 2011 – Dezember 2012 sollen bundesweit partizipatorische Unterrichtsversuche und –projekte durchgeführt und dokumentiert werden. Durchführende LehrerInnen, HochschullehrerInnen, Studierende, SeminarleiterInnen und ReferendarInnen wurden im Vorfeld des Buko 12, bei der Auftaktveranstaltung in Kassel, durch einen bundesweiten Call for Projects sowie im Lehr- und Forschungsumfeld der OrganisatorInnen gewonnen bzw. sollen weiterhin gewonnen werden.
Am 27. 1. 2012 findet die Abschlusstagung von „Part 03“ an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg statt. Ziel ist eine elaborierte Diskussion des Begriffs „Partizipation“ in Theorie und schulischer Praxis, die Verknüpfung mit gesellschaftlich relevanter partizipatorischer künstlerischer Praxis sowie die Präsentation der durchgeführten Projekte. Es folgt ein Ausblick auf den Bundeskongress im Hinblick auf weitere Partizipationen.
Call for Projects
bis 1. 12. 2011
Anmeldung
bis 20. 1. 2012
OrganisatorInnen
Prof. Dr. Christina Griebel, Pädagogische Hochschule Heidelberg
Prof. Mario Urlaß, Pädagogische Hochschule Heidelberg
Prof. Dr. Andreas Brenne, Universität Kassel
Kooperationen
Institut für Weiterbildung, Pädagogische Hochschule Heidelberg
BDK Baden-Württemberg
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